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Über die Internationale Kunstausstellung für Palästina 1978. Kuratorinnen: Kristine Khouri und Rasha Salti. 19. März - 9. Mai 2016 im Haus der Kulturen der Welt, Berlin.
Feb 2016[unten siehe auch: A History of Limits. Zur Architektur von Kanon-Erzählungen. Konferenz, 18. / 19. März 2016]
Zeit der Unruhe. Über die Internationale Kunstausstellung für Palästina 1978 ist eine Dokumentations- und Archivausstellung, in deren Mittelpunkt die Geschichte und der geschichtliche Kontext der Ausstellung für Palästina aus dem Jahr 1978 steht.
Die Internationale Kunstausstellung für Palästina wurde im Frühjahr 1978 an der Beirut Arab University im Libanon eröffnet. Veranstaltet von der Palästinensischen Befreiungsorganisation (PLO), umfasste die Ausstellung etwa 200 von Künstler_innen aus fast dreißig Ländern gestiftete Werke und verstand sich als Kern eines Museums im Exil. In Gestalt einer Wanderausstellung sollte dieses die Welt bereisen, um schließlich nach Palästina heimgeführt zu werden. Während der Belagerung Beiruts im Jahr 1982 wurden das Depot der Sammlung ebenso wie sämtliche archivarischen und dokumentarischen Spuren der Ausstellung durch ein Bombardement der israelischen Armee zerstört.
Größe und Umfang der Internationalen Kunstausstellung für Palästina 1978 waren in der Region beispiellos. Die Rekonstruktion der Hintergründe dieser Ausstellung haben ein weitverzweigtes Netzwerk und eine gemeinsame Geschichte politisch engagierter Künstler_innen und Initiativen zutage gefördert: die bisher kaum dokumentierte Geschichte von Künstlerkollektiven in Städten wie Paris, Rom und Tokio; Künstlerverbände in Damaskus, Bagdad, Casablanca und Warschau; wegweisende Biennalen in Venedig, Bagdad und Rabat; Museen im Exil in Santiago de Chile, Managua und Kapstadt.
Die Berliner Version von Zeit der Unruhe im HKW unternimmt eine kritische Analyse der Mechanismen der Kanon-Bildung im Kunstdiskurs und in der Kunstgeschichte. Sie befasst sich einerseits mit der Problematik mündlicher Überlieferung während sie andererseits Mechanismen der Kanon-Bildung kritisch untersucht. Sie fragt, welche Beziehungen in Kunst und künstlerischer Praxis vor dem Hintergrund der beiden deutschen Staaten, West- und Ostberlins, des Kalten Krieges und der Motive der antiimperialistischen Solidaritätsfront und insbesondere des Kampfes für Palästina bestanden.
Erste Station der Ausstellung war das Museu d’Art Contemporani de Barcelona (MACBA). Das dortige Engagement für die Geschichte von Ausstellungen, künstlerischer Praxis und öffentlicher Auseinandersetzung zielt auf ein breiteres und tieferes Verständnis der politischen, ökonomischen, sozialen und kulturellen Kontexte, in denen Kunst geschaffen, bewertet, öffentlich gezeigt wird und schließlich Eingang ins kollektive Bildgedächtnis findet.
Zeit der Unruhe präsentiert, vermittelt und verkörpert Themen und Fragen, die für einen solchen Rechercheansatz maßgeblich sind, greift auf Videomontagen aus Archivmaterial und Filmen ebenso zurück wie auf aktuelle Interviews und Texte oder reproduzierte historische Dokumente. Die Ausstellung zeichnet Netzwerke von Künstler_innen und Gruppen nach, die sich durch eine gemeinsame politische Haltung und Solidarität verbunden fühlten – angefangen mit Palästina und ausgedehnt auf den Rest der Welt.
Die Suche nach anderen Wanderausstellungen, die sich ebenfalls als Museen im Exil verstanden und zur selben Zeit wie die Internationale Kunstausstellung für Palästina entstanden – wie zum Beispiel das Museo Internacional de la Resistencia Salvador Allende oder die Organisation Artists Against Apartheid – hat eine Form der museologischen Praxis in Erinnerung gerufen, die noch nicht lange zurück liegt und doch schon weitestgehend vergessen ist. Gleichzeitig haben die Verbindungslinien zur Ersten Arabischen Biennale in Bagdad (1974) und der 1976er Biennale in Venedig bisher unbekannte Kartografien einer gemeinsamen Geschichte aufgedeckt.
Zeit der Unruhe wird kuratiert von Kristine Khouri und Rasha Salti und wurde 2015 vom Museu d'Art Contemporani de Barcelona (MACBA) konzipiert und präsentiert. Die Berliner Ausstellung 2016 ist eine Produktion des Hauses der Kulturen der Welt und des MACBA.
Die Recherche für dieses Projekt wurde ermöglicht durch die großzügige Förderung von: Rana Sadik und Samer Younis, Sharjah Art Foundation, Arab Fund for Arts and Culture (AFAC), ZedGrant, A.M. Qattan Foundation und Tensta konsthall.
Jamil Shammout und Michel Najjar zeichnen das Banner für die Internationale Kunstausstellung für Palästina, 1978, Beirut.
Quelle: Claude Lazar
Fotos links:
Ausstellungsposter für die Internationale Kunstausstellung für Palästina, 1978, Beirut, von Dia Al Azzawi. Quelle: Samir Salameh
Aufbau der Internationalen Kunstausstellung für Palästina, 1978, Beirut. Quelle: Claude Lazar
Das Collectif de peintres antifascistes beim Malen eines Transparents für die Demonstration am 1.5.1976 als Kritik an der Kulturpolitik der Regierung. Foto: Claude Lazar
Ausstellungsposter für das Museo Internacional de la Resistencia Salvador Allende. Courtesy Jacques Leenhardt
A History of Limits.
Zur Architektur von Kanon-Erzählungen
Konferenz, 18. und 19. März 2016
Haus der Kulturen der Welt
Die Ausstellung Zeit der Unruhe ist Ausgangspunkt der Konferenz A History of Limits. Zur Architektur von Kanon-Erzählungen. Kritik und Dekonstruktion des Kanons der Moderne prägen die künstlerische Praxis und Theorie der letzten Jahrzehnte. Doch der Kanon ist nicht nur ein institutionelles Machtinstrument, mit ihm werden Wissensformen und ein historisches Bewusstsein geschaffen. Wie muss das Fundament für einen neuen Kanon beschaffen sein und wie ließe dieser sich erzählen? A History of Limits setzt beim Leitbild des Haus der Kulturen der Welt zur Zeit seiner Gründung 1989 an, die Parameter des Eurozentrismus und des westlichen Kanons zu überschreiten.
Die Eröffnungskonferenz des Langzeitprojektes Kanon-Fragen untersucht das Ursprungsnarrativ des institutionellen Kanons der Moderne und hinterfragt dessen Architektur und die Quellen seiner Autorität. Diese Ansätze spekulativ weiterdenkend widmet sich die Konferenz dem Unbewussten der Moderne und der "halluzinatorischen" Dimension von Kanon-Erzählungen auf dem instabilen Terrain untoter Geschichte.
Zum Auftakt der Konferenz werden Kristine Khouri und Rasha Salti (Kuratorinnen Zeit der Unruhe, Beirut) mit Claudia Zaldivar (Kunsthistorikerin und Leiterin des Museo de la Solidaridad Salvador Allende, Santiago de Chile) erörtern, wie sich die Umstände des Exils auf die Idee eines Museum und seines "Kanons" auswirken können.
Die Theoretiker_innen Kerstin Stakemeier (Professorin für Kunsttheorie und -vermittlung, Akademie der Bildenden Künste, Nürnberg), Mark Wigley (Professor für Architektur, Columbia University, New York) und Erhard Schüttpelz (Professor für Medientheorie, Universität Siegen) sowie die Künstlerin Lene Berg (Berlin/New York) untersuchen die Rahmenbedingungen und narrativen Architekturen des Kanons.
Wie werden Erzählungen zu Institutionen? Kann man Kanon-Erzählungen gegen den Strich lesen? Das sind die Themen, denen Lara Khaldi (Forscherin und Kuratorin, Jerusalem), Ticio Escobar (Kurator und Essayist, Direktor des Centro de Artes Visuales/Museo del Barro, Asunción), David Teh (Forscher und Kurator, Singapur) sowie der Kulturwissenschaftler und Publizist Diedrich Diederichsen (Akademie der bildenden Künste, Wien/Berlin) auf den Grund gehen.
Das Abschluss-Panel eröffnet eine spekulative und imaginative Diskussion über das anarchische Außen von Kanon-Architektur. Nida Ghouse (Autorin und Kuratorin, Mumbai) und Malak Helmy (Künstler und Schriftsteller, Kairo), Tom Holert (Kunsthistoriker, Kritiker, Kurator und Künstler, Berlin), Ho Tzu Nyen (Künstler, Filmemacher, Singapur/Berlin) sowie Luis Jacob (Künstler und Kurator, Toronto) fragen, inwieweit die heimgesuchten Ontologien der kolonialen Moderne es notwendig machen, den Kanon "halluzinierend" zu fassen.
A History of Limits wird moderiert von Anselm Franke (Kurator, Autor und Leiter des Bereichs Bildende Kunst und Film am HKW) und Paz Guevara (Forscherin und Kuratorin, Berlin).
Mit dem mehrjährigen Projekt Kanon-Fragen widmet sich das HKW den Architekturen historischer Narrative und den Fundamenten der institutionellen Kanon-Bildung. Von 2016 bis 2019 arbeitet der Bereich Bildende Kunst unter Leitung von Anselm Franke mit einer Reihe von Partnern an verschiedenen Ausstellungsprojekten. Dazu gehören kuratorische und künstlerische Kooperationen mit Paz Guevara und Antonia Majaca, Nida Ghouse, Dierk Schmidt mit Sonja Lau und Su Wei, Tom Holert sowie Diedrich Diederichsen.
Gesamtes Programm: www.hkw.de
Anmeldung erforderlich: anmeldung(at)hkw.de
Zeit der Unruhe. Über die Internationale Kunstausstellung für Palästina 1978
19. März - 9. Mai 2016
Pressekonferenz: 17. März, 11 Uhr
Eröffnung: 18. März, 19 Uhr