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Interview mit Hassan Meer über das neue Kunstzentrum, das zu einem Motor des Wandels in der Kunstszene Omans werden soll.
Von Anahi Alviso-Marino | Mär 2014Im Sultanat Oman gibt es ein kleines Dorf in der Nähe des Wadi bani Kharus (in Dakhiliya), in dem Intellektuelle zusammenkamen. Bis heute wird Stal, der Name des Dorfes, mit Wissen und Debatten assoziiert. Inspiriert durch dieses Erbe eröffnete im Dezember 2013 in Maskat die Stal Gallery and Studio und begann sich der Aufgabe zu widmen, einen Raum für die Förderung des Verständnisses für die visuellen Künste anzubieten, Künstleraufenthalte auszurichten und sich durch Ausstellungen, Führungen, Gespräche und Workshops für die Gemeinschaft zu engagieren. Obwohl dies aus einer lokalen Initiative hervorging, ist es das erste kulturelle Projekt der in Dubai beheimateten Al Serkal Stiftung in Oman. Es überrascht nicht, dass Hassan Meer, der künstlerische Leiter der Stal Gallery, zu den ortsansässigen Künstlern gehört, die in Oman im letzten Jahrzehnt immer wieder Debatten über neue Auffassungen von visueller Kunst ausgelöst haben.
Anahi Alviso-Marino: Nachdem sie im Jahr 2000 nach Ihrem Studium der Schönen Künste in den USA nach Oman zurückgekehrt waren, haben Sie und eine Künstlergruppe das The Circle genannte Projekt initiiert. Damit sollte die Art und Weise verändert werden, wie man Ausstellungen organisiert, Kunstwerke zeigt und das Publikum anspricht. Welche Veränderungen in der omanischen Kunstszene hat diese Initiative bewirkt?
Hassan Meer: Ich habe meinen Bachelor in Medienkunst gemacht und mein Schaffen auch durch Kurse in konzeptueller Kunst gefestigt. Als ich mein Studium im Jahr 2000 beendete, fanden weltweit viele Veränderungen in der Kunst statt, und als ich dann nach Oman zurückgekehrt war, wollte ich die neuen Kunstformen einführen, die ich als Student kennengelernt hatte. So begann ich, Ideen zu verknüpfen, mit Dichtern und anderen interessierten Leuten zusammenzukommen, und gemeinsam begannen wir ein Projekt mit dem Titel The Circle [1], das zu einer Ausstellungsreihe wurde. Zu jener Zeit, also vor vierzehn Jahren, war die Situation für die Leute in Oman und in der ganzen Region ziemlich anders, denn nur sehr wenige Künstler machten damals Installationen, nur wenige Institutionen interessierten sich dafür, solche Art von Kunst zu zeigen, und so ist unser Projekt ein guter Anfang gewesen. Wir bemühten uns auf ganz andere Weise darum, die Aufmerksamkeit und das Interesse des Publikums zu finden, und da das funktionierte, machten wir weiter. Etwas später gab es dann veränderungen in der ganzen Region. Ich denke aber, auf der ganzen Halbinsel und in der Golfregion gingen die Veränderungen schneller vonstatten, als bei uns. 2007 richteten wir die letzte Edition von The Circle aus. [2]
Seitdem hat sich wenig geändert, nur wenige Künstler aus Oman haben international ausgestellt, und die anderen können nicht von hier weg und können nicht über sich hinausgehen. Der Wechsel, den wir begonnen haben, bestand nicht darin, Kunst mit Technologie oder konzeptuellen Auffassungen zu kombinieren, sondern einfach nur eigene Ideen zu benutzen, die mit den Wurzeln unserer Kultur verbunden sind, und diese durch andere Formate zu zeigen; das war die eigentliche Herausforderung. Doch es gibt in Oman viele junge Künstler, viele Talente, die solche anderen Formate benutzen.
AAM: Das Jahr 2013 endete hier mit der Eröffnung der Stal Gallery and Studio, deren künstlerischer Leiter sie sind. Im Grunde haben sie dieses neue Projekt angeschoben, indem sie die Gedanken, die sie bis 2007 zu The Circle inspiriert hatten, wieder aufgriffen.
HM: Ich selbst habe aufgehört, im Rahmen von The Circle zu kuratieren, weil es sehr schwierig war, Orte für die Ausstellungen zu finden, und man darf keine anderen Verpflichtungen haben, wenn man das alles organisieren will. Stal Gallery ist ein neuer Raum, die Möglichkeit eines Ortes für neue Projekte, und einige der an The Circle beteiligten Künstler sind hier vertreten [3]. Dank der Al Serkal Familie aus den Vereinigten Arabischen Emiraten, die Oman die Stal Gallery gestiftet haben, eröffnen sich damit neue Möglichkeiten für die Entwicklung künstlerischer Projekte. Durch die Chancen, die diese Galerie zu bieten hat, möchte ich die Idee wieder aufgreifen, neue Dinge in Oman vorzustellen. Eines der Ziele der Stal Galerie besteht darin, jene talentierten Künstler zusammenzubringen, die ich zuvor schon erwähnte, und ihnen z.B. durch Künstlerresidenzen hier und im Ausland die Gelegenheit zu bieten, ihr Schaffen weiterzuentwickeln.
AAM: Welche Unterschiede sehen sie zwischen der Stal Gallery und anderen Galerien und Kunsträumen in Maskat?
HM: Es gibt in Maskat nur sehr wenig Galerien. Da wir eine nicht auf Gewinn ausgerichtete Organisation sind und keine kommerzielle Galerie, werden wir in der Lage sein, neue Ideen aufzugreifen und zu realisieren. Wir können neue Konzepte zeigen. Die ersten beiden Ausstellungen waren klassisch angelegt, aber wir wollen den Leuten Kunst auf neue Weise vermitteln. Außerdem wollen wir Künstlern helfen, indem wir ihnen eine angemessene Richtung weisen, wir wollen in der Lage sein, eine Orientierung zu geben, damit ihr Werk einen Wert erhält, Mittel für sie auftreiben, Material anbieten und Ausstellungen hier und ebenso im Ausland organisieren. Die Idee ist nicht kommerziell ausgerichtet. Natürlich billigen wir das Recht zu, zu verkaufen, weil Künstler ja von etwas leben müssen, aber das ist nicht das eigentliche Ziel der Galerie.
AAM: Stal Gallery ist Teil einer emiratisch-omanischen Initiative, dem Al Serkal Foundation Cultural Project. In welcher Hinsicht unterscheidet sich der künstlerische Kontext in Oman von dem in den benachbarten Vereinigten Arabischen Emiraten?
HM: Wir können den Kunstmarkt in Oman nicht mit dem in den Vereinigten Arabischen Emiraten oder in Kuwait vergleichen. Nach dem großen Erfolg der Al Serkal Avenue in Dubai (im Industriegebiet Al Quoz), weitete Al Serkal seine Projekte aus. Ahmed Al Serkal hat eine große Vision, und Oman ist ein Teil dieser Vision, hier soll ein ähnliches Modell entwickelt werden. Was die Frage nach Unterschieden und Ähnlichkeiten zwischen den Künstlern aus Oman und den Emiraten betrifft, so ist derzeit und auf individueller Ebene nichts so ganz anders. Wenn man ein talentierter Künstler ist und seine Beziehungen hat, kann man überall leben und arbeiten, das Internet und die sozialen Medien nutzen und mit Galerien und Kuratoren in Verbindung stehen, um sein Werk bekannt zu machen. In allgemeinerer Hinsicht ist Dubai aktiver. Die Golfregion an sich ist ein Businessgebiet, offen für neue Ideen. Aus diesem Grund haben die Künstler dort bessere Erfolgsaussichten als hier.
AAM: Welchen besonderen Herausforderungen haben sich visuelle Künstler in Oman zu stellen?
HM: Gewiss stehen wir hier einigen Herausforderungen gegenüber. Wenn zum Beispiel ein Kurator oder ein Sammler kommt und eine Sammlung omanischer Kunst der 1970er oder 1980er Jahre sehen möchte, ist das unmöglich: es gibt überhaupt keine Museen für Kunst. Wenn sie zeitgenössische omanische Kunst sehen wollen, stehen sie vor demselben Problem. Die Al Serkal Familie hat eine Vision, die darauf abzielt, das zu überwinden, indem ein Raum angeboten wird, wo Kunst besser zugänglich ist. Vor den 1970er Jahren lebten wir hier in einem dunklen Zeitalter. Künstler lebten entweder im Ausland oder sie machten hier einige fantastische Werke, aber all das scheint verschwunden zu sein und die Regierung hat diese Gelegenheit verpasst. Zu jener Zeit haben Omanis keine Kunst gesammelt, Expats kauften die Werke, und damit ist alles verlorengegangen. Das bedeutet, dass die jüngere Generation jetzt keinen Ort hat, wo sie hingehen könnte, um diesen Teil ihrer Kultur zu sehen. Wir sprachen über diese Notwendigkeit Anfang der 1990er Jahre, aber seitdem ist nichts passiert. Die Regierung hätte das Geld, und wenn sie ein solches Projekt wie ein Museum oder eine Stiftung in Angriff nehmen würde, hätte sie absolut nichts zu verlieren.
AAM: Welche Projekte werden Sie in der Stal Gallery in der näheren Zukunft entwickeln?
HM: Zu meinen neuesten und künftigen Projekten gehört der Gedanke der Phobie. In den letzten zwei Jahren hat es mich erschreckt zu sehen, was in der Region geschah, wie die Leute starben. Ich persönlich arbeite über Islamophobie, aber ich möchte eine Gruppe von Künstlern zusammenbringen, die sich in ihrem Schaffen mit diesem Thema beschäftigen. Ich habe dazu mit Fotografie und Film gearbeitet und möchte gern eine Installation machen. Wir sind im letzten Jahrzehnt sehr aktiv gewesen, und nun ist es an der Zeit, daran anzuknüpfen und erneut aktiver zu werden. Jetzt haben wir fantastische Rahmenbedingungen, dergleichen zu tun, einen Raum, in dem es möglich sein wird, erneut einen Wandel zu bewirken. Die Stal Gallery wird ein Ort für Künstler sein, die Veränderungen einführen wollen, und wir werden sie in dieser Richtung unterstützen.
Anmerkungen:
Anahi Alviso-Marino
Doktorandin an den Universitäten Paris 1-Sorbonne und Lausanne. Lebt derzeit in Maskat, Oman.
Künstlerischer Leiter: Hassan Meer