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Das Frauenkonzentrationslager Ravensbrück war anfangs ein Lager, in dem vorrangig die Arbeitskraft der Häftlingsfrauen ausgebeutet wurde. Schon im Jahr 1940 begann der Aufbau des "Industriehofes". 4.000 bis 5.000 Frauen wurden hier zur täglichen schweren Schichtarbeit gezwungen. Gearbeitet werden musste auch in den "Deutschen Ausrüstungswerken" (DAW) in der Nähe des Lagers, in der "Deutschen Versuchsanstalt für Ernährung und Verpflegung GmbH" (DVA) und in anderen, nicht SS-eigenen landwirtschaftlichen Betrieben, an die die Frauen "vermietet" wurden.
Ein größerer Teil der inhaftierten Frauen war dafür eingesetzt, den Lagerbetrieb aufrecht zu erhalten, für Essen und Kleidung zu sorgen. Für die Erweiterung der Lageranlage mussten Frauen schwere Arbeiten verrichten. Straßen wurden von ihnen ebenso gebaut wie die SS-Siedlung. Oftmals wurden Häftlingsgruppen mit völlig unsinnigen Arbeiten beschäftigt - beispielsweise mit dem Hin- und Hertransportieren von Sand lediglich, um sie zu demoralisieren. Damit demonstrierte die SS ihre Macht und ergötzte sich an der Wehrlosigkeit ihrer Opfer.
Mitte 1942 begann der Einsatz der Frauen in der Rüstungsindustrie. Eine Hauptrolle spielte hier der Siemens & Halske Konzern, der direkt neben dem Lagergelände Werkhallen errichtete. Dort mussten die Frauen Teile für die Rüstungsmaschinerie anfertigen wie z. B. elektrotechnische Einrichtungen für U-Boote, Bombenzeitzünder oder auch Teile für die sogenannte "V2"-Raketenproduktion. Viele Mädchen unter 15 Jahren wurden hier beschäftigt. Ab Ende 1944 wurden die bei Siemens arbeitenden Frauen in 13 Schlafbaracken direkt neben dem Werk untergebracht, um die Ausfallzeiten aufgrund von Wegzeiten, aber auch aufgrund von Ansteckungen mit Krankheiten, die sich die Frauen im Stammlager zuzogen, niedrig zu halten. Doch die schlechten sanitären Bedingungen für die schätzungsweise 2.000 bis 3.000 Frauen führten dazu, dass viele an der Zwangsarbeit zugrunde gingen und der Konzern immer wieder neue Häftlinge einlernen musste.
Mehr und mehr ging die SS dazu über, die Frauen in sogenannte Außenkommandos zu schicken, wo sie in "Außenlagern" in der Nähe von Rüstungsbetrieben untergebracht wurden, die dann zum Teil auch anderen Konzentrationslagern administrativ unterstellt waren. Nachdem der Chef des SS-Wirtschafts-Verwaltungshauptamtes, Oswald am 3. März 1942 verlautbaren ließ, die Arbeitskraft müsse "bis zur äußerst möglichen Grenze ausgebeutet werden, damit die Arbeit den größten Ertrag erbringen kann", stieg die Arbeitszeit in Ravensbrück von ursprünglich acht Stunden an sechs Tagen in der Woche auf elf Stunden an sieben Tagen in der Woche. In den letzten Kriegsmonaten waren in der Rüstungsindustrie zwei Zwölf-Stunden-Schichten die Regel.
Das Internationale Rote Kreuz gab 1969 ein vorläufiges Verzeichnis der Konzentrationslager und deren Außenkommandos heraus, indem 38 Außenkommandos aufgezählt wurden, die dem Frauenkonzentrationslager Ravensbrück unterstellt waren. Die Historikerin und Ravensbrück-Überlebende Wanda Kiedrzyńska spricht in ihrer Untersuchung von 63 Außenlagern, die dem Frauenkonzentrationslager Ravensbrück administrativ zugeordnet waren, wobei hier auch größere offiziell Außenkommando genannte Standorte gezählt wurden.
Viele Außenlager entstanden ab März 1943. Zum Beispiel mussten Häftlinge aus dem KZ Ravensbrück im Außenlager Grüneberg (Brandenburg) schwere Zwangsarbeit für die Polte-Werke verrichten. Auch im brandenburgischen Ort Velten entstand ein Außenlager, in dem über 700 Häftlinge in der Rüstungsproduktion u.a. für die Heinkel-Werke Flugzeugteile montieren mussten (vgl. zu den Außenlagern in Brandenburg das Projekt überLAGERt – lokale Jugendgeschichtsarbeit an Orten ehemaliger KZ-Außenlager in Brandenburg des Landesjugendrings Brandenburg).
Am 28. Juni 1943 beauftragte Adolf Hitler Albert Speer als Reichsminister für Bewaffnung und Munition offiziell, die Verlagerung der Rüstungsproduktion aus den gefährdeten Gebieten zu organisieren. In der Folge entstanden weitere zahlreiche Außenlager des KZ Ravensbrück.
Am Beispiel der verschiedenen Konzentrationslager in Mecklenburg-Vorpommern kann die enge Verknüpfung der Außenlager mit der Rüstungsindustrie, hier die Geschichte der Luftfahrtindustrie in Mecklenburg aufgezeigt werden.
Nicht nur das KZ-Außenlager Waldbau in Neubrandenburg steht für eine Entwicklung, die noch immer zu wenig in ihren Dimensionen Teil des kollektiven Gedächtnisses geworden ist: Auf dem Rücken von KZ-Häftlingen und unterstützt von Hermann Görings Ministerium und später von Reichsminister Albert Speer, konnte Betriebe im Verlauf des Krieges eine Unternehmenssanierung und Gewinnmaximierung durchführen. Der Neubrandenburger Betrieb ist z.B. eng in Zusammenhang zu sehen mit der reichsweiten Planung und Organisation der Luftwaffe, der Optimierung von Kampflugzeugen, der Luftfahrterprobungsstelle Rechlin, aber auch der Heeresversuchsanstalt Peenemünde mit ihren Forschungen an den als "V1" und "V2" bekannten Marschflugkörper resp. Luftraketen. Nicht zuletzt mit den zahlreichen Arbeitskommandos und Konzentrationslager-Standorten konnte die Kriegsproduktion aufrechterhalten und sogar maximiert werden. Die Dezentralisierung der Produktionsstellen war dem für das Deutsche Reich ungünstig verlaufenden Kriegsgeschehen geschuldet. Auf dem Rücken von Frauen und Männern, die zur Zwangsarbeit und in KZ-Haft verschleppt worden waren, griff ein Programm, dass die Nationalsozialisten "Vernichtung durch Arbeit" nannten und für das sie sogar die noch lebende jüdische Bevölkerung Europas missbrauchten: Unter unmenschlichen Bedingungen beuteten sie, gemeinsam mit den Geschäftsführungen der Betriebe die in Regel bereits völlig erschöpften und geschundenen Menschen aus. Der Hungertod und der Tod durch Epidemien, durch Zwangsarbeit und durch gewalttätige Behandlung wurde bewusst in Kauf genommen. Und dies vor den Augen vieler ziviler Betriebsbeschäftigten, ja sogar mitunter durch mit deren tätiger Mithilfe.
Insgesamt haben mehr als 20 Millionen Menschen aus vielen europäischen Ländern Zwangsarbeit für das nationalsozialistische Deutschland geleistet. Obwohl Zwangsarbeit bei den Nürnberger Prozessen als Verbrechen gegen die Menschlichkeit eingestuft wurde, wurde sie in Deutschland strafrechtlich nicht verfolgt. Erst auf massiven internationalen Druck begann man Mitte der 1990er Jahre an rund 1,66 Millionen ehemalige Zwangsarbeiter_innen eine symbolische Entschädigung auszahlen. Wobei wiederum viele Gruppen unberücksichtigt blieben. So sollte es noch bis Mai 2015 dauern, ehe der Haushaltsausschuss des Deutschen Bundestags den wenigen noch lebenden sowjetischen Kriegsgefangenen eine Entschädigung bewilligte.
Dr. phil. Constanze Jaiser
Literaturwissenschaftlerin und Theologin
Publikationen zum Thema, u.a.:
Poetische Zeugnisse. Gedichte aus dem Frauen-Konzentrationslager Ravensbrück. Stuttgart/Weimar 2000
Europa im Kampf 1939-1944. Internationale Poesie aus dem Frauen-Konzentrationslager Ravensbrück. Berlin 2009
Ein Schmuggelfund aus dem KZ – Erinnerung, Kunst und Menschenwürde. Berlin 2012