Ein mir sehr wichtiges Exponat ist das Gemälde von Josef Carl Berthold Püttner aus dem 19. Jahrhundert. Es zeigt das brennende Emigrantenschiff "Austria", eine Tragödie, die am 13. September 1858 stattfand. Man sieht, wie die Leute verzweifelt versuchen ihr Leben zu retten, überladene Boote sinken, es sind schreckliche Szenen, die sich auf eine wahre Begebenheit beziehen. Damals herrschte in Europa eine Zeit des Leidens, der Armut und Arbeitslosigkeit und auch politischer Verfolgungen. Von 1850 bis 1870 emigrierten etwa 2 Millionen Menschen aus dem Deutschen Bund in die USA, nach Kanada, Südamerika und selbst nach Neuseeland. Das Feuer auf der überbelegten "Austria" war durch Leichtsinn verursacht worden. Von den 542 Passagieren konnten nur 89 gerettet werden.
Ich sah das Gemälde zum ersten Mal, als ich mein Training als Guide im Deutschen historischen Museum absolvierte. Ich kannte die damit verbundene Geschichte nicht, aber ich stand schockiert davor und verband die Szenen auf dem Bild mit den Geschichten syrischer Flüchtlinge, die über das Meer flüchteten und die härtesten Bedingungen und das Risiko des Todes auf sich nahmen. Es sind Geschichten von mir bekannten Leuten und von anderen, die ich nicht kenne, die für mich aber ebenso wichtig sind, weil sie zu meinem Volk gehören…
Wenn ich jetzt die Multaka-Touren durch das Museum mache und dabei immer wieder mit Besucherinnen und Besuchern über dieses Gemälde spreche, erinnern sie sich sofort an ihre eigene Reise und erzählen, was sie durchlitten haben und wie sie hierhergekommen sind, das sind traurige Erinnerungen mit vielen Tränen. Aber es gibt auch immer Hoffnung, wenn wir sehen, was ein Land wie Deutschland über die Jahrhunderte durchgemacht hat, die vielen schwierigen Epochen, heute aber ein wirklich guter Ort zum Leben ist, ein Ort, an dem alle respektiert sind und das Recht geschützt wird, ein Ort, an dem man studieren, arbeiten, eine Familie und ein normales Leben haben kann. Das gibt uns die Hoffnung, dass der Krieg eines Tages vorüber sein wird und sich die Lage in unseren eigenen Ländern wieder gut entwickelt.
Rita Albahri
1994 in Syrien geboren. Studierte Tourismus in Damaskus. Kam 2014 mit einem Teil ihrer Familie nach Berlin. Seit 2015 ist sie als Multaka Guide im Deutschen Historischen Museum tätig. Außerdem arbeitet sie als Übersetzerin für Deutsch-Arabisch in einer Flüchtlingsunterkunft.
Reproduktion des Gemäldes: Deutsches Historisches Museum
© Fotos: Haupt & Binder