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Werke junger Künstler, entstanden während eines VASL-Aufenthalts in Karachi, Pakistan.
Von Quddus Mirza | Mai 2007Der Ausdruck in Urdu "Taza Tareen" hat etwas mit Frische zu tun. Diese Frische steht oft in Zusammenhang mit delikaten lokalen Gerichten, zubereitet in heißem Öl oder mit süßen Substanzen, die aus den frisch gebackenen Leckereien sickern. Aber in jüngster Zeit hat der Ausdruck eine andere Verwendung gefunden - in der Kunst. (Möglicherweise liegt es in der Natur der Kunst und ist das Schicksal der Welt, das alles irgendwie als Kunst endet, weil es sonst zugrunde gehen würde!) Es ist noch nicht lange her, dass VASL ein Aufenthaltsprogramm für junge Künstler startete, genannt "Taza Tareen", bei dem diese gemeinsam arbeiten und ihre Gedanken austauschen.
Diese Aktivitäten haben in der Kunst Pakistans schnell Veränderungen bewirkt. VASL ist eine Organisation visueller Künstler. Mithilfe des Triangle Arts Trust [1] richtet sie Aufenthalte für Kolleginnen und Kollegen aus dem lokalen Umfeld und aus anderen Ländern aus. Diese Tätigkeit ist von wesentlicher Bedeutung für die Kunst Pakistans, die - wie an vielen anderen Orten - noch immer von kommerziellen Galerien dominiert ist und in der private Sammler das Sagen haben. Ein solcher Fokus auf private Käufer hat das Schaffen unserer Künstler beeinflusst, da sie deswegen bemüht sind, "Objekte" für den häuslichen ästhetischen Konsum zu produzieren. Das hat zu einer Reduzierung bzw. Begrenzung der Idee der Kunst auf Malerei, Skulptur, Zeichnung, Grafik und Miniaturen geführt. Auf Grund derartiger Auffassungen haben die ursprüngliche Natur und das Anliegen der Kunst (als etwas, das existierende Normen, Geschmäcker, Konzepte herausfordern kann) in unserer Kunstszene langsam an Bedeutung verloren.
Angesichts dieser Situation haben die Workshops von VASL dazu beigetragen, das Wesen der kreativen Aktivität wiederzubeleben und das Bewusstsein zu stärken, dass Kunst eine sich in Formen und Ideen artikulierende Erfahrung ist - statt eines bloßen Vorwands für die Herstellung von Objekten. Das heißt, Kunst braucht nicht notwendigerweise einen permanenten Raum und ist nicht auf eine greifbare Sache beschränkt. Diese Einstellung trägt dazu bei, die landläufige Kunstauffassung zu verändern, was man in den Werken solcher Künstler wie Hadia Moiz, Seema Nusrat, Irfan Gul und Wajid Ali beim letzten Taza Tareen Workshop in Karachi feststellen konnte. All diese Teilnehmer sind junge Kunstschaffende, die verschiedenen Kunstinstitutionen in Karachi und Lahore angehören. Hadia ist eine ausgebildete Miniaturmalerin, Irfan hat einen Abschluss in Textilgestaltung, Seema studierte Skulptur und Wajid Malerei.
Ausgehend von ihren unterschiedlichen Ausbildungsrichtungen, die zu einer Vielfalt an Techniken und multiplen formellen Ansätzen führen, haben die vier Künstler während ihres Arbeitsaufenthalts ganz verschiedene Werke geschaffen. Im Allgemeinen bietet diese Art des Aufenthalts Künstlern die Möglichkeit, ihre Arbeitsmethoden und Denkweisen zu hinterfragen. Und es wird oft erwartet oder vorausgesetzt, dass die bei einer solchen Gelegenheit geschaffenen Werke einen Wandel im Stil und in der Herangehensweise mit sich bringen. Aber wenn man die Ausstellung der VASL-Stipendiaten sieht, stellt man fest, dass die vier Künstler ihre unabhängigen Ansätze und ihre ganz eigenen Stimmen behalten haben.
Hadia Moiz zeigte neben einer Metallstruktur eine Reihe von Miniaturen, in denen es um Fragen des Raums und dessen Beziehung zu schwingenden Formen geht. Ihre feinen Linien deuten eine räumliche Spannung zwischen diversen Stoffgebilden an, die den Raum umschließen. Diese Andeutung des Raums umreißt einerseits einen sichtbaren Bereich, bezeichnet aber auch eine innere Zone. Während ihres Aufenthalts fügte Hadia Moiz ihren Miniaturen Glanzpapier und Aufkleber hinzu. Die Entscheidung, solche billigen und handelsüblichen Materialien einzusetzen, war ihre Art, die Gültigkeit der Tradition infrage zu stellen und ein Erbe in Zweifel zu ziehen, das als eine ureigene (wenn nicht gar die einzige) Form des visuellen Ausdrucks in unserem Umfeld gilt.
Seema Nusrats großformatige Skulpturen sind durch die riesigen, naturweißen Papierrollen inspiriert, die sie in einem Lagerhaus ihrem Atelier gegenüber sah. Diese Werke habe eine entfernte Ähnlichkeit mit dem menschlichen Körper, während andere merkwürdige Formen als Vögel oder Raubtiere interpretiert werden könnten. Vielfache Faltungen endlos langer Papierbahnen tragen dazu bei, ihren Werken eine Zweideutigkeit zu geben. Dieselbe Schichtung von Ebenen - von Material und Bedeutungen - erkundete sie auch in ihren zweidimensionalen Arbeiten. Darin platzierte sie ein Raster aus Porträtfotos des Gründers der Nation auf gewöhnlichen Seiten aus Tageszeitungen oder auf Werbung für Schönheitsprodukte. Es ist ein Weg, sich der Komplexität unserer heutigen Welt, die mit nationalistischen Gefühlen aufgeladen und gleichzeitig den Forderungen einer globalen Wirtschaft und des weltweiten Marketing ausgesetzt ist, bewusst zu werden.
Irfan Gul offenbart einen anderen Aspekt der Welt. In seinen Arbeiten auf Papier entwirft er Formen, die mit dem weiblichen Körper oder dem Prozess der menschlichen Reproduktion assoziiert werden können. Feine Linien und winzige Markierungen deuten gewisse Körperteile an, aber auf Grund der subtilen Metaphorik und sensiblen Ausführung kann sein Werk nicht einfach nur auf die Kategorie illustrativer Zeichnungen reduziert werden. Mit der taktvollen Wahl der Farben und offenen Kompositionen führte er ein Element der Abstraktion in seine Werke ein.
Auch Wajid Ali benutzte gewöhnliche Bilder, um seine sehr persönliche Bildwelt aufzubauen. Offene Räume hinter Türdurchblicken, Wände, weite Felder und die Beziehung zwischen Menschen und ihrer Umwelt prägen seine Werke. Oft benutzt er die surrealistische Sensibilität, aber die Stille seiner Malerei lässt sie, neben den lyrischen Schwingungen darin, als eine persönliche Interpretation der Welt erscheinen. Seine von bildhaften Flächen reduzierten Leinwände spielen auf verschiedene Gedanken an - einschließlich der Leere der Seele oder der Sinnentleerung der Kunst.
Welche Bedeutungen oder Referenzen man auch immer aus seinen Werken oder denen der anderen Beteiligten des Workshops ableiten kann, man wird in jedem Falle die Vitalität der Konzepte und die Frische der Ansätze erkennen. Das ist etwas, das von den Künstlern, die sich in einem frühen Stadium ihres kreativen Lebens befinden, durchaus erwartet wurde. Die Ausstellung zeigt ihre Verbindung zu traditionellen Themen und konventionellen Medien, doch waren sie in der Lage Werke zu schaffen, die sich mit allgemein verbreiteten geläufigen Fragestellungen befassen. Gleichzeitig ist ihre Stimme individuell, einzigartig und innovativ, womit sie den Gründen und Zielen gerecht werden, aus denen sie für einen VASL-Aufenthalt in Karachin ausgewählt worden sind.
Anmerkung:
Quddus Mirza
Künstler, Kunstkritiker und unabhängiger Kurator. Leiter der Zahoor ul Akhlaq Gallery an der Nationalen Kunsthochschule in Lahore, an der er auch Malerei lehrt.
Taza Tareen II
Ausstellung der während eines von VASL organisierten Aufenthalts entstandenen Werke
2. - 5. April 2007
Commune Artist Colony
Karachi, Pakistan