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Halina Golczowa: Die Nachtschicht

Info / Kontext zum Gedicht

Nachdem der Chef des SS-Wirtschafts-Verwaltungshauptamtes, Oswald Pohl, im März 1942 verlautbaren ließ, die Arbeitskraft müsse "bis zur äußerst möglichen Grenze ausgebeutet werden, damit die Arbeit den größten Ertrag erbringen kann", stieg die Arbeitszeit in Ravensbrück von ursprünglich acht Stunden an sechs Tagen in der Woche auf elf Stunden an sieben Tagen in der Woche. In den letzten Kriegsmonaten waren in der Rüstungsindustrie zwei Zwölf-Stunden-Schichten die Regel. Die italienische Inhaftierte Lidia Beccia Rolfi bezeugt: "Die Arbeit spielt sich in zwei Schichten ab: zwölf Stunden für die Tagschicht mit einer Mittagspause für die Suppe, und zwölf Stunden Nachtschicht mit einer Viertelstunde Pause um Mitternacht. Tag und Nacht arbeiten die Sklavinnen Vollzeit, ohne Unterbrechung, nicht mal für den Gang zur Latrine."

Das von Halina Golczowa 1942/43 in Ravensbrück geschriebene, und mit anderen Dokumenten aus dem Lager geschmuggelte Gedicht "Die Nachtschicht" bezieht sich wohl auf die unmenschlichen Arbeitsbedingungen im SS-eigenem Betrieb Texled ("Maschinen dröhnen, Nadel schleppt den Faden, Scharfes Messer glänzt…") Die Werkhallen befanden sich auf dem Lagergelände. Dort mussten die Frauen, u.a., Häftlingskleidung und Uniformen für die Wehrmacht und SS fertigen.

Später wird Halina Golczowa ins Außenlager Neubrandenburg versetzt, wo sie Teile für Kampfflugzeuge herstellen muss. Durch die katastrophalen Lebens- und Arbeitsbedingungen erkrankt sie an Rheuma und verliert ein Auge. (C. Jaiser)

Verfasserin - Biografie


Halina Golczowa Halina Golczowa wurde am 20. September 1901 in Warschau geboren.

Während des Zweiten Weltkrieges arbeitet sie als Lehrerin in der seit September 1939 von Nazideutschland besetzten polnischen Hauptstadt und ist im Untergrund aktiv. Am 23. September 1941 - kurz nach ihrem vierzigsten Geburtstag - wird sie aus dem Warschauer Pawiak-Gefängnis in das Konzentrationslager Ravensbrück verschleppt. Ihr Mann ist zu diesem Zeitpunkt bereits tot. Männer des sowjetischen Geheimdienstes NKWD erschossen ihn beim Massaker an polnischen Soldaten und Offizieren in Katyn. Ihre kleine Tochter Zofia muss Halina Golczowa in Warschau zurücklassen.

Im KZ Ravensbrück bekommt sie die Häftlings-Nummer 7591. Sie bemüht sich, heimlich junge Mädchen zum Lernen anzuspornen, unterrichtet sie und ermutigt sie, an der Liebe zu ihrer polnischen Heimat festzuhalten. Später deportiert die SS (Schutzstaffel, wichtigste Terror- und Unterdrückungsorganisation der Nazis) sie nach Neubrandenburg, wo sie in einem Außenlager des KZ Ravensbrück leben muss und gezwungen wird, in der Fabrik "Mechanische Werkstätten" Teile für Kampfflugzeuge herzustellen. Durch die katastrophalen Lebens- und Arbeitsbedingungen bei der Zwangsarbeit und im KZ erkrankt sie an Rheuma und verliert ein Auge.

Halina Golczowa überlebt dank der Hilfe ihrer Mitgefangenen. Sie kann zu ihrer Tochter nach Polen zurückkehren, erblindet aber nach einer Augenoperation vollends. Nach dem Krieg engagiert sie sich in Warschau für alte Menschen und die zurückkehrenden "Ausgesiedelten" und "Ostheimkehrer". Sie schreibt Kinderpoesie, arbeitet unter anderem für die Kinderzeitschriften "Swierszczyk " (Die Grille) und "Piomyczek" (Das Flämmchen) und veröffentlicht einen ganzen Gedichtband. In ihren letzten Lebensjahren wird sie von Olga Dickman, ihrer Freundin aus der Zeit im KZ Ravensbrück, betreut.

Halina Golczowa stirbt an den Spätfolgen der Lagerhaft am 22. Oktober 1963 im Alter von 62 Jahren. (C. Jaiser)

Bilder und Dokumente

Jeanne Letourneau

L'appel avant le lever du jour
Mahn- und Gedenkstätte Ravensbrück
Signatur: SV817E2

Biografische Angaben

Die Nachtschicht (Handschrift)

Das Gedicht wurde von Halina Golczowa 1942/43 in Ravensbrück geschrieben und mit anderen Gedichten und Dokumenten aus dem Lager geschmuggelt.
© Staatliches Museum Auschwitz-Birkenau

Die Tonaufnahmen

Die Tonaufnahmen wurden von Constanze Jaiser für Stimmen aus Ravensbrück zur Verfügung gestellt.

RAA Mecklenburg-Vorpommern / zeitlupe | Stadt.Geschichte & Erinnerung (Hrsg.): „Aby świat się dowiedział…” / „Damit die Welt es erfährt…”
Eine Flaschenpost aus dem KZ Ravensbrück.
Polnische und deutsche Jugendliche lesen Gedichte, Briefe und Berichte.

CD-Produktion und Booklet: Jacob David Pampuch. In Kooperation mit der Regionalbibliothek Neubrandenburg.
© Waren; Neubrandenburg: RAA Mecklenburg-Vorpommern / zeitlupe | Stadt.Geschichte & Erinnerung, 2018