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Vera Hozáková: Frühling (1943)

Info / Kontext zum Gedicht

Der kleine Vogel markiert zusammen mit dem Stacheldraht und der Mauer die Grenze der Bewegungsfreiheit. Für das Ich wird der Vogel und sein Singen zum Sinnbild für Freiheit und selbstbestimmte Handlungsfähigkeit. Die Verknüpfung der Bilder des Frühlings mit dem Ich an einem Ort der Gefangenschaft, finden im Mund des ich statt - es "fühlte im Mund den Frühling". Eine (Wieder-)Belebung des erstarrten Ich ist die Folge. Der Mund ist symbolischer Ausdruck für eine sinnliche Erfahrung und steht als pars pro toto für einen kommunikativen Akt des Bezeugens dieser Erfahrung. Damit überwindet er für diesen einen Moment nicht nur die Begrenzung des Lagers, sondern auch die Begrenztheit eines gesichtslos und starr gewordenen Ich. Das Gedicht wird zum Gefäß für diese Erfahrung und ermöglicht im redenden Vollzug eine Erinnerung. (C. Jaiser)


Tonsequenz: Vera Hozáková aus einem Interview auf Deutsch, 1997

Wenn mich etwas in meinem Inneren erschütterte, schrieb ich. Aber meine Gedichte sind nicht alle gut, das weiß ich. Doch für unsere Mädels hatte das eine große Bedeutung. Darum schrieb ich über das, was sie alleine zittern ließ. Ich wusste, dass sie auch so zittern wie ich, aber sie konnten das nicht so ausdrücken.

Verfasserin - Biografie

Vera Hozáková

Vera Hozáková, geboren unter dem Namen Vera Fialová am 28. Oktober 1917, trat zwanzigjährig in die Kommunistische Partei ein. Sie wurde verhaftet, weil sie mit Jozef Smerkowski, Kontakt hatte, für den sie Verbindungsglied zur Partei war. Am 14. Januar 1942 wurde sie mit sechzig Frauen aus dem Prager Pankrác-Gefängnis ins Konzentrationslager Ravensbrück deportiert (n° 9011). Dort arbeitete sie einige Zeit in der Kunstgewerbeproduktion. Ab Herbst 1943 war sie in der Bauleitung tätig. Sie schrieb zahlreiche Gedichte, von denen nicht alle erhalten blieben. Auch an dem von Anicka Kvapilová geleiteten illegalen Chor nahm sie teil. Für sie waren es die Gedichte, die Freundschaften und die feste Hoffnung auf eine Zukunft, die ihr halfen, das Konzentrationslager zu überleben.

In den Jahren 1943/44 unterstützte sie Vlasta Kladivová bei der heimlichen Anfertigung einer Sammlung von Gedichten und Widerstandsliedern "Europa u boji. 1939 -1944" (Europa im Kampf). Vera Hozáková schrieb die Gedichte in Tusche nieder und versah das Werk mit Illustrationen. Auch einige ihrer eigenen Gedichte fanden Eingang in die Sammlung.

Nach der Befreiung blieb Vera Hozáková noch bis Ende Mai 1945 in Ravensbrück, um ihre Freundinnen im Krankenrevier zu betreuen. Im Jahr ihrer Heimkehr heiratete sie ihren Verlobten, der auf sie gewartet hatte. Sie brachte vier Kinder zur Welt und war als Architektin tätig. Heute lebt sie in Hradec Kralóve, Tschechien. Vor einigen Jahren schrieb Vera Hozáková ihre Erinnerungen nieder, um Zeugnis abzulegen und die Nachkommenden zu ermutigen, für alle Zeit "Lüge, Demagogie, Herdentrieb und kollektive Verantwortlichkeit abzulehnen".

Text in Originalsprache

Vera Hozáková: Frühling