Meine Führungen im Rahmen von Multaka mache ich im Vorderasiatischen Museum. Auf die darin vertretenen Gebiete habe ich mich als Archäologe spezialisiert, und da ich selbst Iraker bin, faszinieren mich viele der ausgestellten Objekte auch ganz persönlich. Den Rundgang für die arabisch sprechenden Besucherinnen und Besucher beginne ich am berühmtesten Exponat des Museums, dem Ischtar-Tor von Babylon, erbaut unter der Herrschaft von Nebukadnezar II. um 600 vor unserer Zeitrechnung.
Beim Weg durch die verschiedenen Räume tauchen die Leute in eine andere Welt ein und lernen mehr über die weit zurückliegende Geschichte der Regionen, die für viele von ihnen die Heimat ist. Das erfüllt sie mit Stolz, und sie machen Fotos für ihre Freunde und Familien. Ich bemühe mich darum, das Bewusstsein dafür zu stärken, dass dieses vorislamische Erbe zu unserer Identität gehört und dringend geschützt werden muss. Da es in jeder Gruppe jemand mit kulturgeschichtlichen Vorkenntnissen gibt, entwickeln sich schnell Gespräche, an denen sich fast alle beteiligen.
Wenn wir zu den beiden Lamassufiguren gelangen, beeindrucken diese durch ihre Monumentalität und die Kombination geflügelter Stierkörper mit Menschenköpfen. Bei denen im Vorderasiatischen Museum handelt es sich um Abgüsse der Originale vom Palast von Nimrud aus der assyrische Periode (900 - 681 v.u.Z.). Solche Schutzgeister aus sehr hartem Stein standen an den Innen-, und Außeneingängen den Palästen, um die Macht zu zeigen und das Böse abzuwehren.
An dieser Stelle erinnern wir uns dann an die Bilder, die Anfang 2015 durch die Medien gingen und uns alle sehr traurig gemacht haben. In einer wirkungsvoll inszenierten, brutalen Aktion zerstörte der sogenannte Islamische Staat in der antiken Stätte Ninive im Nordirak am Ufer des Tigris und im archäologischen Museum von Mossul Kulturgüter von unschätzbarem Wert. Darunter befand sich auch eine solche Lamassufigur.
Lamassufiguren
Die Torwächterfiguren vom Nimrud-Palast in Ninive, heute Nordirak, assyrische Periode (900 - 681 v.u.Z.) sind Abgüsse von den Originalen, die sich im Britischen Museum in London befinden. Die heutige Anordnung der Figuren unter einem Bogen im Vorderasiatischen Museum wurde an die ursprüngliche Position in der Antikenstadt angepasst. Lamassu (auch šedu, Schedu) ist die Bezeichnung für Schutzgeister mit Stierkörper, Flügeln und menschlichem Kopf.
Hussam Zahim Mohammed
1987 geboren in Bagdad. Lebt seit 2006 in Berlin und studierte Vorderasiatische Archäologie an der Freien Universität Berlin. Seine Forschungsgebiete sind Vorderasiatische Archäologie, Kulturelles Erbe und die Archäologischen Museen im Irak. Er arbeitete auch an verschiedenen archäologischen Projekten mit und hat an diversen Konferenzen teilgenommen, z. B. Oymaağaç-Nerik project (Türkei), ICHASM, AGYA. Im Rahmen des Multaka-Projekts führt er durch das Vorderasiatische Museum.
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