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Arentshuis: Visionäre Stadtpläne

Einführungstext aus dem Walking Guide

1902 fand im Zentrum von Brügge die erste große Ausstellung mit Werken der Flämischen Primitiven statt. Im selben Jahr veröffentlichte der Brite Ebenezer Howard sein einflussreiches Werk Garden Cities of Tomorrow, ein Aufruf zum Anlegen von Gartenstädten, der als Beginn der modernen Stadtplanung gilt. Es war eine erste Antwort auf das enorme Bevölkerungswachstum in Europa.

Le Corbusier, Walter Gropius, Frank Lloyd Wright, Bauhaus usw., alle formulierten sie seit den 1920er Jahren städtebauliche Antworten auf die Bevölkerungsexplosion. In Belgien entwickelte Renaat Braem [1910-2001] visionäre Stadtpläne.

Die belgischen Modernisten Huib Hoste [1881-1957] und Paul Amaury Michel [1912-1988] zeichneten einen revolutionären Sanierungsplan für den Südwesten von Brügge. Die Ausstellung im Arentshuis konfrontiert diese Pläne mit späteren Visionen zum modernistischen Städtebau des Deutschen Oswald Mathias Ungers [1926-2007], einer Ikone des Postmodernismus.

Die Pläne von Huib Hoste und Paul Amaury Michel wollten den heutigen Bahnhof von Brügge mit 't Zand und dem Stadtrand über eine breite Straße und zwei- bis viergeschossige Neubauten auf Stelzen verbinden. Eine Mischung aus bürgerlichen und Arbeiterwohnungen, unbebauten Grünflächen mit Spielmöglichkeiten sowie einem zentralen Konzertsaal und einer Ausstellungshalle. Der radikal modernistische Plan sieht auch den Abriss einiger Stadtteile mit abgelebten, ungesunden, aber historischen Häusern vor. Aber nichts davon wurde umgesetzt. Die Ausstellung zeigt in Zusammenarbeit mit dem Sint-Lukas-Archiv Brüssel Pläne, Veröffentlichungen und Dokumente von Hoste und Michel.

1933 entwarf Huib Hoste zusammen mit Le Corbusier, dessen Vetter Pierre Jeanneret und Felix Loquet einen Urbanisierungsplan für Antwerpen Linkeroever. Es ist eine Anwendung der Ideen für La Ville Radieuse von Le Corbusier, mit vielen Grün- und Sportanlagen und einer strikten Trennung zwischen motorisiertem und Fußgängerverkehr.

Die internationale Jury, u. a. mit Henry Van de Velde und Victor Horta, fand die Pläne jedoch größenwahnsinnig: "Zahlreiche Mitbewerber stürzten sich übermütig in das Reich der Träume und beschlossen, dass Antwerpen die Metropole von Europa werden und nicht weniger als 2.500.000 Einwohner zählen wird."

1935 wendet Huib Hoste die Prinzipien von Le Corbusier auch auf einen revolutionären Sanierungsplan für Antwerpen Rechteroever an, den er zusammen mit Renaat Braem entwirft. Das Projekt - das ein Sprungbrett für den Brügge-Plan ist - will einen verarmten Teil der Altstadt verschwinden lassen und nur die historisch wirklich bedeutsamen Stadtteile erhalten. Auch in Brügge wird erhalten, was historisch wichtig ist, während man kleine, alte und ungesunde Häuser durch angenehme Wohneinheiten in der Natur ersetzt. Mit seinem geplanten Konzertsaal war Hoste seiner Zeit um 70 Jahre voraus. Das Gebäude wurde schließlich im Jahr 2002 errichtet. Die von ihm vorgesehene Ausstellungshalle jedoch ist für Brügge noch immer ein nicht umgesetzter Wunsch.

Oswald Mathias Ungers veröffentlicht 1977 zusammen mit Rem Koolhaas das Manifest Die Stadt in der Stadt - Berlin: ein grüner Archipel. Es handelt sich um Konzepte und Modelle für die neue Stadt, angewendet auf das damalige West-Berlin. Die leeren Räume, die durch Bevölkerungsflucht, den Abbruch von Gebäuden und das Verschwinden der Industrie entstehen, werden zu Grüngebieten. Das Konzept des "Archipels" liegt auch den Ausstellungsorten der Triennale in Brügge zugrunde. Ungers möchte keine historische Rekonstruktion, sondern eine neue polyzentrische Stadtlandschaft. Nach dem Fall der Berliner Mauer überarbeitet er seine Pläne vollständig.

In Zusammenarbeit mit dem Ungers-Archiv für Architekturwissenschaft UAA Köln wird in Brügge eine Ausstellung rekonstruiert, die 1976 in New York zu sehen war: City Meta-phors, O. M. Ungers' Vision der Stadt als Metapher. Stadtpläne, die auf Fotos und Naturaufnahmen gespiegelt werden, rufen allerlei unerwartete Assoziationen hervor, wie sie auch der Vorstellung vom "Brüger Ei" zugrunde liegen.

Stanza - The Intelllgent City

In der Vorhalle des Arentshuis zeigt der britische Künstler Stanza sein Werke Body 01000010 011011110110010001111001. Es basiert auf einem 3D-Scan des Künstlers und besteht aus LEDs, Motoren, Kabeln und speziell entwickelter Elektronik. Der Körper reagiert auf Temperatur-, Licht-, Druck- und Schallunterschiede, wie sie in Süd-London auftreten, wo sich das Sensorennetzwerk des Künstlers befindet.

Im Vorfeld der Triennale war im Arentshuis auch bereits seine Installation The Nemesis Machine zu sehen. The Nemesis Machine ist eine Stadt im Kleinformat. Die Installation visualisiert das Leben in der Großstadt auf der Grundlage von aus London gesendeten Daten und Videobildern. Die in Brügge mit elektronischen Bauteilen aufgebaute Stadt spiegelte folglich in Echtzeit wider, was sich auf der anderen Seite des Kanals abspielte. Stanzas Bilder zeigen die Komplexität der Stadt, die mit ihren Rastern und Mustern stets universal ist. Städte gleichen einander, Städte wachsen aufeinander zu, Städte werden eins: Die Metropole wird zur Megalopolis und Ökumenopolis.

© Text: Triennale Brügge 2015 - Walking Guide

Ausstellungen im Arentshuis:

Ungers & Hoste - Die visionäre Stadt
Stanza - The Intelligent City

Brügge, Belgien
20. Mai - 18. Oktober 2015

Teil der
Triennale Brügge 2015

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