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Interview mit dem Kurator Mohamed Rachdi über die Ausstellung und die Société Générale in Marokko.
Von Bérénice Saliou | Mär 2010Bérénice Saliou: Die Ausstellung Corps et figures du corps (Körper und Figuren von Körpern) präsentiert über 70 Teilnehmer mit sehr verschiedenen künstlerischen Arbeitsweisen. Solche zeitgenössischen Künstler wie Mohamed El Baz und Hassan Darsi werden neben traditionellen Malern wie Miloudi oder Kacimi gezeigt. Können Sie etwas über Ihr kuratoriales Konzept und den Weg erzählen, wie solche Ausstellungen zustande kommen?
Mohamed Rachdi: Corps et figures du corps ist eine absichtlich eklektische Ausstellung, die verschiedene künstlerische Herangehensweisen an das Thema des Körpers in der modernen und zeitgenössischen Kunst Marokkos zeigen soll. Die Schau bemüht sich darum, ein weites Spektrum an künstlerischen Praktiken verschiedener Generationen und Sensibilitäten zu präsentieren: Zeichnung, Malerei, Skulptur, Fotografie, Installation, Video, Tanz, Performance... Es geht darum zu zeigen, wie sich diverse künstlerische Ansätze dem Thema des Körpers annähern, vom Spiel mit technischen Verfahren bis zum Einsatz kultureller Bezugspunkte, Untersuchungen von Formen und ihrer Affirmation singulärer ästhetischer Attitüden. Dadurch soll diese Ausstellung das künstlerische Bewusstsein einer unanfechtbaren Realität des Körpers und vor allen Dingen die Unmöglichkeit eines Arbeitens ohne effektive und symbolische Implikation unterstreichen. Wie steht es um den Umgang mit dem Körper in künstlerischen Arbeiten in Marokko? Wie gehen marokkanische Künstler, aber auch Ausländer die in Marokko leben und arbeiten, in ihren Werken mit dem Körper um? Corps et figures du corps soll Antworten vor allem auf solche Fragen geben.
BS: Die Darstellung des Körpers ist in islamischen Ländern ein sehr sensibles Thema. Welche Rolle hat das für Sie in der Ausstellung gespielt?
MR: Diese Ausstellung soll zeigen, dass dieses schmähliche Verbot (in der Hauptquelle der islamischen Gesetzgebung, dem Koran, gibt es diesbezüglich übrigens keine klar formulierte Untersagung) figürlicher Darstellung für die moderne und zeitgenössische Kunst Marokkos keine besonders große Bedeutung hat. Tatsächlich kann ein einfacher Blick auf die künstlerische Produktion, die in der Ausstellung Corps et figure du corps gezeigt wird, einem bewusst machen, wie omnipräsent figurative Darstellungen sind. Künstler bilden Körper nicht nur ab, sondern stellen diese - und manchmal in all ihrer Konkretheit - auch in totaler und sinnlicher Nacktheit dar. Im Grunde gibt es im gegenwärtigen Kontext von Marokko nicht so viele Hemmungen hinsichtlich des Körpers und seiner Darstellungen. In den letzten paar Jahren sind in der marokkanischen Kunstszene mehr und mehr Künstler zu begrüßen, die in der Diaspora auf einem internationalen Niveau leben und arbeiten. Zum Beispiel Lalla Essaydi - und Yassmina Alaoui, die mit Marco Guerra zusammenarbeitet. Davon abgesehen hat der kulturelle, religiöse und soziale Kontext noch nicht genügend Reife erlangt, um bestimmte andere künstlerische Arbeiten zu zeigen, die sich mit dem Thema des Körpers verwegener beschäftigen. Ich denke zum Beispiel an einige Werke von Hicham Benhoud, die ich 2004 in Frankreich im Rahmen der Ausstellung Interferences produziert habe. Aber ist das nicht auch in vielen anderen Ländern (einschließlich westlicher Länder) der Fall, wo Erwägungen religiösen Glaubens schwer wiegen?
BS: Vor kurzem sind Sie der Société Générale als Leiter der Abteilung für Kunstförderung beigetreten. Können Sie etwas über Ihre Aufgabe sagen?
MR: Ja, ich bin seit April 2008 bei Société Générale. Meine Aufgabe besteht darin, für die Aufwertung des kulturellen Erbes der Société Générale zu arbeiten, indem ich Ausstellungen entwickle, die einen Raum von über 1.500 m2 füllen, die Sammlung der Bank anreichere, die schon über 1.050 Werke umfasst (außerdem einen Fundus an künstlerischen Artefakten wie Teppiche, Keramiken, Münzen und Geldscheine) und Veranstaltungen organisiere (Rundtischgespräche, Vorträge, Kolloquien, Publikationen...). Das ist also fast die einem Museum ähnliche Struktur in einem Land, in dem es noch kein Museum für moderne und zeitgenössische Kunst gibt.
BS: In die Ausstellung kommen regelmäßig Gruppen von Kindern und Studenten, was in Marokko ziemlich selten ist. Engagiert sich die Société Générale für künstlerische Ausbildung?
MR: Neben den üblichen Besuchergruppen können wir auch Schüler und Studenten von den Grundschulen bis zu den Universitäten begrüßen und manchmal auch Gruppen von Lehrern. Unsere Aufgabe ist anders als die der Kunstgalerien, von denen glücklicherweise mehr und mehr in Marokko eröffnet wurden. Der Auftrag dieser Galerien ist in erster Linie kommerziell, und sie sind eine vitale Komponente in der kulturellen Produktion - von daher die beschleunigte Abfolge von Ausstellungen -, während unsere Mission in der Kunstförderung besteht. Wir verkaufen keine Kunstwerke, ganz im Gegenteil, wir kaufen sie, um Künstlern und Galerien zu helfen. Natürlich tragen Ankäufe auch dazu bei, unseren kulturellen Bestand anzureichern. Aber eine solche Sammlung ist nur dann lebendig, wenn sie mit anderen geteilt wird. Es liegt an uns, die Bedingungen zu schaffen, um das Publikum Anteil nehmen zu lassen und für eine bessere Kenntnis der Kunst zu arbeiten. Deshalb nehmen wir uns die Zeit, ambitionierte Ausstellungsprojekte zu konzipieren und umzusetzen. Wenn eine Ausstellung erst einmal aufgebaut ist, muss sie lange genug offen bleiben, damit das Publikum die Möglichkeit hat, sie zu besuchen, über sie zu reden und auch erneut zu kommen, um sich mit den Kunstwerken zu beschäftigen und mehr Wissen über die Kunst anzueignen. In diesem Rahmen besteht unsere Aufgabe darin, Führungen zu organisieren, insbesondere für Schulen, weil klar ist, dass es keine künstlerische und kulturelle Blüte ohne entsprechende Bildung geben kann.
BS: Wie ist es um die zeitgenössische Kunstwelt in Marokko derzeit bestellt? Inwieweit ist die Kunstförderung von den Auswirkungen der Finanzkrise betroffen?
MR: Marokko ist ein Land im totalen Aufbau, und das auf verschiedenen Ebenen. Der Sektor der Produktion und Verbreitung von Kunst kann sich dieser Dynamik nicht entziehen. Alles ist noch im Werden, aber wir haben das was nötig ist, um erfolgreich zu sein. Wir haben gute Künstler, mehr und mehr gute Galerien, Auktionsräume und eine wachsende Zahl an Sammlern; Kunstmagazine und andere Publikationen treten zunehmend in Erscheinung... Dennoch bleibt eine Menge zu tun, speziell in den Bereichen der künstlerischen Ausbildung, des Hochschulstudiums und der Forschung. Hinsichtlich der Kunstförderung, denke ich, leistet die Société Générale gute Arbeit, indem sie sich für die Entwicklung der Künste und deren Verbreitung einsetzt. Jedenfalls unterstützt sie die Künste auch in Krisenzeiten. Das Ziel ist es, Kunstförderung anzubieten, egal was auch geschehen mag.
Anmerkung:
Bérénice Saliou
Freischaffende französische Kuratorin. Lebt in Marseille. Als Mitbegründerin und künstlerische Leiterin von Trankat Street in Tétouan hat sie viel mit Marokko zu tun.
Kurator: Mohamed Rachdi
Corps et figures du corps
11. Dezember 2009 - 30. April 2010