Für eine optimale Ansicht unserer Website drehen Sie Ihr Tablet bitte horizontal.
Reflexionen über die Situation der Kunst in Yogyakarta, ausgehend von der 10. Jogja Biennale.
Von Arahmaiani | Jan 2010Die 10. Jogja Biennale [1] begann am 11. Dezember 2009 in Yogyakarta und dauerte einen Monat. Über 305 aktuelle Arbeiten von Künstlern aus der Stadt und ihrem Umland waren an verschiedenen Ausstellungsorten zu sehen, so u.a. im Yogyakarta Kulturpark, demJogja Nationalmuseum, dem Gebäude der Bank Indonesia, in den Sangkring Kunsträumen I und II und auch auf den Straßen und in öffentlichen Parks der Stadt. Es sind nahezu alle Ausdrucksformen der visuellen Künste vertreten gewesen: Malerei, Skulptur, Installation, Video, Straßenkunst (Wandbilder und Graffitis), mobile Kunst und Performancekunst. Auch Werke traditioneller Meister wurden die Ausstellungen einbezogen.
Die diesjährige Biennale unterscheidet sich hinsichtlich ihres Ansatzes, der thematischen Ausrichtung und des kuratorialen Konzepts von den vorhergehenden Editionen. Neben dem eigentlichen Kuratorenteam der Biennale wurde ein Beirat aus Kuratoren gebildet, der langfristig existieren soll und dessen Mitglieder bei jeder Biennale wechseln können. Neben der öffentlichen Förderung durch die Regionalregierung erhielt die Veranstaltung Mittel von Sponsoren. Anders als beim letzten Mal, als die Biennale kommerzialisiert und durch Marktinteressen geleitet war, woran sich heftige Kontroversen entzündeten, tätigen die Organisatoren der diesjährigen Edition keine Verkäufe.
Nach 9 Biennalen in 19 Jahren hat sich das Komitee darum bemüht, die Probleme, konzeptionellen Aspekte und Schwächen in der Durchführung zu analysieren. Der Kuratorenbeirat änderte die Ausrichtung, denn jetzt soll es nicht mehr nur um Höhepunkte des Schaffens, sondern mehr um die Vielfalt der Ausdrucksweisen von Künstlern in Yogyakarta gehen. Dabei wurde auch der historische Aspekt für wichtig erachtet. Die Entwicklung der visuellen Künste in Yogyakarta kann selbstverständlich nicht vom politischen und sozialen Kontext getrennt werden, obschon sie in jüngster Zeit auch durch Markttrends und das urbanen Lebens beeinflusst wurde. Diese Entwicklung vollzieht sich parallel zu dem Weg, den die lokale Kultur nimmt. So ist es nicht überraschend, dass die Biennale dieses Mal den Titel erhielt Jogja Jamming, Visuelle Kunst Archiv Bewegung.
Die Entwicklung der Kunstgeschichte offenbart den Geist unterschiedlicher Zeiten. Von den verschiedenen Ausprägungen eines solchen wechselnden Zeitgeists sind die Muster des künstlerischen Schaffens in Yogyakarta nach wie vor beeinflusst. Deshalb hat diese Biennale versucht, historische Bezüge zurückzuverfolgen und in den Werken heutiger Künstler, die als Interpretationen des wechselnden Zeitgeistes gelten, gleichzeitig nach Meilensteinen der Geschichte zu suchen.
Der historische Aspekt ist auch wegen eines Phänomens wichtig, das nicht allein die Kunstwelt dieser Stadt betrifft: deren Bewohner haben eine nur kurz zurückreichende Erinnerung an ihre eigene Geschichte. Einer der Gründe dafür ist die unzureichende Sammlung und Verwaltung von Daten. Diese Nachlässigkeit beim Dokumentieren hat einen kritischen Punkt erreicht, als es dem Kunstbetrieb nicht gelang, sich in einem größeren Kontext zu positionieren. Doch das Ziel dieser Biennale besteht nicht darin, Archive zusammenzutragen, sondern es geht mehr darum, das Bewusstsein bildender Künstler für die Bedeutung der Vergangenheit, deren Präsenz bis in die Gegenwart reicht, zu wecken.
Yogyakarta ist eine Stadt der Künste - Tausende Künstler leben hier. Die Stadt spielte auch eine wichtige Rolle im Unabhängigkeitskampf Indonesiens und war vorrübergehend die Hauptstadt des Landes, und sie gilt auch als eine Studentenstadt und ein Zentrum der Kultur Javas. In Yogyakarta ist die alte traditionelle Kultur noch lebendig und greift in das Moderne und Zeitgenössische über. Es scheint, dass die Einwohner Javas an kulturellen Synkretismus gewöhnt sind, denn er dauert schon seit der weit zurückliegenden Vergangenheit an. Offenbar kommen größere kulturelle Auseinandersetzungen selten vor. Es wird kein Konflikt zwischen dem Traditionellen und dem Modernen gesehen, sondern sie wirken zu einem Synergieeffekt zusammen und ergänzen sich gegenseitig.
Dasselbe gilt für die Philosophien des gotong royong (traditionelle Nachbarschaftshilfe) und guyub (Harmonie), die weiterhin praktiziert werden; der Gemeinschaft als wichtigem Element der Gesellschaft wird große Bedeutung beigemessen. Andererseits werden aber auch Individualismus und die Kultur des Widerstands toleriert. Obwohl das soziale System von seinem Wesen her gemeinschaftlich ist, hat auch die Hang der Künstler, individuell und subjektiv zu sein, darin Platz. Deahalb überrascht es nicht, dass viele Künstler aus anderen Städten und Inseln in diese Stadt kommen, um hier zu leben. Dadurch ist Yogyakarta zu einem Zentrum der visuellen Künste Indonesiens geworden, das diverse Kunstbewegungen und Auffassungen hervorbrachte, die seine Entwicklung so vielgestaltig erscheinen lassen.
Es ist offenkundig, dass jene visuellen Künstler von Yogyakarta, die sich der Geschichte bewusst sind, die unterschiedlichen Funktionen der Kunst verstehen und sich nicht bloß auf einen Geist "ästhetischer Erkundungen" beschränken. Viele Künstler können heutzutage nicht über die chaotischen sozialen, ökonomischen und kulturellen Bedingungen hinwegsehen und fühlen sich ständig von der Bitterkeit des Lebens angesprochen und nehmen Anteil daran. ... Offensichtlich haben das völlig korrupte System juristischer Institutionen und nicht funktionierender Instanzen der Bürgervertretung sowie das neoliberale ökonomische System, von dem nur eine Handvoll Leute profitiert, die Menschen in Rage gebracht und das Verlangen nach einem Wandel verstärkt. Das ist die gegenwärtige Atmosphäre, die die Jogja Biennale aufgreifen und sichtbar machen wollte.
Anmerkung:
Arahmaiani
Performance-Künstlerin, geboren in Bandung, West-Java. Schlüsselfigur der aktuellen Kunstszene Indonesiens.
Biennale Jogja X
11. Dez. 2009 - 10. Jan. 2010
Yogyakarta, Indonesien
Kuratoren:
Eko Prawoto
Samuel Indratma
Wahyudin
Hermanu
Kuratorenbeirat:
Ong Hari Wahyu
Hermanu
Sindhunata