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Rezension des internationalen Kunstevents, 7. - 9. Februar in Dhaka, Bangladesch, veranstaltet von der Samdani Art Foundation.
Von Gitanjali Dang | Mär 2014Es gab einige Konfusion hinsichtlich der Verwendung des Substantivs "Summit" (Gipfeltreffen) für Kunstveranstaltungen in Südasien. In einer früheren Version war die India Art Fair in Delhi als der India Art Summit bekannt. Verwirrung über die Orientierung des Events veranlassten die Veranstalter in sich zu gehen und sich daraufhin für eine unmissverständliche "Messe" zu entscheiden.
Ein gesunder Skeptizismus gehörte zu meiner Einstellung als ich mich auf den Weg zur zweiten Edition des Dhaka Art Summit (DAS) machte. Es gab da einige Gerüchte. Soll es eine Messe sein? Oder etwas Nichtkommerzielles? Dann stellte sich heraus, dass es Messestände geben würde, aber Galerien dafür nicht zur Kasse gebeten worden sind. Verquerer und verquerer.
Bei meiner Ankunft bekam ich mit, dass sich der DAS mit der Entscheidung für ein klar hybrides Format erfolgreich aus dem Schatten der jüngsten Debatte über die Realisierung eines dreitägigen Kunstfestival gelöst hat. DAS wird produziert von der Samdani Art Foundation mit der Kuratorin Diana Campbell Betancourt als kompetenter künstlerischer Leiterin.
Kuratierte Projekte, Messe, Kunstpreis, Symposium, Kinderworkshop, Performancekunst, Video- und Filmprogramm, Kunst im öffentlichen Raum und kollaterale Veranstaltungen. Der Summit erfüllte alle Kriterien, und zugunsten der Veranstalter und der Kuratorin muss festgestellt werden, dies erschien nicht aufgezwungen. Mit seinem dichtgedrängten Aufbau ist der Summit eine Anerkennung - falls dergleichen überhaupt notwendig ist - der Ökonomie der Kunst im weiteren Sinne, in der sich auf ziemlich unvermeidbare Weise Alles an Allem reibt.
Mehr als alles Andere habe ich mich mächtig gefreut, Bangladesch zu besuchen. Es ist neben Nepal das zweite Nachbarland, in das ich reiste. Die instabilen politischen Verhältnisse in Südasien bewirken, dass Besuche von Ländern auf der anderen Seite der Grenze Indiens kein übliches Unterfangen sind.
Die Initiative fand an der Bangladesh Shilpakala Academy (Nationale Akademie der Schönen und Darstellenden Künste) in Dhaka statt und war eine höchst sichtbare Übung südasiatischer Kunstpraxis. Das Rundtischgespräch zur Eröffnung zwischen Syed Jahangir, Wakilur Rahman, Naeem Mohaiemen und Ayesha Sultana - vier Generationen von Künstlern aus Bangladesch - diente als eine ideale Einführung des Summits. Sultana ist zufälligerweise auch die Gewinnerin des diesjährigen Samdani Kunstpreises, initiiert in Zusammenarbeit mit der Delfina Foundation, London. Alle Redner dieses Eröffnungsgesprächs waren sich in dem Aufruf an die lokale und internationale Kunstszene zu größere Inklusivität einig. Ihre Aufforderung als solche fand einige Resonanz in der neu eingeführten Zweisprachigkeit (Englisch und Bengali) des Summits.
Während die vorhergehende Edition noch durchweg in Englisch ablief, begleiteten dieses Mal bilinguale Texte die 14, von Campbell Betancourt kuratierten Einzelprojekte. Wenn der gegenwärtige Trend anhält, müsste es im nächsten Jahr noch mehr zweisprachige Texte geben und vielleicht auch einen Katalog in beiden Sprachen. Obwohl das Übersetzen eine höchst anspruchsvolle Tätigkeit ist, kann in diesem Prozess auch Kurioses passieren: in einer ersten Übersetzung des kuratorialen Textes ist "Runa Islams Filme" irgendwie zu "Islamische Filme" umgewandelt worden.
Übersetzung bildet auch den Kern des 16 mm Films Ohne Titel (Nach der Jagd), 2008, der in Bangladesch geborenen und in London lebenden Runa Islam. Darin schuf die Künstlerin eine verschachtelte Erzählung, indem sie eine Fotografie aus dem Album ihres Großvaters verwendete, um die Komplexität von Erinnerung zu erforschen, die über die Zeit hinweg laufend übersetzt wird.
Die Körnigkeit des 16 mm Formats funktionierte auch perfekt als Betonung der rauen, von Sand geschliffenen Landschaft in Lida Abduls kraftvoller Sequenz aus vier Videos. In White House (2005), What We Saw Upon Awakening (2006) Brick Sellers of Kabul (2006) und Clapping With Stones (2005) erkundet die in Kabul und Los Angeles lebende Künstlerin die Ruinen ihres Heimatlands als eine regenerative Quelle.
Für sein Einzelprojekt mit dem Titel Shokol Choritro Kalponic [Alle Personen sind frei erfunden], 2014, verwendete Mohaiemen das Format von Tageszeitungen, um eine Art öffentliche Mitteilung zu schaffen, die sich an die bengalische Leserschaft richtet. In dem Projekt stellt er sich ein Bangladesch vor, in dem die Kommunisten die Verfolgung in den 1970er Jahren überlebten und 1979 an die Macht kamen.
Wenngleich das futuristische Projekt, das im Jahr 2024 spielt, im Vergleich mit dem ansonsten komplexeren Schaffen von Mohaiemen zunächst als zu simpel idealistisch erscheinen mag, entdeckt man beim gründlichen Hinschauen die Einbeziehung nuancierter Komplexitäten, die kennzeichnend für sein Werk sind. Sein Druck von Sultana’s Dream könnte ein einschlägiges Beispiel dafür sein. Sultana’s Dream, geschrieben von Begum Rokeya, ist ein klassisches Werk bengalischer Sciencefiction und eines der besten Beispiele feministischer Sciencefiction. Mit seinem Zeitungsprojekt bemühte sich der Künstler darum, ein größtmögliches Publikum zu erreichen, und den schnell dezimierten Zeitungsauslagen nach zu urteilen, lief es bestens nach seinem Plan.
Bengalisch war auch die Sprache, die Raqs Media Collective für Meanwhile Elsewhere, 2014, wählte. Mit dieser Initiative öffentlicher Kunst, die auf Plakatwänden der Hauptstadt von Bangladesch erschien und dort einen Monat lang blieb, setzte das Kollektiv seine Arbeit mit Zeit durch das hotologische Motiv des Ziffernblatts fort, auf dem Wortspiele die Uhrzeit ersetzen. Hinweise auf das bengalische Wortspiel können aus früheren Konzeptualisierungen des Motivs herausgelesen werden, in denen das Kollektiv anstelle der Zeit solche Befindlichkeiten wie Beklommenheit und Verzückung erscheinen ließ.
In Südasien ist die Welle öffentlicher Kunst (bzw. des Interesses dafür) bislang selten in Programme einbezogen worden, die sich der Präsenz und Rolle solcher Praktiken widmen. Indem der Ruf nach öffentlicher Kunst lauter wird, empfindet man jetzt mehr denn je die Notwendigkeit von Programmen, die den öffentlichen Raum und derartige Praktiken in dieser irrsinnig vielfältigen Region beobachten und/oder studieren.
Riyas Komu spielte in seiner Videoarbeit Last Wall, 2013-14, deren Protagonist der Produzent einer Art von öffentlicher Kunst ist, die Rolle des heimlichen Beobachters. Das evokative Video, ausgestellt im Rahmen von Citizens of Time, kuratiert von Veeranganakumari Solanki, folgt einem Vagabunden, der die Wände des Viertels, in dem der Künstler lebt, in einer mystischen Sprache zwanghaft vollschreibt.
In Bombay ist der Raum für öffentliche Kunst unbedeutend, was jedoch in Chittagong nicht der Fall zu sein scheint. Dem in New York und Dhaka lebenden Mohaiemen zufolge geschehen solche Praktiken dort außerhalb des Scheinwerferlichts der globalen Kreise zeitgenössischer Kunst.
In Cheragee Pahar: Far from the Madding Crowd - seinem Eintrag in den Guggenheim Blog vom April 2013 - schreibt der Künstler über Chittagong: "… die Lage der Stadt an der Peripherie hat sie für Experimente offener gemacht. Rajdhanite khub antorikota’r obhab (in der Hauptstadt gibt es einen Mangel an Ehrlichkeit). Das ist eine überbeansprucht Klage, aber sie ist doch irgendwie wahr. In vielen Ausstellungen von Dhaka ist ein Sinn des Staunens verlorengegangen. Den Leuten geht es zunehmend darum, sich nicht in einer sinnlichen Erfahrung zu verlieren, sondern die Perspektive zu ergründen: ist das das neue Ding? Wer finanziert das? Was bringt mir das? Gehirne im Schnellgang ohne Zeit zum Nachdenken."
Obwohl der Summit schon bemerkenswerte Arbeit geleistet hat, würde es für das Wachsen in einer Richtung, die nicht schwer in den Griff zu bekommen wäre, von grundlegender Bedeutung sein, diese Randpraktiken in künftige Editionen einzubeziehen. Es soll jedoch erwähnt werden, dass die Szene von Chittagong, der zweitgrößten Stadt Bangladeschs nach Dhaka, ihre Präsenz in Shumon Ahmeds Metal Graves, 2009, behauptet hat.
In dieser Folge elegischer Fotos dokumentiert der in Dhaka lebende Künstler das Schicksal der gestrandeten Frachter, die im legendären Hafen von Chittagong vor sich hin rosten. Die Arbeit wurde als Teil von B/Desh gezeigt, der von Deepak Ananth kuratierten, engagierten Ausstellung über die vielen Realitäten von Bangladesch.
Die Bengalische Hungersnot von 1943 ist eine dieser Realitäten auf dem Subkontinent. Mit großem Pathos erscheint sie in den Drucken und Tuschezeichnungen von Chittaprosad Bhattacharya (1915–1978), einem respektierten Modernisten und Hauptpropagandisten linker Ideologie. Unter den Präsentationen von Galerien, bei denen der Fokus überwiegend auf der zeitgenössischen Kunst lag, gehörten diese von der Delhi Art Gallery präsentierten Werke ohne Zweifel zu den am meisten berührenden.
Eine weitere bemerkenswerte Arbeit war Life Line I von Anindita Dutta. Die von Latitude 28 aus Neu-Delhi ausgestellte Fotografie zeigt eine performative Zeichnung auf feuchtem Ton. Es handelt sich um ein sorgsames und doch spielerisches Aufeinandertreffen vieler Medien und Ideen, einschließlich des Frauseins.
Die Leser sollten sich ohne Scheu mit den leicht fadenscheinigen Äußerungen auseinandersetzen, die ich anfangs hinsichtlich meines "Besuchs in Bangladesch" geschrieben habe. Trotz aller Begeisterung verbrachte ich die meiste Zeit meiner hektischen Reise - typisch für eine Art oberflächlichen Nomadentums, das die zeitgenössische Kunstindustrie versinnbildlicht - im Kokon der Shilpakala Academy. Die Geschwindigkeit meiner Reise entsprach dem Tempo und der Kürze des Summits.
Das Dialogische ist wichtig für die Kunst, substanzielle Gespräche sind grundlegend. Wenn es darum gehen soll, einen tieferen Dialog zu führen, würde es in der Zukunft für den Summit kritisch werden, sich auch noch mit Wissensproduktion und der Entwicklung der Infrastruktur außerhalb der drei Tage des Treffens beschäftigen zu wollen.
Ein möglicher Weg könnte darin bestehen, solche Netzwerke wie das South Asia Network for the Arts (SANA) zu fördern. Zu den Mitgliedern von SANA gehören die Triangle Network Partner, Britto Arts Trust (Bangladesch), Vasl Artists’ Collective (Pakistan), KHOJ International Artists’ Association (Indien) und Theertha International Artists’ Collective (Sri Lanka). Mitglieder der Gruppe waren auf dem Summit maßgeblich vertreten, wo sie das SANA Buch vorstellten, das den Höhepunkt eines sechsjährigen Austauschprojekts in einer Region markiert, die zumeist von den Grenzen in Geiselhaft gehalten wird.
Wenn man der Physik glauben will, dann ändert der Akt des Beobachtens an sich das, was beobachtet wird. In den Wissenschaften ist der "Beobachtereffekt" unerwünscht und wird durch den Einsatz raffinierter Instrumente oder Überwachungstechniken unter Kontrolle gehalten. Doch in der zeitgenössischen Kunst variieren diese Instrumente und Techniken stark und beinhalten subjektive Vorstellungen von Intuition; der Beobachtereffekt ist hier unvermeidbar, ja sogar wünschenswert. Alle Augen sind jetzt auf den Summit gerichtet, und das kann nur gut sein.
Gitanjali Dang
Kuratorin bei Khanabadosh, einem in Bombay verankerten, umherziehenden Kunst-Lab, das sie 2012 gründete. Seit Januar 2014 ist sie Forschungsassoziierte am Institut für Gegenwartskunst der Zürcher Hochschule der Künste.
Dhaka Art Summit
7. - 9. Februar 2014
Dhaka, Bangladesch
Unter der Leitung von:
Diana Campbell Betancourt (Künstlerische Leiterin, Samdani Art Foundation) und Mahbubur Rahman (Künstler, Mitbegründer des Britto Arts Trust, Bangladesch)
Veranstalter: