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Halina Golczowa: Die Nachtschicht

Rezitation und Musik:
Constanze Jaiser und Jacob David Pampuch

Rezitation auf Polnisch:
Adam Kotarski und Lidia Grochowska
Musik: Jacob David Pampuch

Wenn die Dämmerung die Himmelsbläue vergraut
Und im Westen wird der Fleck der Sonne blutig,
Stellen wir uns in langen, trüben Reihen auf,
Wir - die Nachtschicht.

Wir beneiden die zwitschernde Vogelschar,
Die sich im Blätterdickicht zur Ruhe vereint.
Und uns verschlingt schon bald das Barackengrau
Und die Nacht bricht ein.

Maschinen dröhnen, Nadel schleppt den Faden,
Scharfes Messer glänzt, schneidet entzwei und sticht.
"Leise, Maul halten" - Und Flüstern: "Geh schau’n
Wie spät es ist."

Die grässliche Schwüle! Ich brauch’ Luft! Und wie ein Stein
Lastet der Kopf. "Du, weiter" - arbeiten muss man schon!
Endlich kommt Mitternacht, ’ne kurze Pause wird sein
Mit einer Scheibe Brot.

Die Fenster öffnen! Und bald gehen die Lichter aus –
Eine frische Brise weht, ein Stern flimmert am Himmel.
Leg schnell irgendwo den Kopf hin und ruh’ dich endlich aus,
Du nestloser Vogel.

Mögen im Dunkel aufs geschlossene Augenlid
Gnade des Schlafes und Bilder von damals kommen,
Ehe das Licht aufleuchtet und schmerzvoll zerstören wird
Das Reich der Illusionen.

"Du! Vorwärts! Weiter !" - die verhasste Arbeit
Zwingt sich mit Gewalt in die müden Hände.
Von Neuem nähen Nadeln, Maschinen dröhnen laut
Und das Messer wendet.

Die Zeit geht schrecklich langsam und schleppend vorbei,
Der Kopf sinkt hinab vor Erschöpfung und Stress,
Das ermüdete Herz stanzt die Brust wie ein Stein –
"Wie spät ist es?"

Morgenfrische durchdringt, kalter Schauer überläuft...
Es dämmert - die Maschinen verstummen, und vom Lärm erlöst
Fallen die Augenlider ... schlafen. "Lange noch?
Wie spät ist es?"

Und endlich Schluss. Im Glanz des Sonnenaufgangs
Müssen wir in Reihen lange stehen zitterig
Mit dem einzigen Wunsch - schlafen Tag und Nacht lang
Wir - die Nachtschicht.

Ravensbrück, 1942/43, auf Polnisch im Original.