Teilnehmer:
Lida Abdul
* 1973 Kabul, Afghanistan.
Ziad Antar
* 1978 Saida, Libanon.
Iraida Icaza
* 1952 Panama-Stadt.
Ahmed Mater
* 1979 Tabuk, Saudi-Arabien.
Alireza Rasoulinejad
* 1975 Sirjân, Iran.
Sami Al Turki
* 1984 Jeddah, Saudi-Arabien.
Michael Wolf
* 1954 Munich, Deutschland.
Xing Danwen
* 1967 Xi'an, China.
Yang Yongliang
* 1980 Shanghai, China.
Das denkmalgeschützte Brügge scheint in der Zeit eingefroren zu sein. Diese Ausstellung befasst sich mit dem Gegenteil: mit Städten in einem Zustand ständiger Bewegung. Und zwar vor allem im Nahen und Fernen Osten, wo sich Städte durch urbane Entwicklung oder Spekulationen, durch Zerstörung im Zuge von Konflikten und dem anschließenden Wiederaufbau fortwährend verändern. Dadurch balancieren sie permanent auf einem Grat zwischen Ruine und Baustelle.
Dem extrem konservierten Brügge wird z.B. Beirut gegenübergestellt. Die libanesische Hauptstadt war lange Zeit auch das Wirtschaftszentrum des Nahen Ostens. Doch fortwährende Besetzungen und ein grauenhafter Bürgerkrieg (1975-1990/2006) machten die Stadt zu einer Ruine, unter welcher der gesamte wertvolle Denkmalbestand begraben wurde. Nach dem Bürgerkrieg im Jahr 1994 ist Beirut wieder aufgebaut worden.
Ziad Antars bezaubernde Serie aus Schwarz-Weiß- Fotografien Beirut Bereft. Architecture of the Forsaken.Map of the Derelict zeigt unvollendete, zerstörte und verlassene Gebäude in der libanesischen Hauptstadt. Der Glaube an die Moderne vor dem Bürgerkrieg und die durch diesen Krieg verursachte Zerstörung ist in einer einzigen Geisterstadt dargestellt.
Die aus Panama stammende Fotografin Iraida Icaza ergründet in ihrer Serie Fragments Glasnegative aus dem 19. Jahrhundert mit Aufnahmen aus dem Nahen und Mittleren Osten, die sich im British Museum befinden. Indem sie diese gefundenen Bilder archäologischer Stätten und antiker Ruinen neu interpretiert, vermittel uns Icaza eine Eindruck davon, wie Zeugnisse unserer Zivilisation Jahrtausende später aussehen könnten. In der Vorstellung der Betrachter evozieren sie Mythen "Gefallener Städte" sowie kollektive Ungewissheit hinsichtlich der Fragilität unserer Welt.
Im hypnotischen Video Once Upon and Awakening der afghanischen Künstlerin Lida Abdul sehen wir Männer in schwarzen Gewändern, die vergeblich versuchen, ein riesiges beschädigtes Gebäude mit Seilen abzureißen. Kann das kulturelle Erbe, die Erinnerung, niemals vollständig getilgt werden? Oder will der Mensch immer wieder Ruinen schaffen?
In seinem satirischen Film Exteriors zeigt der iranische Regisseur Alireza Rasoulinejad die Hauptstadt Teheran als das Ergebnis einer westlichen Moderne, die ihr von den Schahs in den 1950er bis 1970er Jahren aufgezwungen worden ist, und wie die dort lebenden Menschen immer noch damit kollidieren. Der Film ist ausdrücklich eine ironische Anspielung auf Woody Allen.
Selbstgemachte Ruinen sind auch in den Golfstaaten und Saudi-Arabien zu finden. In kürzester Zeit zieht man neue Stadtteile hoch, wobei alte Häuser abgerissen oder als Ruine zurückgelassen werden. Dies geschieht im mondänen Dubai und ebenso in der Heiligen Stadt Mekka. Dort ist nicht mehr die Große Moschee das Herz der Stadt, sondern das gigantische Makkah Royal Clock Tower Fairmont Hotel, eines der größten Gebäude der Welt.
Der saudische Fotograf Ahmed Mater zeigt in seiner Serie Desert of Pharan diese Transformation der Heiligen Stadt. In Golden Hour scheinen sich riesige gelbe Kräne vor der Großen Moschee oder der Kaaba zu verbeugen. Oder stehen sie einfach nur für die unaufhaltsame Ausbreitung des Makkah Clock Royal Tower Hotels?
Auch Sami Al Turki ist Saudi. Er stellt wie Traumgebilde erscheinende Gebäude dar, die über leeren Landschaften schweben. Es sind Luftschlösser, Metaphern für Grundstückspreise, die für viele Saudis unbezahlbar sind.
Der deutsche Fotograf Michael Wolf erfasst mit seiner eindringlichen Serie The Architecture of Density ein Bild der Hochhäuser in Hongkong. Es ist ein abstraktes und fast undurchdringliches Netz architektonischer Motive, aus dem jedwede menschliche Präsenz verdrängt zu sein scheint. In seiner Serie Tokyo Compression sieht man, wie die Bewohner Tokios gegen die Fenster überfüllten U-Bahnwaggons gedrückt werden.
Dieses Gefühl der Entmenschlichung ist auch in Urban Fiction des chinesischen Künstlers Xing Danwen zu finden, der Modelle von im Bau befindlichen Wolkenkratzern fotografiert.
Der chinesische Künstler Yang Yongliang kombiniert traditionelle Motive imaginärer Landschaften mit Bildern der destruktiven Bauwut unserer Zeit. Es ist eine brutale Ernüchterung des kollektiven Gedächtnisses.
© Text aus dem Kurzführer