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Interview mit Jaime Cerón

Von Pat Binder & Gerhard Haupt

Jaime Cerón

Der Berater für visuelle Künste des Kulturministeriums spricht über die Künstlersalons in Kolumbien.

Binder & Haupt: Wie wir lasen, hielten Sie in Vorbereitung des 43SNA im März dieses Jahres im Museo de Antioquia einen Vortrag mit dem Titel "Das Ausstellungsformat, zwischen Salons und Biennalen". Darin plädierten Sie für neue Mechanismen und Formen von Ausstellungen mit unkonventionellen Strategien. Könnten Sie bitte kurz erläutern, was Sie damit meinen?

Jaime Cerón: In meinem Vortrag sprach ich über Modifikationen im Programm der Künstlersalons von Kolumbien im letzten Jahrzehnt. Dieses Programm besteht aus zwei Ausstellungsplattformen, den regionalen Salons und dem nationalen Salon, die den künstlerischen Praktiken in Bezug auf das Territorium und den kulturellen Kontext gewidmet sind. Der Nationale Salon wurde vor 73 Jahren geschaffen, und seit seinen Anfängen musste man sich mit einer Reihe von Herausforderungen auseinandersetzen, weil der "Salon" als Ausstellungsformat einem anderen Moment und Ort entstammt. Im Laufe dieser Jahre hatte die Veranstaltung 42 Editionen, normalerweise begleitet von interessanten Diskussionen u.a. über die Grenzen des Salons als ein Ausstellungsmodell, das geeignet wäre, irgendeine Art des Verständnisses der künstlerischen Praktiken in Kolumbien zu artikulieren und zu projizieren. 1976 ist damit begonnen worden, regionale Künstlersalons zu veranstalten, die als Vorstufe des Nationalen Salons gedacht waren und in deren letzten 4 Editionen wichtige Veränderungen hinsichtlich des Konzepts und der Struktur stattgefunden haben. In dem Vortrag unterzog ich einige der Alternativen, die dem Modell "Salon" im Hinblick auf die Nationalen Künstlersalons vorgeschlagen wurden, einer Überprüfung und untersuchte weitere Ausstellungsprojekte, die auf anderen Präsentationstrukturen aufbauen.

B & H: In den Presseinformationen des 43SNA steht, das Kulturministerium Kolumbiens hätte sich um eine Neuformulierung des konzeptuellen Rahmens und der kuratorialen Gestalt dieser Edition des Salons bemüht. Worin besteht diese Neuformulierung? Schon an den zwei vorhergehenden Versionen des Salons nahmen neben den Kolumbianern auch Künstler aus dem Ausland teil. Ist in diesem Jahr eine noch größere Öffnung zu erwarten?

JC: Die konzeptionelle Transformation begann im Grunde schon 1998, als ein Text mit Reflexionen über die Grenzen des Modells Salon - hervorgehend aus einer öffentlichen Ausschreibung mit einer Auswahljury, was zu einer großen Ausstellung mit einem Preis führt - erschien. Er zeigte einige mögliche Alternativen auf und implizierte die Realisierung des Projekts Pentágono [1], das viele öffentliche Diskussionen mit einer breiten Beteiligung der auf dem Gebiet der Kunst Aktiven in den Folgejahren mit sich brachte. Dabei kam das Unbehagen zur Sprache, das der Name "Salón Nacional" hervorruft, doch gab es große Zustimmung dahingehend, den Namen wegen der Wiedererkennung beim allgemeinen Publikum und den Medien beizubehalten, jedoch seine Struktur zu verändern. Tatsächlich realisierte das Nationalmuseum von Kolumbien eine historische Ausstellung über die Veranstaltung und nannte sie "Marca Registrada" [Registrierte Marke], was auf das Fortbestehen des aus früheren Jahren überlieferten Namens anspielt. [2]

Seit 2004 kommen die regionalen Salons nicht mehr durch Ausschreibungen und Jurys zustande, sondern Gruppen von Kuratoren werden damit beauftragt (sie beteiligen sich durch ein kuratoriales Forschungsstipendium mit einem Projekt), die auf der Suche nach Künstlern durch das Land reisen und die Ausstellungskontexte und -plattformen vorschlagen. Es werden 10 solcher Stipendien vergeben und Ausstellungen in verschiedenen Städten ausgerichtet. Mit dieser Verfahrensweise sind schon 4 Versionen des Projekts realisiert worden, und die Ergebnisse sind jedes Mal besser. Dieser Wandel im Konzept der regionalen Künstlersalons warf viele Fragen dahingehend auf, wie der Nationale Salon sein sollte, und so gab es bei den letzten beiden Editionen (den Salons 41 und 42) Kuratorenteams, die darüber nachdachten, wie die regionalen Salons und der Nationale Salon zu verbinden wären. Als eine Strategie um zu verstehen, welches die konzeptuellen "Grenzen" der kolumbianischen Kunst seien, falls es solche überhaupt gibt, entschieden sie sich für die Einbeziehungen von Künstlern aus anderen Ländern.

Beim 43. Salon wird diese Überprüfung fortgeführt und versucht, aus den Fehlstellen früherer Versionen zu lernen. Dabei ist das große Thema, das es zu bewältigen gilt, die Beziehung der 10, von den Kuratorenteams der regionalen Salons realisierten Ausstellungsprojekte zum Nationalen Salon. Wir haben viele Strategien angewandt, um eine Alternative zu finden, die letzendlich Dank der Anerkennung zustande kam, die den regionalen Salons in den verschiedenen künstlerischen Kontexten ganz Kolumbiens entgegengebracht wird, was uns zu der Schlussfolgerung veranlasste, dass die regionalen Salons nicht länger als Vorstufen des Nationalen Salons aufgefasst werden sollten, sondern als ein autonomes Projekt für sich gedacht werden müssen. Auf dieser Basis ist die einzige Verbindung zwischen den beiden Plattformen das Konvolut der von den Kuratoren der regionalen Projekte ausgewählten Künstler, die man um ein Portfolio bat, das der künstlerischen Leiterin und den Kuratoren des Nationalen Salons geschickt wurde, damit es ihnen als eine Referenz dient, um die zeitgenössische kolumbianische Kunst zu verstehen. Das war der Ausgangspunkt der Kuratoren des 43. Nationalen Salons, die auf eigenständige Weise die konzeptionelle Ausrichtung festlegten und entschieden, welche kolumbianischen und ausländischen Künstler in die Ausstellung aufgenommen werden sollen. Sie beschlossen die Einfügung von (inter), klein geschrieben und in Klammern, als Zeichen der Notwendigkeit, neu darüber nachzudenken, welchen Gattungsnamen diese Leistungsschau in der Zukunft haben müsste.

B & H: Wie geht die Auswahl der Austragungsorte eines jeden Nationalen Salons vonstatten? Können sich die Städte dafür bewerben? Welche Kriterien sind für den Zuschlag entscheidend?

JC: Der Grundgedanke besteht darin, dass die Stadt, die Ort eines Salons sein will, sich komplett zu dessen Realisierung verpflichtet und die Minimalanforderungen erfüllt, die vom Ministerium verlangt werden. Diese Anforderungen betreffen vor allem die verfügbaren Flächen - also die Ausstellungsräume - sowie die Bereitschaft, die finanziellen Mittel zu investieren, die zusätzlich zu dem erforderlich sind, was das Kulturministeriums zur Verfügung stellt.

B & H: Wird das Konzept einer Wanderausstellung auch in Zukunft beibehalten? Das ist ohne Zweifel interessant für die Belebung und Förderung der jeweiligen lokalen und regionalen Kunstszenen in Kolumbien, aber man fragt sich natürlich, welche Städte denn überhaupt über die Mittel und die Infrastruktur verfügen, die für die Realisierung einer solch anspruchsvollen Kunstveranstaltung erforderlich sind.

JC: Bis jetzt fand der Nationale Salon zweimal in Cartagena statt, einmal in Cartagena - Santa Marta und Barranquilla, einmal in Cali und zweimal in Medellín. Alle anderen Versionen wurden in Bogotá präsentiert. Derzeit hat die Kaffee-Achse Interesse bekundet, wo sich die Städte Armenia, Manizales und Pereira befinden, die weniger als eine Stunde Fahrzeit voneinander entfernt liegen und ein Ausstellungsprojekt von der Größe des Salons beherbergen können. Ich halte es für möglich, dass sich ein oder zwei weitere Städte als Veranstaltungsorte bewerben, statt wieder diejenigen zu wählen, in denen der Salon früher schon war.

B & H: Begriffe wie "National" und "Salon" im Namen erschweren es erheblich, den internationalen und innovativen Anspruch der Veranstaltung zu kommunizieren. Warum wird der traditionelle Name in nur leicht veränderter Form beibehalten?

JC: Wie ich schon sagte, besteht der Hauptgrund für die Beibehaltung dieses Namens darin, dass viele kolumbianische Künstler (vor allem diejenigen, die über 60 Jahre alt sind) glauben, auf eine solche Weise das Fortbestehen dieser Veranstaltung über so lange Zeit hinweg (73 Jahre, 43 Ausgaben) deutlich zu machen und eine Wiedererkennung durch die Medien und das Publikum beizubehalten, sei von Vorteil, und sie sehen im Namen "Salón Nacional" eine Art "Markenzeichen". Es kann jedoch durchaus möglich sein, dass im Zuge eines neuen institutionellen Nachdenkens und einer erneuten öffentlichen Debatte andere Vorschläge entstehen, diese Geschichte aufzugreifen und trotzdem deutlicher erkennbar werden zu lassen, worum es bei diesem Projekt geht. In den letzten 6 Jahren ist der eigentliche Name der Veranstaltung zu einem Untertitel geworden, und man hat den Namen des Ausstellungsprojekts selbst wesentlich stärker in den Vordergrund gestellt, so wie es in diesem Jahr mit SABER DESCONOCER geschieht.

Anmerkungen:

  1. Siehe: Proyecto Pentágono. Investigaciones sobre arte contemporáneo en Colombia. Bogotá, Ministerio de Cultura, 2000. Digitale Version der Publikation auf der Website der Biblioteca Luis Ángel Arango del Banco de la República. Gesehen am 17. Juli 2013.
  2. Marca registrada - Salón Nacional de Artistas. Museo Nacional de Colombia, Bogotá, 19. Oktober 2006 - 14. Januar 2007. Siehe die Dokumentation auf der

Jaime Cerón
* 1967 Bogotá, Kolumbien. Absolvierte ein Studium der bildenden Künste an der Universidad Nacional de Colombia, wo er auch einen Master in Geschichte und Theorie der Kunst erlangte. Seit 1994 konzentriert er seine Arbeit auf fünf Bereiche: Lehre, Kritik, Kuratieren, Forschung und Kulturmanagement. War Dozent der Kunstfakultäten der Universitäten Jorge Tadeo Lozano, Los Andes, Academia Superior de Artes de Bogotá, Javeriana und Nacional. Von 1997 bis 2007 in Bogotá Geschäftsführer für Bildende Künste am Institut für Kultur und Tourismus. Bis 2010 freischaffend als Kunstkritiker und Kurator tätig. Seit Oktober 2010 Berater für Visuelle Künste des Kulturministeriums.


Pat Binder & Gerhard Haupt
Herausgeber von Universes in Universe - Welten der Kunstm, Berlin.
Übersetzung aus dem Spanischen: Haupt & Binder
© Foto: Courtesy 43SNA


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