Vorhellenistische Zeit
Die spärlichen archäologischen Zeugnisse aus der Zeit vor dem 3. Jh. v. Chr. lassen keine Rückschlüsse auf die frühe Siedlung zu. Sie wird einen dörflichen Charakter gehabt haben.
Makedonische Periode, ca. 333-301 v. Chr.
In der Weltchronik des Georgios Synkellos (byzantinischer Mönch und Geschichtsschreiber des 8. Jh. n. Chr.) gibt es einen Hinweis darauf, dass makedonische Truppen nach der Schlacht bei Issos 333 v. Chr. in das Gebiet um Gader vordrangen. Sie sollen das Land konfisziert und auf der strategisch günstig gelegenen Felskuppe eine Militärkolonie gegründet haben. (Weber, S. 59)
Ptolemäer und Seleukiden, 301 - 98 v. Chr.
Nach der Niederlage des Antigonos I. Monophthalmos in der Schlacht bei Ipsos (301 v. Chr.) standen Palästina und die Territorien östlich des Jordan unter der Herrschaft der Ptolemäer.
211 v. Chr. belagerte das Heer des Seleukiden Antiochos III. Gadara, das zu jener Zeit eine Festung an der Grenze zwischen ptolemäischem und seleukidischem Gebiet war. Wie der Geschichtsschreiber Polybios (um 200 - um 120 v. Chr.) berichtet, erschraken die Bewohner Gadaras über die Belagerungstechnik vor ihren Mauern derart, dass sie sich ergaben. Dies ist die früheste bekannte historische Quelle zu Gadara.
Eine länger andauernde Herrschaft über die Stadt erlangten die Seleukiden erst nachdem sie die Ptolemäer in der Schlacht bei Paneion (200 v. Chr.) besiegt und das Ostjordanland ihrem Reich einverleibt hatten. Gadara erhielt die Beinamen Antiocheia und Seleukeia.
Durch die Niederlage im Römisch-Syrischen Krieg (192 - 188 v. Chr.) war das Seleukidenreich geschwächt. Deshalb konnten in der ersten Hälfte des 2. Jhs. v. Chr. lokale Mächte erstarken: die jüdischen Hasmonäer, die arabischen Nabatäer und die syrischen Ituräer.
Die Städte des Ostjordanlandes erlebten einen Aufschwung. In Gadara wurden die Verteidigungsanlagen grundlegend neu gestaltet. Archäologische Funde lassen einen gewachsenden Wohlstand der Bevölkerung und verstärkten Austausch mit der griechischen Welt erkennen.
Hasmonäer, 98 - 90 und ca. 82 - 64/63 v. Chr.
Nach zehnmonatiger Belagerung wurde Gadara 98 v. Chr. von den Hasmonäern unter Alexander Jannäus (um 126 v. Chr. - 76 v. Chr.) erobert.
Als die hasmonäische Expansion den Nabatäern den Zugang zum Mittelmeer abschnitt, deren Handelswege unterbrach und ihre Gebiete am Toten Meer okkupierte, kam es zum Krieg. 93 v. Chr. besiegte der Nabatäerkönig Obodas I. die hasmonäischen Truppen und nahm die Galaaditis und Moabitis in Besitz. Doch dies war "offenbar mehr ein politischer Anspruch und eine Vereinbarung zwischen den beiden kriegführenden Parteien als ein Vorgang, der zur Etablierung einer nabatäischen Administration in der Galaaditis geführt hat… Es gibt weder in der literarischen Überlieferung noch im archäologischen Befund einen Hinweis darauf, daß die Nabatäer diese Region nun siedlungsmäßig in Besitz genommen hätten." (Robert Wenning, Die Dekapolis und die Nabatäer, 1994)
Etwa 83 v. Chr. gewannen die Hasmonäer in der Region wieder die Oberhand. Auch Gadara wird erneut unter deren Herrschaft gefallen sein. "… die Begeisterung, mit der die Befreiung der Stadt durch Pompeius noch Jahrhunderte später gefeiert wurde, [zeigt] wie traumatisch die Fremdherrschaft auf die Bevölkerung gewirkt haben mußte." (Weber, S. 65)
Römische Epoche
64 v. Chr. - Befreiung durch Pompeius
Als das römische Heer unter dem Feldherrn Gnaeus Pompeius Magnus (106 - 48 v. Chr.) das Ostjordanland eroberte, wurde Gadara von der hasmonäischen Herrschaft befreit. Pompeius erkannte die (relative) Autonomie einer Reihe von hellenisierten Städten an, die später als Dekapolis (der Begriff tauchte erst 100 Jahre später auf) eine Interessengemeinschaft bildeten und zu denen Gadara gehörte. Deshalb wurde das Jahr 64 v. Chr. dort als Beginn einer pompeischen Zeitrechnung gesetzt und erschien auf städtischen Münzen als das Jahr "1 der Stadt Rom".
Flavius Josephus schrieb, Pompeius habe das von den Hasmonäern zerstörte Gadara wieder aufbauen lassen, um seinem Freigelassenen Demetrios (ein Vertrauter des Feldherrn) einen Gefallen zu erweisen. Dafür fehlen allerdings archäologische Belege, doch: "Sicherlich wurden auch in Gadara die alten Heiligtümer wieder instand gesetzt und Breschen im Mauerwerk der Festung repariert. Gleichzeitig wurden vertriebene Bürger aus dem Exil zurückberufen und wieder in Rechte und Besitz eingesetzt." (Weber, S. 67-69)
Herodes, 30 - 4 v. Chr.
Als römischer Klientelkönig herrschte Herodes der Große in Judäa, Galiläa, Samaria, den angrenzenden Gebieten und damit auch über Gadara. Dessen Bürger bemühten sich vergeblich, ihn bei der römischen Zentralmacht zu diskreditieren und dadurch loszuwerden. Erst nach dem Tod des Herodes (4 v. Chr.) wurde Gadara wieder der Zuständigkeit des Statthalters der römischen Provinz Syrien unterstellt.
Frühe Kaiserzeit, 4 v. Chr. - 106 n. Chr.
In die Regierungszeit des Tiberius (14 - 37 n. Chr.) dürfte die Legende der Dämonenaustreibung durch Jesus bei Gadara fallen, von der das Matthäus-Evangelium berichtet. (siehe den Wortlaut)
Während des ersten jüdischen Aufstands gegen die Römer (66 - 70/74 n. Chr.) wurde Gadara zerstört. Der Aufstand endete mit der Zerstörung Jerusalems, das Protektorat Judaea wurde 70 n. Chr. zur römischen Provinz erklärt. "Möglicherweise ist auch die Entstehung der Dekapolis als untergeordnete administrative Einheit innerhalb der Grenzen der Provincia Syria als eine unmittelbare Folge des Krieges zu sehen." (Weber, S. 72)
Gadara und die benachbarten Städte Adra’a und Abila, die ebenfalls zur Dekapolis gehörten, bauten von 90 bis 210 n. Chr. in mehreren Phasen eine 170 km lange Fernwasserleitung. Diese verlief über 106 km durch ein Tunnelsystem und war der bei weitem längste Tunnel und eine der bedeutendsten Ingenieursleistungen der antiken Welt - mehr dazu im dem Kapitel unserer informativen Fototour.
Teil der Provincia Arabia, ab 106 n. Chr.
106 Annektion des Nabatäerreichs durch Rom und Einrichtung der Provincia Arabia mit dem südsyrische Bostra als Hauptstadt. Die Städte der Dekapolis, so auch Gadara, wurden Teil der neuen Provinz. In Gadara sind in der ersten Hälfte des 2. Jahrhunderts hochrangige Offiziere des römischen Heeres als öffentliche Stifter inschriftlich genannt.
Blütezeit, 2. bis 4. Jh. n. Chr.
Den Höhepunkt seiner Entwicklung erreichte Gadara mit den städtebaulichen Erschließungs- und Renovierungsprogrammen in antoninischer (98 - 180 n. Chr.) und severischer Zeit (193 - 235). Erweiterung des Stadtgebietes nach Westen und Errichtung neuer öffentlicher Prunkbauten nach dem Vorbild benachbarter Städte.
Nach einer Periode äußerer Unsicherheit und wirtschaftlicher Instabilität scheint sich die Stadt zu Beginn des 4. Jahrhunderts wieder erholt zu haben, ohne jedoch ältere liegengebliebene Bauprojekte wieder aufnehmen und vollenden zu können.
Byzantinische Epoche
Gadara wurde zu einem Pilgerzentrum, an dem die Gläubigen der von Matthäus geschilderten Dämonenaustreibung durch Jesus gedachten. Verehrt wurde auch ein Heiligengrab in der im dritten Viertel des 4. Jhs. vor dem römischen Hypogäum entstandenen Krypta unter der fünfschiffigen Basilika.
Der kirchliche Machtzuwachs im 6. Jh. n. Chr. ist an dem aus Atrium, Zentralbau und dreischiffiger Basilika bestehenden Komplex auf der Westterrasse im Zentrum der Stadt besonders deutlich zu erkennen. Er wurde auf den Trümmern von Prachtbauten der römischen Kaiserzeit und mit wiederverwendeten Bauelementen von diesen errichtet.
Islamischen Epoche
Nach der Schlacht am Yarmuk 636 n. Chr., in der die Armee des byzantinischen Kaisers Herakleios von den muslimischen Arabern unter dem Kommando des Khalid ibn al-Walid vernichtend geschlagen wurde, begann die muslimische Epoche.
"Wahrscheinlich erfolgte auch in Gadara der Machtwechsel als Ergebnis bilateraler Diplomatie: Man erkannte zwar das Kalifat in Damaskus an und zahlte die Kopfsteuer, auf kommunalpolitischer Ebene änderte sich jedoch wenig." (Weber, S. 84) Die Kirchen blieben bis weit in die umayyadische Zeit (661 - 750) hinein erhalten und wurden von den christlichen Gemeinden genutzt.
Niedergang ab dem 8. Jh.
"Ein allgemeiner Niedergang der städtischen Kultur ist im wesentlichen wohl auf eine Reihe von Erdbeben zurückzuführen, die Gadara im Laufe des 7./8. Jhs. schwer getroffen haben. In den Jahrhunderten danach reduziert sich jedoch das städtische Gemeinwesen allmählich auf einzelne kleine, eher ländlich geprägte Siedlungen an unterschiedlichen Punkten der antiken Stadt, bis dann im späten 19. Jh. auf dem alten 'Akropolishügel' ein neues Dorf entsteht, das als Keimzelle des modernen, schnell wachsenden Ortes Umm Qais gelten kann." (A. Hoffmann, S. 102) Aus offiziellen Dokumenten geht hervor, dass der Ort im 16. Jh. bewohnt war und dort Steuern gezahlt wurden.
Spätosmanisches Dorf
Etwa von 1890 bis 1930 ist auf den Ruinen der einstigen "Akropolis" ein kleines Dorf erbaut worden. Dafür wurden Steine und Bauelemente der antiken Stadt verwendet. Nachdem die jordanische Antikenverwaltung beschlossen hatte, das Dorf zur Erforschung und zum Schutz der antiken Stätten zu räumen, mussten die Bewohner ihre Häuser um 1986/1987 verlassen. Mehr dazu im Kapitel über das osmanische Dorf .
© Chronologie: Zusammengestellt aus Informationen vor allem in der grundlegenden Publikation Gadara - Umm Qes von Thomas M. Weber.