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Die Geschichte Haitis und des Vodou

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1492 - 1697

Spanische Eroberung
Bei der Landung von Christoph Kolumbus 1492 auf der Insel Hispaniola lebten dort über 750.000 Menschen: das Volk der Taino. Sie wurden von den Eroberern versklavt, getötet oder fielen eingeschleppten Krankheiten zum Opfer. Überlebende zogen sich in unzugängliche Gebiete der Insel zurück.

Import afrikanischer Sklaven
Binnen kürzester Zeit war der Bevölkerungsrückgang der Taino so drastisch, dass die Spanier zu Beginn des 16. Jh.s begannen, Sklaven aus Afrika zu importieren. Nach dem Versiegen der Goldvorkommen um 1514 wurden die Sklaven auf Zuckerrohrplantagen eingesetzt, die die neue Wirtschaftsgrundlage der Insel bildeten.

Erster Sklavenaufstand und Entwicklung kreolischer Kultur
Nach einem Aufstand flohen 1522 über 7.000 Sklaven (Maroons=Flüchtlinge) in das Hinterland der Insel und trafen dort auf die Taino. Die Sklaven kamen aus unterschiedlichen Kulturen Afrikas und sprachen verschiedene Sprachen, aus denen sich eine gemeinsame Kreolsprache entwickelte. Diese enthielt Elemente aus dem Französischen, Spanischen, Portugiesischen sowie aus westafrikanischen Sprachen wie Yoruba, Bantu, Ibo oder Fon. Ihre Religionen vermischten sich mit Elementen des Katholizismus und der Religion der Taino. Für viele Vodou-Anhänger bildet das Erbe noch heute den Kern ihrer traditionellen kulturellen Praktiken.


1697 - 1790

Französische Kolonisierung von Saint-Domingue
1697 traten die Spanier den Westteil Hispaniolas an Frankreich ab, der in Saint-Domingue umbenannt wurde. Durch die Ausweitung der Plantagenwirtschaft stiegen auch die Sklavenimporte dramatisch. Lebten zu Beginn des 18. Jh.s 6.000 Weiße und freie Farbige (Nachkommen von Weißen und Sklaven) und 50.000 Schwarze in der Kolonie, waren es 1789 bereits eine halbe Million Sklaven, die von 40.000 französischen Kolonisten beherrscht wurden.

Christianisierung der Sklaven und Ausbreitung des Vodou
Der Katholizismus war die offizielle Religion in Saint-Domingue (dem heutigen Haiti) und alle Sklaven wurden christlich getauft. Doch im Untergrund breitete sich der Vodou immer stärker aus. Die Maßnahmen der Franzosen, dies zu unterbinden, reichten vom Verbot nächtlicher Vodou-Zeremonien bis hin zu Verurteilungen von bekannten Vodou-Priestern wie François Makandal: Der Anführer einer Maroon-Gemeinschaft wurde 1758 auf dem Scheiterhaufen hingerichtet.

Von der Ausweitung der Plantagenwirtschaft zur reichsten Kolonie der Welt
In der zweiten Hälfte des 18.Jh.s wurde Saint-Domingue durch die Kultivierung von Gütern wie Zuckerrohr, Indigo, Baumwolle und Kaffee zur reichsten Kolonie der Welt. Ein Viertel des Grundeigentums und der Sklaven waren im Besitz der freien Farbigen, deren Rechte jedoch durch Rassengesetze immer stärker beschnitten wurden.

Aufstand der freien Farbigen
Unter Berufung auf die französischen. Menschenrechtserklärung von 1789 wollten die freien Farbigen ihr Recht der politischen Gleichberechtigung durchsetzen. Sie entfesselten 1790 unter der Führung von Vincent Ogé einen Aufstand, der jedoch von den Weißen niedergeschlagen wurde.


1791 - 1804

Vodou als politische Geheimgesellschaft
Am 21. August 1791 brach erneut ein Sklavenaufstand aus. Als Anführer soll der Vodou-Priester Boukman eine große Anzahl von Sklaven in einer Vodou-Zeremonie zum Kampf eingeschworen haben. Der Vodou war nun nicht nur Religion, sondern auch politische Geheimgesellschaft, die zur schnellen Verbreitung des Sklavenaufstandes beitrug.

Abschaffung der Sklaverei
1794 wurde die Sklaverei abgeschafft und General Toussaint Louverture besiegte 1802 die französischen Kolonisten. Er trat für politische Freiheit aller Rassen ein, versuchte aber das Plantagensystem aufrechtzuerhalten. Für die landlose Bevölkerung bedeutete Freiheit jedoch auch das Recht auf Landbesitz.

Unabhängigkeit und Ausrufung der Republik Haiti
Ein im selben Jahr von Napoleon zur Rückeroberung nach Saint-Domingue entsandtes Expeditionsheer unterlag schließlich den Schwarzen und freien Farbigen. Der schwarze Oberbefehlshaber Jean-Jacques Dessalines rief am 1.Januar 1804 die Unabhängigkeit des Staates Ayti (Taino für „Bergiges Land“) aus. Haiti war somit nach den USA der zweite unabhängige Staat in der Neuen Welt und der einzige, der durch die Abschaffung der Sklaverei entstand. Der neue Staat wurde jedoch weltweit nicht anerkannt. Durch diesen Boykott geriet Haiti zunehmend in Isolation und ökonomische Bedrängnis.


1805 - 1915

Anerkennung der Unabhängigkeit
Dessalines' despotischer Führungsstil führte zu erneuten Aufständen und infolgedessen 1805 zur Teilung des Landes. Im Süden entstand eine Republik der ehemals freien Farbigen, im Norden bildete die schwarze Bevölkerung einen Staat. Erst 1820 konnte Präsident Jean-Pierre Boyer das Land wieder vereinen. 1825 erreichte er die Anerkennung der Unabhängigkeit durch Frankreich. Dafür musste Haiti jedoch die enorme Summe von 150 Millionen Francs zahlen - als Entschädigung für den Verlust der Plantagen.

Verbot von Vodou
Vodou wurde weiterhin nicht als offizielle Staatsreligion anerkannt und 1835 wurde die Ausübung der Religion sogar unter Strafe gestellt. Nun spielten die Vodou-Geheimgesellschaften erst recht eine wichtige Rolle.

Einfluss des Katholizismus
In die Regierungszeit von Fabre Geffrard fiel der Staatskirchenvertrag von 1860, das Konkordat mit dem Papst. Daraufhin kamen verstärkt französische Priester und Ordensleute ins Land und gewannen an Einfluss. Bis zu diesem Zeitpunkt war die haitianische Kirche von Rom getrennt, wodurch sich der Vodou ungehinderter hatte verbreiten können.

Erste US-Invasion
Ende des 19. Jh.s zahlte Haiti 80% des nationalen Budgets, um die Staatsschulden zu tilgen, die durch die Entschädigungszahlungen an Frankreich entstanden waren. Zudem war diese Zeit durch große innenpolitische Instabilität geprägt. 1915 landeten 350 US-Marinesoldaten auf Haiti.


1915 - 1986

US-amerikanische Besatzung
In der Bevölkerung stieß die Invasion der USA auf starken Widerstand, der von den Vodou-Geheimgesellschaften mitgetragen wurde. Die katholische Kirche unterstützte die Besatzer, deren Repressalien gegen Vodou-Anhänger ein immer stärkeres Ausmaß annahmen. In dieser Zeit entwickelte sich das von Klischees geprägte Bild Haitis in den USA, als exotische, mystische Insel. 1934 wurden die US-Streitkräfte im Rahmen der Good Neighbour Policy der USA gegenüber den Staaten Lateinamerikas aus Haiti abgezogen.

François Duvalier und die Tonton Macoutes
In Orientierung an die US-amerikanische Bürgerrechtsbewegung entwickelte sich unter schwarzen Intellektuellen Haitis ein stärkeres Bewusstsein für die afrikanischen Wurzeln und die Bedeutung des Vodou. Als Vertreter dieser Bewegung wurde der Arzt François Duvalier, genannt Papa Doc, 1957 mit Unterstützung des Militärs als Präsident gewählt. Schnell baute er eine Geheimpolizei auf, die Tonton Macoutes, die mit Gewalt für die Umsetzung seiner Weisungen sorgte. Ihre Mitglieder wurden vor allem aus der unteren Mittelschicht rekrutiert, zu der auch Vodou-Priester und Mitglieder von Vodou-Geheimgesellschaften zählten.

Baby Doc und das Ende der Duvalier-Herrschaft
Unter dem Regime von François Duvalier verließen vor allem gut ausgebildete Haitianer das Land. In Haiti fielen Zehntausende seinem diktatorischen Regime zum Opfer. 1971 trat Jean-Claude Duvalier, Baby Doc, die Nachfolge seines Vaters an. Seine Rücksichtslosigkeit gegenüber der verarmten Bevölkerung führte zunehmend zu Protesten. Katholische Befreiungstheologen forderten einen Wandel zugunsten der Armen. Diese Forderung wurde von Papst Johannes Paul II bei seinem Besuch auf Haiti 1983 unterstützt. Die darauf folgenden Unruhen führten 1986 zur Absetzung Duvaliers und seiner Flucht nach Frankreich.


1990 - 2010

Aristides Wahl zum Präsidenten
1990 wurde der katholische Priester Jean-Bertrand Aristide zum Präsidenten gewählt. Eine neue Verfassung schrieb die Religionsfreiheit auf Haiti fest, doch zahlreiche Vodou-Priester, die den Tonton Macoutes angehört hatten, wurden nun politisch verfolgt. Nach einem Militärputsch unter der Führung von Raoul Cédras floh Aristide 1991 ins Ausland.

Rückkehr Aristides und zweite US-Invasion
1994 intervenierten die USA in Haiti nach 1915 ein zweites Mal und setzten Aristide wieder ins Präsidentenamt ein. 1995 erfolgte der Rückzug der US-Truppen und Haiti wurde unter ein UN-Mandat gestellt, das sich jedoch nicht auf die systematische Entwaffnung paramilitärischer Gruppen erstreckte. In dieser Zeit fassten zunehmend evangelikale Gruppierungen aus den USA auf Haiti Fuß, die dem Vodou sehr kritisch gegenüber stehen.

Offizielle Anerkennung des Vodou
1996 wurde René Préval Präsident und 2000 erneut von Aristide abgelöst. Unter ihm wurde 2003 Vodou in Haiti offiziell anerkannt und somit auf die gleiche Ebene mit den christlichen Glaubensgemeinschaften gestellt. 2008 wurde Max Beauvoir Oberhaupt der Nationalen Vodou-Konföderation.

Nach seiner Wiederwahl nahmen Proteste gegen Aristide stetig zu und erreichten bürgerkriegsähnliche Ausmaße, so dass er 2004 erneut das Land verlassen musste. Ein weiteres Mal wurden UN-Truppen nach Haiti entsandt. Jetziger amtierender Präsident ist wieder René Préval.


Haiti 2010

Am 12. Januar 2010 erschütterte ein Erdbeben der Stärke 7,3 den südlichen Teil Haitis. Mehr als 217.000 Menschen kamen ums Leben, 1,3 Mio. wurden obdachlos. Eine internationale Geberkonferenz im April 2010 sagte Haiti 9,9, Mrd. US-$ Wiederaufbauhilfe zu.


© Text: Ethnologisches Museum Berlin


Veröffentlicht zur Ausstellung:
Vodou. Kunst und Kult aus Haiti
18. Mai - 24. Oktober 2010
Ethnologisches Museum Berlin

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