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Rezension der Biennale - ausgewählte Werke; Reflexion über die aktuelle Situation Indonesiens.
Von Arahmaiani | Jan 2008Die Biennale Jogja [1] ist eine der ältesten periodischen Ausstellungen in Indonesien. Der Vorläufer dieses Kunstereignisses wurde 1983 konzipiert, als das Kunstzentrum Yogyakarta (Taman Budaya Yogyakarta) mit voller Unterstützung der Vereinigung der Künstler Yogyakartas (Himpunan Senirupawan Yogyakarta) eine Ausstellung organisierte. Die Geschichte der Biennale kann bis in das Jahr 1988 zurückverfolgt werden, als sie noch auf Malerei fokussiert war. Erst mit der 4. Biennale erweiterte sich das Spektrum, indem auch Skulptur und Installation einbezogen wurden. Mit der 7. Edition 2003 wurde ein neues Format eingeführt, um mit den neuesten Entwicklungen in den visuellen Künsten mitzuhalten. Von da an wurde nicht nur ein 'Raum' für die Ausstellung angeboten, sondern es wurde auch eine Plattform für die Diskussion der Werke und der Beiträge der Künstler zur Gesellschaft geschaffen.
Die gegenwärtige Biennale Jogja mit dem Titel "Neo Nation" scheint größer als ihre Leistungsfähigkeit zu sein. Eigentlich sollte sie die jüngsten Lesarten der diffusen Suche nach einer Identität, einer "Indonesität", zeigen, doch wurde sie letztendlich durch elementare technische und organisatorische Probleme behindert, weil die Hauptanstrengung der Veranstalter und aller Beteiligten in erster Linie in dem Kampf bestand, dass die Veranstaltung überhaupt stattfindet, koste es was es wolle.
Es scheint so, als wenn das die Leistungsmöglichkeiten der Kuratoren beeinträchtigt hätte. Eine sehr große Teilnehmerzahl wurde ausgewählt, und deren Werke sind offenbar eher nach dem Zufallsprinzip zusammengestellt worden. Es gibt kein Anzeichen dafür, dass die Kuratoren versucht hätten, sie in irgendeiner Weise zu gruppieren, um den Betrachtern den Zugang zu den Arbeiten zu erleichtern. Überhaupt ist die Richtung des vom kuratorialen Team offerierten Konzepts völlig unklar. Obwohl diesem ein Leitgedanke zu Grunde liegt, nämlich die Frage der Identität sowie der Prozess, einer "Indonesität" eine gewisse Bedeutung zu geben, die neue Sichtweisen und Denkansätze bieten könnte, scheint es so, als wenn es den Kuratoren schwergefallen sei, ihre Thesen auszuarbeiten und ihre Schlussfolgerungen in einem klaren theoretischen Rahmen zu artikulieren. Die Frage der Identität und der Nation hat offenbar weder einen Ausgangspunkt noch ein Ziel, und was indessen zum Vorschein tritt, ist schlichtweg die heutige Situation - aber selbst das nur oberflächlich.
Trotz der vielen Unzulänglichkeiten und Defizite, an denen sich die Kritik entzündete, gibt es in dieser Ausstellung doch eine Reihe von Werken, die eine nähere Betrachtung wert sind. Die meisten davon stammen von jungen, unbekannten Künstlerinnen und Künstlern. Die Strategie der neuen Werke sowie auch die visuelle Ausführung müssen zwar noch verbessert werden, aber die Ideen und Themen sind wichtig, denn sie setzen sich mit Indonesien als einer (multikulturellen) Gesellschaft auseinander, in der danach gesucht wird, wie man als eine Nation existieren kann.
In den Werken verschiedener Künstler geht es im Wesentlichen um Kapitalismus und Konsumgesellschaft. Jompet & Friends zeigen ein altes umgekipptes Auto mit dem Nike-Logo darauf, wozu in Englisch geschrieben steht: "Putting the Right Brand on the Right Emergency" (etwa: Die richtige Marke zum richtigen Notfall). In "Frau N(e)o Nation!" schuf Dona Pravita Arisuta Einkaufstüten aus Keramik mit den Porträts weithin bekannter Frauen. Während die von der Ökonomie des freien Marktes kontrollierte globalisierte Welt einigen Gruppen der Gesellschaft, die Zugriff darauf haben, Reichtum und Komfort bringt, hat sie andererseits ein Ungleichgewicht im Ökosystem und vielfältige soziokulturelle Probleme zur Folge. Die Tonfigur eines liegenden Riesen von Edie Prabandono & Wilman S wurde durch eine Performance gemeinsam mit Made Surya Darma komplettiert, die darin bestand, Reissetzlinge in den Körper der Skulptur zu pflanzen. Die Arbeit von Michaella Jarawiri & Mella Jaarsma mit dem Titel "Nama Saya Michaella Jarawiri" (Mein Name ist Michaella Jarawiri) bezieht sich auf die Unterdrückung der Papua, einer ethnischen Minderheit in West-Papua, deren lokale Kultur und Identität bedroht sind [2].
Die Fotografie von Frino Bariarcianur "Wir sind Tatung" und die Installation von Octora "Nyonya's Armor" (Rüstung der Nyonya) [3] hinterfragen die zwiespältige Lage der chinesischen Minderheiten in diesem Land, die psychologischem und physischem Missbrauch ausgesetzt ist und daran gehindert wird, ihre kulturelle und religiöse Identität frei zum Ausdruck zu bringen.
In der Videoperformance "Gebet des Vogels" zeigen Arya Panjalu und Sarah Nuytemans vier Akteure, über deren Köpfe Miniaturen von vier Tempeln unterschiedlicher, vom Staat offiziell anerkannter Religionen gestülpt sind. Sie gingen damit über einen Vogelmarkt und durch die Reisfelder. Das heikle Thema der Religionsfreiheit wird in der Arbeit auf subtile Weise angesprochen. Sie unterstreicht die individuelle spirituelle Freiheit, die unabhängig von den Einschränkungen religiöser Institutionen existiert, welche dazu neigen, unsere Auffassungen vom Glauben zu bestimmen.
Die Menschen uniformieren sich selbst unbewusst, tragen die gleiche Kleidung, essen die gleichen Speisen und lechzen nach denselben Dingen und Träumen. Wenn das Leben so vereinheitlicht wurde, wo bleibt dann die Kreativität? Wo finden andere Stimmen einen Platz? Darauf bezieht sich die Künstlergruppe Petak Umpet P.T. mit ihrer Arbeit "Symbio Robotic Mutualism", die aus einem unbeweglichen Roboter besteht, der auf einen Fernseher starrt. Samsul Arifin trifft mit einem Objekt in Form eines riesigen, nach hinten gebogenen Bleistifts, auf dem "Bildung" steht, eine starke und zeitgemäße Aussage. Nur durch ein gutes Bildungssystem kann eine Gesellschaft in die Lage versetzt werden, ihre Probleme zu erkennen und Lösungen zu finden.
Um vorwärts zu gehen, müssen wir nach innen schauen und ungewöhnliche Wege nehmen. Bemerkenswert fand ich auch Wedhar Riyadis "Kleine Flagge", die Skulptur eines kleinen Mädchens, das Herzen sammelt" und "Masih Ada Ruang Kosong" (Es gibt noch Raum) von Petrus Chanel Fajar Teguh Triyanto, die zu einem Foto-Comic zusammengestellten Aufnahmen von einer Performance über den albernen Traum eines Mannes, der Superman sein möchte. Beide Künstler wagen es, ihre "Männlichkeit" in Frage zu stellen und versuchen, sich in die Welt der Frauen hineinzuversetzen.
Der Mut, männliche Dominanz und Denkweisen zu durchbrechen, kann ein großer Schritt sein, der uns realen Veränderungen näher bringt. Unsere Hilflosigkeit, das Konzept des Zusammenlebens als eine Nation zu begreifen, hat mit unserem fehlenden Verständnis der Beziehung zwischen Macht und deren politischen Implikationen zu tun. Vielleicht sind wir unbewusst gefangen und verharren nach wie vor in einer feudalen Kultur, die dazu neigt, die Schwachen und Unterdrückten zu ignorieren und beiseite zu drängen. Imagination und Fantasie sind gestört und bleiben nur an der Oberfläche - wir sind nicht fähig, in die Tiefe zu tauchen -, und wir sind nur gut darin, ein wenig Makeup auf unser verrottetes Gesicht aufzutragen, um unsere Mängel zu übertünchen.
Dieses ist eine nationale Kultur, die Schwierigkeiten damit hat, ihrer eigenen nationalen Identität einen Sinn zu geben. Ihr fehlt oft Nachdenklichkeit und sie neigt zu schnellen, vorgefertigten Lösungen, so wie das auch in der diesjährigen Biennale deutlich wird. Finanzierungsprobleme ließen die Veranstalter einen leichtfertigen Schritt gehen: eine öffentliche Institution, wie solch eine Biennale, ließen sie zu einer kommerziellen Galerie werden. Sie haben schlichtweg nicht bedacht, dass die Folgen einer derartigen Entscheidung der Kunstwelt lange schaden können.
Anmerkungen:
Arahmaiani
Performance-Künstlerin, geboren in Bandung, West-Java. Schlüsselfigur der aktuellen Kunstszene Indonesiens.
Biennale Jogja IX
28. Dezember 2007 - 28. Januar 2008
164 Künstlerinnen und Künstler
Kuratoren:
Sujud Dartanto
Kuss Indarto
Eko Prawoto
Suwarno Wisestrotomo
Orte:
Nationalmuseum Jogja
Taman Budaya Yogyakarta
Sangkring Kunstraum