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Provokant persifliert Altındere die Sprache und Symbole der Systeme, die er kritisiert, sei es seine türkische Heimat oder der globale Kunstbetrieb. Bis 22. März 2015, Kunstpalais Erlangen.
Feb 2015Halil Altındere (* 1971 Mardin, Türkei) zählt zu den wichtigsten Protagonisten der zeitgenössischen türkischen Kunstszene. Nachdem er 2014 mit seiner Videoarbeit Wonderland (2013) bereits in der Ausstellung Affekte im Kunstpalais Erlangen vertreten war, bietet die Ausstellung Who the f*ck is Halil Altındere? nun einen vertieften Einblick in sein Werk.
In seinen Fotografien, Videos, Skulpturen und Objekten analysiert Altındere die gesellschaftliche und politische Realität seines Heimatlandes und eröffnet zugleich den Blick auf unterschiedliche Themenfelder: Tradition und Moderne, Individuum und Gemeinschaft, Staat und Bürger, Autoritäten und Kontrolle. Provokant und subversiv nutzt Altındere Sprache und Symbolik des Systems, das er kritisiert, und bezieht dabei sowohl türkische wie abendländische Traditionen der Kunst- und Kulturgeschichte in seine Werke ein.
Inspiration für seine Kunst findet Altındere nach eigener Aussage im alltäglichen Leben und auf den Straßen seiner Heimatstadt Istanbul. Mit Ironie und Humor spielt er mit Erwartungen und klischeehaften Vorstellungen. Die Mechanismen des Kunstmarktes hinterfragt er dabei ebenso wie die Rolle, die er selbst als Künstler in diesem globalisierten System spielt.
Für Dance with Taboos (ID), 1997, vergrößerte Altındere seinen türkischen Ausweis und fügte eine manipulierte Fotografie von sich ein. Das Bild zeigt den Künstler, wie er beschämt das Gesicht hinter seinen Händen verbirgt. In gleicher Geste schlägt Mustafa Kemal Atatürk sich auf einem Eine-Millionen-Lira-Schein die Hände vor das Gesicht.
Für Welcome to the land of the lost, 1998, eignet sich Altındere das Medium der Briefmarke an. Statt wie gewöhnlich Symbole nationaler Identität zu zeigen, druckt Altındere die Gesichter und Namen von Kurden und Türken auf die Marken, die während des türkisch-kurdischen Kriegs zwischen 1984 und 1999 in polizeilichem Gewahrsam verschwunden sind. Seit den 1990er Jahren gelten bis zu 17.000 Menschen als "verschwunden", unter ihnen Studenten, Kaufleute, Lehrer und Bauarbeiter.
Das erste Video der Mesopotamia Trilogy trägt den Titel Dengbêjs. Es war Altınderes Beitrag zur Documenta 12 in Kassel im Jahr 2007. Dengbêjs sind kurdische Sänger, die mit ihren Liedern die Geschichten der Gemeinschaft übermitteln. Sie berichten beispielsweise von Liebesgeschichten, aber auch von Erzählungen kollektiv bedeutsamer Ereignisse. Das Video zeigt das Treffen einer Gruppe von Dengbêjs, die nacheinander ihre Gesänge vortragen. Am Schluss tritt einer der Sänger nach draußen und die Kamera zoomt langsam von ihm weg. Ein großes Holzhaus in traditioneller Bauweise wird sichtbar. Einige Sekunden später wird klar, dass dieses Haus, dass man in einer ländlichen Region der Türkei vermuten würde, auf einem Hochhaus mitten in der Metropole Diyarbakir, einer der größten Städte im Südosten der Türkei, steht.
Die Arbeit Art is only a question of desire and signature, 2012, besteht aus einem auf über zwei Meter vergrößerten Scheck, den der Istanbuler Kunstsammler Mustafa Taviloğlu dem Künstler für eine Auftragsarbeit ausstellte. Altındere signierte den Scheck, löste ihn ein und vergrößerte ihn anschließend. Nun zum Kunstwerk geworden, gab Altındere den Scheck dem überraschten Sammler zurück, der für sein Geld ein "richtiges" Kunstwerk erwartet hatte.
Erstmals ist Altınderes jüngste Videoarbeit Angels of Hell in Deutschland zu sehen, die in Koproduktion mit dem Kunstpalais entstanden ist. Im Stil eines Actionfilms kämpfen hier zwei Banden gegeneinander. Das Treffen der Gangster wird schließlich von einem Doppelgänger des türkischen Staatsgründers Atatürk gemeinsam mit einer muskelbepackten Miss Turkey gesprengt, die mit ihrem Maschinengewehr in die Gruppe feuert. Neben diesen politischen Bezügen greift der Künstler in Angels of Hell auch Elemente der türkischen Filmgeschichte auf. So engagierte er Schauspieler, die seit den 1970er Jahren in zahllosen türkischen Filmen mitgewirkt haben, allerdings stets nur als Nebendarsteller oder Stuntmen. Mittlerweile werden sie nicht mehr für Filme engagiert.
>> Foto-Rundgang durch die Ausstellung
mit Beschreibungen der Werke und Kontextinformationen
Kuratorin: Sarah Lampe
Who the f*ck is Halil Altındere?
21. Januar - 22. März 2015