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Eine neue Künstlergeneration aus Beirut. Rezension der Ausstellung in The Mosaic Rooms, London, bis 22. August 2015, kuratiert von Sam Bardaouil und Till Fellrath.
Von Eline van der Vlist | Aug 2015Dreizehn junge Künstlerinnen und Künstler, die mit Beirut verbunden sind, obwohl sie nicht unbedingt ständig dort leben. Eine neue Generation, geprägt durch formale und semantische Anliegen. Eine neue Generation, die sich locker gegenüber vorhergehenden Generationen positioniert, also von denjenigen absetzt, die das herausgebildet haben, was als die Beiruter Kunstszene der Nachkriegszeit gilt. Eine aufkommende Bewegung mit einer Affinität zum Alltäglichen, Gewöhnlichen, Persönlichen. Um es mit den Worten von John Cleese zu sagen: "Erwähnt den Krieg nicht."
Natürlich zählt am Ende einzig und allein, ob die ausgestellte Kunst irgendwie gut ist. Die eher unbefriedigende Antwort besteht weder in einem eindeutigen Ja, noch in einem lauten Nein.
Wenn man die Ausstellung betritt, kommt man an Mirna Bamiehs starrendem, groß auf die Wand projizierten Gesicht nicht vorbei. Bei näheren Hinschauen erkennt man nach und nach, dass sich das scheinbar stehende Bild bewegt, wenn auch ganz langsam. A Brief Commentary on Almost Everything (2012) ist ein Selbstporträt beim Gähnen, abstrahiert durch die zeitliche Dehnung. Gewiss zieht es die Aufmerksamkeit auf sich, aber für mich nicht genug, um die Bedeutung einer solchen Aktivität an sich zu hinterfragen, so wie es zum Beispiel in Bruce Naumans verlangsamtem Stoßen in sein Auge geschieht.
Auf dem Boden steht ein Telefon mit einem kleinen Begleittext, zu dem eine Telefonnummer gehört. Die Installation Let it ring (2014) von Charbel-joseph H. Boutros besteht aus drei altmodischen Telefonen, die über die Galerie verteilt sind. Wie mir gesagt wurde, bildet deren Anordnung ein gleichseitiges Dreieck, das jenes gleichseitige Dreieck spiegelt, welches durch die geographische Position der drei Nummern entsteht. Es gibt dabei etwas herrlich Zufälliges und Poetisches mit klaren konzeptuellen Zwischentönen, und es hätte mir sicher gefallen, die dazugehörige Performancearbeit zu sehen.
Im Hauptraum in der Nähe des Fensters liegt auf dem Boden verstreut etwas, das zunächst wie braunes, vom Wind zusammengewehtes Gras aussieht, sich dann aber als eigentlich interessantere Kupferabgüsse von 1000 Kiefernnadeln der Installation Remote/Local (2015) von Caline Aoun herausstellt. Sie ist elegant, sensibel und unaufdringlich, wirkt aber in der Konstellation dieser Ausstellung ein wenig verloren. Anscheinend gehört dies zu einer größeren Installation, und es wäre wohl gut gewesen, das Werk in seiner Gesamtheit zu sehen.
Die Exponate auf der Hauptetage werden leider alle ein wenig überlagert durch die aufdringlichen Töne aus der Videoarbeit Sans titre (moshi moshi) (2013) von Geörgette Power, die den Betrachter in ein digitalisiertes, anonymes Büroambiente mit unklaren Instruktionen und elektronischen Sounds zieht. Falls das Video darauf abzielen sollte, das Publikum zu verprellen, ist ihm das gewiss gelungen.
Ein Film über ein modernistisches Gebäude - ein Schauplatz in Beirut. Das klingt schon wie ein wahr gewordener Traum. Das betreffende Gebäude ist Libanons nationale Elektrizitätszentrale, angesichts der häufigen Stromsperren und der regulierten, rotierenden Zeitpläne für die Bereitstellung von Elektrizität eine sarkastische und symbolische Wahl. Wegen des Themas und des Schauplatzes gelingt es der Arbeit E.D.L. (2011) von Siska, das Interesse für deren gesamte Dauer von 21 Minuten auf sich zu ziehen, aber nur gerade so. Super 8 erfordert Aufmerksamkeit für technische Details, um den Film im Fokus und die Linse frei von herunter hängenden Fäden zu halten. Heutzutage sollte es auch eine bewusste Entscheidung mit klarer Absicht sein, etwas nicht unnötigerweise wie Instagram erscheinen zu lassen.
In einer Übersichtsausstellung wie dieser, mit keinem anderen Rahmen für die Auswahl der Werke als der Verbindung der Künstler zur selben Stadt, macht es immer mal wieder Spaß, zufällige Verknüpfungen zu entdecken. Zu den Sachen, die mir aufgefallen sind, gehört, wie viele Künstler zu ihrer Präsentation ein Element hinzugefügt haben, mit dem sie sich zu bemühen scheinen, diese aus dem eigentlich gewählten Medium herauszulösen. Die völlig ausreichenden Gemälde von Tala Worrell (Lookers, 2015; Earth, 2015; Boombox, 2014) werden zusammen mit einer Auswahl von Dulux-Farbdosen in der Ecke ausgestellt. Lara Tabet präsentiert ihr im Grunde sehr interessantes fotografisches Werk The Reeds (2013) in einer Kartonschachtel auf einem Schreibtisch mit einer Lampe. Siska fügt ihrem Video eine gerahmte Fotografie des Architekten vom Elektrizitätsgebäude hinzu. Instead of a Resolution: Inside/Outside (2014) von Nour Bishouty, bestehend aus einer Reihe von Gummistempeln, die auf umgekehrte Weise aus den Einträgen in Reisepässen generiert worden sind, ist für sich schon interessant genug, deshalb scheint die Hinzufügung eines Tisches mit einem Arrangement der Holzstempel selbst ziemlich überflüssig.
I Spy With My Little Eye… (Ich sehe was, was du nicht siehst…) enthält gewiss einige kraftvolle Werke, und obwohl sie die weniger interessanten stärken, schaffen sie es leider nicht, die gesamte Ausstellung zu beleben. Ein Teil des Problems ist vielleicht darauf zurückzuführen, dass die meisten dieser Künstler gut versiert in der Sprache der internationalen zeitgenössischen Kunst sind, doch während ihr Werk eingängig genug ist, bleibt zu viel Raum offen, etwas stärker zu provozieren, sich etwas tiefer zu engagieren oder etwas mehr zu reflektieren. Es gelingt der Schau nicht, über die unzähligen Ausstellungen von Abschlussarbeiten und die mit offener Beteiligung, die zur selben Zeit in London zu sehen sind, hinauszugehen.
Eline van der Vlist
Künstlerische Leiterin von Darat al Funun in Amman, Jordanien.
Künstlerinnen und Künstler:
Caline Aoun, George Awde, Mirna Bamieh, Nour Bishouty, Pascal Hachem, Charbel-joseph H. Boutros, Aya Haidar, Geörgette Power, Joe Namy, Stephanie Saade, Siska, Lara Tabet und Tala Worrell
Kuratoren:
Sam Bardaouil and Till Fellrath
Weitere Ausstellungsorte:
Casa Arabe, Madrid
17. September - 22. November 2015
Casa Arabe, Córdoba
Dezember 2015 - Februar 2016
I Spy With My Little Eye…
(Ich sehe was, was du nicht siehst…)
Eine neue Künstlergeneration aus Beirut
11. Juli - 22. August 2015