Über das Konzept

Der konzeptionelle Rahmen für das Public Art Programme der Expo2020 Dubai ist durch das bahnbrechende Werk "Schatz der Optik" (Kitāb al-Manāẓir, ca. 11. Jahrhundert) des berühmten arabischen Mathematikers, Astronomen und Physikers Ibn al Haytham inspiriert. Wegen seiner bedeutenden Theorien und grundlegenden Prinzipien der Optik und der visuellen Wahrnehmung wurde Ibn al Haytham "Vater der modernen Optik" genannt. Das Konzept des Public Art Programme bietet ein Prisma für die Betrachtung zeitgenössischer Kunstwerke und einen Kontext, der eine Beschäftigung mit dem philosophischen Aspekt von Ibn al-Haythams Theorien zur visuellen Wahrnehmung ermöglicht, einschließlich seiner Definitionen des Sehens, Erkennens und der Unmöglichkeit, sich ohne die Kraft der Imagination ein vollständiges Bild von der Realität zu machen.

إدراك الصورة الكلية ، ُ متشكل في التخيل

Die Wahrnehmung des Gesamtbildes wird in der Imagination geformt

Ibn al-Haytham vertrat die Ansicht, dass die bloße Überprüfung der visuellen Aspekte dessen, was zu sehen ist, weder die Glaubwürdigkeit gewährleistet noch den Zugang zur wahren Form der Dinge eröffnet. Die Wahrnehmung ist ohne Vorwissen, Vergleiche, Erinnerung und Vorstellungskraft niemals vollständig. Unsere unmittelbare Wahrnehmungserfahrung des Sehens muss von der Imagination begleitet sein, um die Form der Dinge erkennen zu können.

Ein Blick zurück auf die Geschichte der Künste und ihre komplexe und reiche Verknüpfung mit Wissenschaft und Philosophie in dieser Region während des historischen Höhepunkts des Handels und der interkulturellen Beziehungen ab dem 9. Jahrhundert könnte uns helfen, Konzepte und Ideen neu zu überdenken, die in der heutigen Welt relevant sind. Denn das Klassische ist nicht bloß Vergangenheit und auch nicht einfach Gegenwart, sondern es begegnet uns auch in der Zukunft. Wenn wir uns heute mit Ibn al-Haytham beschäftigen, werden wir angeregt, die Erklärung von Phänomenen und die Beziehung zwischen dem Imaginierten und dem Wahrgenommenen zu verstehen und das Gemeinsame unter den Menschen zu erkunden, während wir gleichzeitig die kulturellen Besonderheiten verstehen. Es mag sein, dass die einzige menschliche Fähigkeit, die uns hilft, uns in den verschiedenen kulturellen Besonderheiten zurechtzufinden, die Vorstellungskraft und die Fähigkeit ist, Geschichten zu begreifen, wie fremd sie auch sein mögen.

Das Public Art Programme ist mit den ehrgeizigen Plänen für das Expo2020-Gelände abgestimmt, das umgewidmet und zu einer zwei Millionen Quadratmeter großen, District 2020 genannten "Stadt" entwickelt wird, wo in den kommenden Jahrzehnten ein florierendes Gemeinwesen entstehen soll. Durch das Programm wird die zeitgenössische Kunst einen wichtigen Platz in dem Viertel einnehmen, mit elf permanenten Werken im öffentlichen Raum, die in das urbane Gefüge eingebettet sind.

Zum ersten Mal im Nahen Osten ist ein Stadtviertel mit integrierten, permanenten Kunstinstallationen im öffentlichen Raum geplant, geschaffen von visionären und herausragenden Künstlerinnen und Künstlern aus den VAE, der Region und aus anderen Teilen der Welt. Die Werke werden Anziehungspunkte sein, die eine Erzählung von Konzepten, Ideen und ästhetischen Auffassungen hervorbringen - eine kreative Reise, die den Ton für das Gelände der Expo 2020 setzt und ein wesentlicher Bestandteil des innovativen Charakters des Viertels im urbanen Gefüge von Dubai sein wird.

© Text: Tarek Abou El Fetouh
Aus dem Englischen: Universes in Universe

Siehe auch:
Interview mit Tarek Abou El Fetouh
Von Pat Binder & Gerhard Haupt, Universes in Universe