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Info / Kontext zur Gedichtsammlung
"Europa im Kampf" ist eine in den Jahren 1943/44 heimlich im Konzentrationslager Ravensbrück entstandene Sammlung von 47 Gedichten und Liedern aus elf Nationen.
Die Tschechinnen Vlasta Kladivová und Vera Hozáková konnten durch ihre Tätigkeit in der Bauleitung von Ravensbrück das nötige Material beschaffen, um die Gedichte mit Tusche auf Papierbögen niederzuschreiben, und als Buch zu binden. Sie setzten mit dieser heimlichen Tätigkeit ihr Leben aufs Spiel, insbesondere, wenn sie das Buch durch die Kontrollen am Lagereingang schleusten.
Der Anlass für die Sammlung, so Vlasta Kladivová, sei das Gedicht Ghetto gewesen. Das Gedicht stammt von einer Polin, die die Nationalsozialisten aus einem Ghetto nach Auschwitz-Birkenau deportierten und dort in der Gaskammer ermordeten. Der Zettel, auf dem dieses Gedicht notiert war, sei von einem jungen jüdischen Mädchen, das in der Effektenkammer arbeitete [wo die Kleidung und die Besitztümer der ankommenden Häftlinge lagen], in einem Mantel gefunden worden. Dieses letzte Vermächtnis einer Person, die die Nationalsozialisten in den Gaskammern ermordeten habe Vlasta Kladivová tief erschüttert.
Obwohl die Sammeltätigkeit vorwiegend auf Vlasta Kladivová zurückgeht, wäre sie ohne die Hilfe von Vera Hozáková nicht möglich gewesen. Diese hatte nämlich dafür gesorgt, dass Vlasta Kladivová zur Arbeit in der Bauleitung abkommandiert wurde. Vera Hozáková, die bereits mit dem Transport am 14. Januar 1942 in Ravensbrück eintraf, kam im Herbst 1943 zur Bauleitung, da sie als Architekturstudentin die dafür notwendigen Fähigkeiten mitbrachte. Als ihr damaliger Chef ihr erlaubte, eine Frau als weitere Hilfskraft zu suchen, wählte sie Vlasta Kladivová, die im August 1943 aus Auschwitz nach Ravensbrück kam, weil sie, so Vera Hozáková, aufgrund ihres geschwächten Zustandes und wegen ihrer "dicken Brille" gefährdet gewesen sei.
Vera Hozáková schrieb die aus elf Nationen stammenden Gedichte in Tusche nieder und versah das Werk mit Illustrationen. Auch einige ihrer eigenen Gedichte fanden Eingang in die Sammlung. Das Buch enthält ein Inhaltsverzeichnis, das auf die nationale Herkunft der Dichterinnen verweist, jedoch nur in zwei Fällen die Verfasserin nennt. Der Verzicht auf den Verfasserinnenhinweis, sollte die Frauen im Falle einer Entdeckung des Buches schützen. Doch es gab noch einen weiteren Grund: Es seien die Texte, die überliefernswert waren, so Vlasta Kladivová. Die Autorschaft hätte geringe Bedeutung, und zwar weil die Texte, stellvertretend von einer verfasst, die Texte aller Frauen gewesen seien.
Vlasta Kladivová betrachtet die Gedichte als "Dokumente für die Atmosphäre im Lager", als "Zeugnis über die Menschen, die unter sehr schweren Bedingungen zu überleben versuchten". Sie zeigten noch heute, "wie schwer das Leben dort war und wie sich der Mensch trotzdem darüber hinwegzusetzen versuchte". Die Gedichte "repräsentieren Menschen, die für eine bessere Welt zu kämpfen bereit waren“ und bezeugen den "Kampf für die Ideale der Humanität".
Das Buch hielten sie versteckt, in den letzten zwei, drei Wochen vor der Befreiung band sich Vera Hozaková das Büchlein um den Körper. Sie hatte Glück, es wurde nicht entdeckt. (C. Jaiser)
Vlasta Kladivová übergab das Buch in den 1990er Jahren der Literaturwissenschaftlerin Constanze Jaiser. Sie konnte es zusammen mit Jacob Pampuch und mit Hilfe von Spenden sowie ehrenamtlich Tätigen, die die Texte übersetzten und nachdichteten, als Faksimile zum 60. Jahrestag der Befreiung von Ravensbrück herausgeben:
Constanze Jaiser, Jacob David Pampuch (Hrsg.): Europa im Kampf 1939–1944. Internationale Poesie aus dem Frauen-Konzentrationslager Ravensbrück.
Faksimile, Begleitband und Hör-CD mit Stimmen von Überlebenden
Berlin, Metropol Verlag, 2005/2009
Dr. phil. Constanze Jaiser
Literaturwissenschaftlerin und Theologin
Publikationen zum Thema, u.a.:
Poetische Zeugnisse. Gedichte aus dem Frauen-Konzentrationslager Ravensbrück. Stuttgart/Weimar 2000
Europa im Kampf 1939-1944. Internationale Poesie aus dem Frauen-Konzentrationslager Ravensbrück. Berlin 2009
Ein Schmuggelfund aus dem KZ – Erinnerung, Kunst und Menschenwürde. Berlin 2012