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Seine Ausstellung im SCCA Almaty reagiert auf die schamlose Spekulation mit Land in Kasachstan.
Von Ekaterina Reznikova | Mai 2007Georgy Tryakin-Bukharov, der Repräsentant des Underground der 1980er Jahre in Almaty, gehört zu einer Gruppe von Künstlern, die sozial engagierte Projekte mit einem scharfen politischen Subtext geschaffen haben. Während der Sowjetzeit enthielten seine Werke den Protest gegen die kommunistische Utopie. Heute sind es zu Kunst gewordene politisierte Ausdrücke und antagonistische Herausforderungen. Sein Schaffen vereint Traditionen der Pop Art und des Konzeptualismus, Elemente der Collage und des Readymade.
Nach den 1980er Jahren ging Tryakin-Bukharov allmählich von der traditionellen Skulptur zur Objektkunst und Installation über. Oftmals verwendet er gefundene Gegenstände oder Objekte, die schon benutzt wurden (alte Stühle, Tische mit darauf verlaufener Farbe, leere Zahnpastatuben, alte Reproduktionen und Fotografien, etc.) und von daher Informationen vergangener Jahre in sich tragen. Beim Betrachten seines Ausgangsmaterials kann der Künstler in einem Gewehrkolben ohne weiteres das perfekte Profil der Nofretete oder im weichen Polster der Sitzfläche eines Stuhls das Gesicht Puschkins erkennen. Beim Arbeiten an einem Kunstprojekt kreiert er visuelle und taktile Räume, die auf Assoziationen beruhen.
Zwar hat Georgy Tryakin-Bukharov seit 1974 an diversen Ausstellungen teilgenommen, doch die am 27. April 2007 eröffnete Schau im Soros Zentrum für Zeitgenössische Kunst in Almaty ist seine erste Personalausstellung. Die Hauptfiguren dieser Ausstellung sind die Schweinchen Nif-Nif und Nuf-Nuf. Der Künstler gibt der Handlung des populären englischen Märchens, das dem post-sowjetischen Publikum in der Fassung von Sergej Michalkow besser bekannt ist, seine eigene Interpretation, indem er eine Analogie zwischen der Situation der schutzlosen Schweinchen bzw. Versager und dem Zustand der gegenwärtigen Gesellschaft herstellt. Im heutigen Kasachstan ist eine Person verletzbar und kann sich selbst nicht schützen und könnte ihr Haus, das Dach über dem Kopf, verlieren und obdachlos werden wie Nif-Nif und Nuf-Nuf, die ihr Heim an den Wolf verloren haben. In der Realität geschieht das nicht wegen irgendeiner Naturkatastrophe, sondern auf Grund schamloser Landspekulation. Das junge souveräne Land durchlebt die Frühphase des Kapitalismus, indem Ölgelder und überschüssiges Bankkapital in den Erwerb von Land investiert werden. Dahinter steht eine minutiös geplante Strategie, jedes noch so kleine aber nichtsdestotrotz teure Stück Land aufzukaufen. Am Ende gewinnt der Stärkste und eine Person wird zum Opfer anderer, die Macht und Geld haben.
Für die Ausstellung "Nif-Nif & Nuf-Nuf" hat Tryakin-Bukharov zwei Objekte geschaffen. Ein riesiger Schweinekopf, mehr als zweieinhalb Meter hoch, steht im kleinen Ausstellungsraum und nimmt den gesamten Platz ein. Der Künstler benutzt Klempnermaterial: eine Emailbadewanne, Böden von Duschkabinen, Schüsseln und sogar ein Toilettenbecken. Man kann kaum noch den Kopf in den engen Raum stecken. Um hinein zu gelangen, müssen sich die Besucher an der Wand entlang quetschen.
Der kleine Schweinekopf im größeren Raum symbolisiert den Globus, die Erde im allgemeineren Sinne. Die meisten Information sind in den strukturellen Elementen enthalten: Stahlteller, das Rad eines Fahrrads, mit dem die bogenförmige Halterung des Globus imitiert wird, zwei Bügeleisen als Ohren, ein Scharnier mit Gravur, ein Stück Mörtel in der Art von Rotz mit einer symbolischen Preisangabe: 2 Rubel und 90 Kopeken, was ein Kilo Schweinefleisch in der Sowjetära kostete. Die benutzten alten Teile tragen die Energie früherer Zeiten in sich. Tryakin-Bukharovs Nif-Nif und Nuf-Nuf kann man als Opfer und auch als Ursache ihres eigenen Missgeschicks und des Desasters, das ihnen widerfahren ist, wahrnehmen.
An den Wänden des Ausstellungsraums hängen Fotos vom Atelier des Künstlers, das - wie auch sein Zuhause und kreatives Laboratorium sowie die Galerie selbst - abgerissen werden soll. Der Eröffnungstag der Ausstellung ist zugleich der letzte Tag, an dem das Soros Zentrum für Zeitgenössische Kunst Almaty an diesem Ort im Gebäude 171 der Tulebaev Straße geöffnet sein sollte. Ein Bauunternehmen wird das Haus bald abreißen, in dem 10 Jahre lang Ausstellungen, Seminare, Konferenzen und Workshops stattgefunden haben, an denen Künstler nicht nur aus Kasachstan, sondern auch aus Großbritannien, der Slowakei, Tschechien, Deutschland, den USA, Frankreich, Indien und Italien teilnahmen. Hier werden die Immobilienentwickler einen ultramodernen, teuren Wohnkomplex bauen lassen. Und die Menschen werden hier glücklich bis ans Ende ihrer Tage leben...
Ekaterina Reznikova
Kunstkritikerin, promovierte Kunsthistorikerin. Lebt in Almaty, Kasachstan.Leiterin der Sektion Exkursionen in der Abt. Ausstellungsführungen des Staatlichen Kasteev Kunstmuseums.
Kurator: Dastan Kozhakhmetov
Nif-Nif & Nuf-Nuf
Einzelausstellung von Georgy Tryakin-Bukharov
27. April 2007
Der Eröffnungstag der Ausstellung war zugleich der letzte Tag, an dem das Soros Zentrum für Zeitgenössische Kunst Almaty an diesem Ort geöffnet sein sollte. Die Ausstellung wird solange dauern, bis ein Bauunternehmen das Gebäude abreißt und auch noch in dessen Ruine verbleiben.