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Info / Kontext zum Gedicht
Nachdem der Chef des SS-Wirtschafts-Verwaltungshauptamtes, Oswald Pohl, im März 1942 verlautbaren ließ, die Arbeitskraft müsse "bis zur äußerst möglichen Grenze ausgebeutet werden, damit die Arbeit den größten Ertrag erbringen kann", stieg die Arbeitszeit in Ravensbrück von ursprünglich acht Stunden an sechs Tagen in der Woche auf elf Stunden an sieben Tagen in der Woche. In den letzten Kriegsmonaten waren in der Rüstungsindustrie zwei Zwölf-Stunden-Schichten die Regel. Die italienische Inhaftierte Lidia Beccia Rolfi bezeugt: "Die Arbeit spielt sich in zwei Schichten ab: zwölf Stunden für die Tagschicht mit einer Mittagspause für die Suppe, und zwölf Stunden Nachtschicht mit einer Viertelstunde Pause um Mitternacht. Tag und Nacht arbeiten die Sklavinnen Vollzeit, ohne Unterbrechung, nicht mal für den Gang zur Latrine."
Das von Halina Golczowa 1942/43 in Ravensbrück geschriebene, und mit anderen Dokumenten aus dem Lager geschmuggelte Gedicht "Die Nachtschicht" bezieht sich wohl auf die unmenschlichen Arbeitsbedingungen im SS-eigenem Betrieb Texled ("Maschinen dröhnen, Nadel schleppt den Faden, Scharfes Messer glänzt…") Die Werkhallen befanden sich auf dem Lagergelände. Dort mussten die Frauen, u.a., Häftlingskleidung und Uniformen für die Wehrmacht und SS fertigen.
Später wird Halina Golczowa ins Außenlager Neubrandenburg versetzt, wo sie Teile für Kampfflugzeuge herstellen muss. Durch die katastrophalen Lebens- und Arbeitsbedingungen erkrankt sie an Rheuma und verliert ein Auge. (C. Jaiser)
L'appel avant le lever du jour
Mahn- und Gedenkstätte Ravensbrück
Signatur: SV817E2
Das Gedicht wurde von Halina Golczowa 1942/43 in Ravensbrück geschrieben und mit anderen Gedichten und Dokumenten aus dem Lager geschmuggelt.
© Staatliches Museum Auschwitz-Birkenau
Die Tonaufnahmen wurden von Constanze Jaiser für Stimmen aus Ravensbrück zur Verfügung gestellt.
RAA Mecklenburg-Vorpommern / zeitlupe | Stadt.Geschichte & Erinnerung (Hrsg.): „Aby świat się dowiedział…” / „Damit die Welt es erfährt…”
Eine Flaschenpost aus dem KZ Ravensbrück.
Polnische und deutsche Jugendliche lesen Gedichte, Briefe und Berichte.
CD-Produktion und Booklet: Jacob David Pampuch. In Kooperation mit der Regionalbibliothek Neubrandenburg.
© Waren; Neubrandenburg: RAA Mecklenburg-Vorpommern / zeitlupe | Stadt.Geschichte & Erinnerung, 2018
Texled
SS-eigener Wirtschaftsbetrieb "Gesellschaft für Textil- und Lederverwertung mbH (Texled)". Dieser befand sich seit 1941 in Ravensbrück. Die Produktionsstätten – mehrere Schneidereien, Webereien, Kürschnerei, Strickerei, Kunstgewerbe, Instandsetzungswerk, Strohschuh- und Rohrmattenflechterei – befanden sich im so genannten Industriehof, ein Areal auf dem Lagergelände von Ravensbrück mit mehreren großen Werkhallen. Dort mussten die Frauen Häftlingskleidung, Uniformen für die Wehrmacht und SS sowie Gegenstände für den privaten Gebrauch der SS fertigen.
Außenlager Neubrandenburg
Die Stadt Neubrandenburg in Mecklenburg-Vorpommern war zur NS-Zeit ein bedeutender Rüstungsstandort. In den Mechanischen Werkstätten (MWN) mussten rund 6 000 Häftlinge für die deutsche Kriegsproduktion Zwangsarbeiten leisten. Im Rahmen der Aufnahme von weiblichen KZ-Häftlingen aus Ravensbrück wurde 1943 das erste Außenlager an der Ihlenfelder Straße errichtet. 1944 wurde ein zweites unterirdisches Lager im Wald südlich der Neubrandenburger Stadtgrenze errichtet um die Produktion bei Bombenangriffen nicht zu gefährden. Auf engstem Raum befanden sich im "Waldbau" sechs bis sieben Fabrikhallen, einige oberirdische Bauten und etwa fünf zum Teil in die Erde eingegrabene Häftlingsbaracken, in denen rund 2.000 weibliche KZ-Häftlinge leben und arbeiten mussten.
© Foto: Carsten Büttner, zeitlupe | Stadt.Geschichte & Erinnerung
Dr. phil. Constanze Jaiser
Literaturwissenschaftlerin und Theologin
Publikationen zum Thema, u.a.:
Poetische Zeugnisse. Gedichte aus dem Frauen-Konzentrationslager Ravensbrück. Stuttgart/Weimar 2000
Europa im Kampf 1939-1944. Internationale Poesie aus dem Frauen-Konzentrationslager Ravensbrück. Berlin 2009
Ein Schmuggelfund aus dem KZ – Erinnerung, Kunst und Menschenwürde. Berlin 2012
Jeanne Letourneau
1895 - 1979 Angers, Frankreich. Studierte Kunst in Paris und arbeitete dann als Zeichenlehrerin an einer Mädchenschule in Angers. Jeanne Letourneau wurde am 13. März 1943 verhaftet und als "politischer" Häftling nach Ravensbrück deportiert. Im Februar 1945 verlegte man sie in das Außenlager Rechlin und 1945 kurz vor der Befreiung wieder zurück nach Ravensbrück. "Ich wog 33 Kilogramm und war 80 Jahre alt", schrieb sie über ihren körperlichen Zustand zum Zeitpunkt ihrer Befreiung. Nach ihrer Rückkehr verfasste sie einen Bericht über die Zeit im KZ Ravensbrück, den sie durch ihre Zeichnungen begleitete. Bis 1955 unterrichtete sie wieder am Gymnasium von Angers.