Beim Bode-Museum hat mir schon von außen seine komplexe Architektur gefallen. Doch für meine Führungstätigkeit bei Multaka habe ich es ausgewählt, weil ich mich sehr für die darin gezeigte byzantinische Kunst und die Skulpturensammlung interessiere. In Damaskus habe ich Architektur studiert, mich mit byzantinischer Musik beschäftigt und in einem Kirchenchor gesungen. Hier in Berlin mache ich meinen Master in Architekturdesign, mein Thema ist das Verhältnis zwischen von Musik und Architektur.
Eines meiner Lieblingsexponate im Bode-Museum ist die Tänzerin des italienischen Künstlers Antonio Canova (1757 - 1822). In der Sonderausstellung "Canova und der Tanz" stand sie im Mittelpunkt. Daneben waren weitere Skulpturen sowie Skizzen, malerische Studien und ein rekonstruiertes Gipsmodell zu sehen, die seine Arbeitsweise verdeutlichten. Das hat mich an meine eigene Vorgehensweise bei Architektprojekten erinnert: Zuerst skizziere ich die Struktur und Bewegungsabläufe, dann zeichne ich sorgfältig die Entwürfe und danach fertige ich die Modelle an.
Mich fasziniert, wie Canova in einer Skulptur aus Marmorgestein die tanzende Bewegung des weiblichen Körpers ausdrückt und wie ihre Kleidung wehend leicht und geradezu transparent wirkt. Und das wurde in einer Zeit geschaffen, in der es noch keine Maschine gab und alles in mühsamer Handarbeit gefertigt werden musste. Mir gefällt auch die Schönheit dieser jungen Frau und ihr Ausdruck der Freude beim Tanz. Wenn man tanzt, bedeutet das, man ist zufrieden. Das kann ich gut nachvollziehen, denn ich selbst tanze gern.
Etwas davon möchte ich vermitteln, wenn ich Besucherinnen und Besucher in meinen Führungen hierher bringe. Dabei ist mein Ausgangpunkt immer die Kunst als solche. Zuerst erläutere ich, wie ein Museum aufgebaut ist, welche Funktion und Geschichte es hat, wie man darin etwas über das Leben in anderen Epochen und Kulturen erfahren kann. Hinter den Exponaten hier im Bode-Museum steht natürlich der Kontext der christlichen Religion, beginnend mit der byzantinischen Zeit.
Indem ich den Blick der Besucherinnen und Besucher auf bestimmte Details lenke und ihnen etwas über die künstlerische Arbeitsweise erzähle, helfe ich ihnen, Kunstwerke als solche wahrzunehmen und deren Besonderheiten zu erkennen. Das passiert immer im Gespräch, durch eine aktive Beteiligung der Gruppe. Falls jemand über etwas anderes reden will, sage ich, lass uns zunächst über Kunst reden und nachher reden wir über das Andere. Am Ende einer Führung sollen alle irgendwie zufrieden sein. Ich selbst erfahre dabei viel über die Menschen, die ich durch das Museum führe, deshalb mache ich das mit großer Lust.
Antonio Canova: Tänzerin, 1809-12
(1757 Possagno, Italien - 1822 Venedig)
Marmor, etwa lebensgroß, Skulpturensammlung, Berlin
Diese Marmorskulptur und zwei weitere gelten als Höhepunkt der Beschäftigung Canovas mit der Anmut des Tanzes, einem Thema, das ihn sein Leben lang besonders beschäftigte. Er schuf diese Tänzerin im Auftrag des Grafen Andreas K. Razumovsky, dem russischen Botschafter in Wien. Auf dem zugehörigen Sockel kann die Figur gedreht werden, so dass der ursprüngliche Besitzer die Skulptur unter Berücksichtigung des jeweils einfallenden Lichts betrachten konnte.
Die Figur stand im Zentrum der Sonderausstellung "Canova und der Tanz" vom 21.10.2016 bis 22.01.2017 im Bode-Museum.
Kenan Melhem
2012 Bachelor in Architektur an der Universität Damaskus mit Medaille der Exzellenz abgeschlossen. 2013-2014 Arbeit an der Universität Damaskus als Forscher und Dozent. Kam im Oktober 2015 nach Berlin, macht derzeit seinen Master in Architektur Design an der Technischen Universität Berlin.
© Fotos: Haupt & Binder
© Porträt: Helen Pagel