Die Mschatta-Fassade war ein Teil des Umayyadenpalasts Qasr Mschatta aus dem 8. Jahrhundert. Sie wurde im 19. Jahrhundert in der jordanischen Wüste ausgegraben und vom osmanischen Sultan dem deutschen Kaiser geschenkt. Es ist ein unglaublich schönes Zeugnis des kulturellen Erbes, aber der Grund, weshalb ich die Fassade ausgewählt habe, ist ganz persönlich.
Während meiner Trainings als Multaka-Guide ist mir etwas aufgefallen. Unser Ausbilder erklärte uns die Herkunft der Mschatta-Fassade und beschrieb die verschiedenen Symbole, die in die Steine eingemeißelt sind. Darunter ist der Simorgh-Vogel, ein mythologisches Wesen aus der Zeit des Sassanidenreichs, halb Drachen und halb Pfau. Als ich dieses Symbol sah, erinnerte mich sofort an eine Geschichte, die mir mein Großvater erzählte:
Vor langer Zeit beschlossen 30 Vögel, sich auf die Reise zu begeben, um ihren Gott zu finden, den Simorgh-Vogel. Sie flogen lange und weit und viele von ihnen starben unterwegs. Nur drei von ihnen waren übrig geblieben, als sie schließlich den Simorgh fanden. Dieser eröffnete ihnen, die genaue Bedeutung seines Namens sei "dreißig Vögel". Da wurde den Vögeln klar, dass sie die ganze Zeit nur sich selbst gesucht hatten.
Als ich kurz nach meiner Abreise von Zuhause in Berlin den Simorgh sah, hallte Syrien in mir nach. Ich fühlte mich genau wie jene Vögel. Ich habe eine lange Reise gemacht, nur um letztendlich ein Stück von mir selbst zu finden. Ich hoffe, andere Geflüchtete können einen ähnlichen Trost finden, in dem Museum oder sonstwo. Zu akzeptieren, dass man sein Zuhause zurückgelassen hat und all das, von dem man glaubte, es würde das eigene Leben sein, ist schon sehr hart, aber möglicherweise ist dies der Weg, der uns zu uns selbst führt.
Mschatta-Fassade
Kalkstein, Mitte des 8. Jahrhunderts, Jordanien
Höhe 5 m, Länge 33 m
Der dekorierte Teil der Fassade des umaiyadischen Palasts Qasr Mshatta (arab. Winterlager). Ausgegraben ab 1840 etwa 30 km südlich der jordanischen Hauptstadt Amman. Der Palast wurde wahrscheinlich in der Regierungszeit des Kalifen al-Walid II (743-744) erbaut. Wegen dessen baldiger Ermordung blieb er unvollendet und wurde später durch ein Erdbeben zerstört.
Die Fassade war ein Geschenk des osmanischen Sultans Abdul Hamid II an den deutschen Kaiser Wilhelm II. Ein Teil davon ist in das damalige Kaiser-Friedrich-Museum (jetzt Bodemuseum) gebracht worden und wurde als eine 33 m lange und 5 m hohe Fassade mit zwei Türmen und dem zentralen Tor aufgebaut. Seit 1932 befindet sich die Fassade im Pergamonmuseum. Heutzutage gehört sie zu den wichtigsten Exponaten des Museums für Islamische Kunst Berlin.
Narine Ali
Absolvierte 2014 ihren BA in visueller Kommunikation an der AIU Damaskus. 2016 kam sie in Berlin an, wo sie als Multaka-Guide im Museum für Islamische Kunst arbeitet. Sie ist auch Assistentin des Projekts Religion und Geflüchtete an der Humboldt-Universität Berlin sowie eine unabhängige Filmemacherin, als die sie an der Biennale Venedig 2015 teilnahm.
Aus dem Englischen: Haupt & Binder
© Fotos: Haupt & Binder