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Interview mit dem Künstler aus Marokko, dessen hoch attraktive Fotografien und Salon-Installationen spitze Kommentare zur Populärkultur sind.
Von Shannon Ayers Holden | Apr 2014Der Fotograf und Designer Hassan Hajjaj wurde 1961 in Larache, Marokko, geboren und lebt seit 1975 in London. 2009 hatte er es in die engere Wahl für den renommierten Jameel Preis des Victoria & Albert Museums geschafft, und 2011 wurde Hajjaj der Sovereign African Art Prize verliehen. Es bildete sich eine internationale Anhängerschaft für seine Fotografien mit ihren hintergründigen Kommentaren über Populärkultur. Gleichermaßen machte er sich einen Namen mit seinen Salon-Installationen, die wohl überlegte Übungen zu zeitgenössischem Design und nachhaltiger materieller Kultur sind.
Trotz seines überaus hektischen Terminplans beantwortete Hajjaj ein paar Fragen von Shannon Ayers Holden.
Shannon Ayers Holden: Du hast einen ganz unverwechselbaren und klar identifizierbaren Stil der Präsentation. Wie hat sich dieser entwickelt?
Hassan Hajjaj: Ich wurde in Marokko geboren und lebte dort bis ich 13 war, und dann zog ich mit meiner Familie nach Großbritannien um. Als junger Mensch in London zu sein, war eine tolle Zeit, denn dort passierte in der Musik und visuell unglaublich viel. Ich mischte in so vielen Szenen mit und absorbierte alles, was ich konnte, von Mode bis zu Underground Musikclubs. Ich arbeitete als Assistenz-Stylist, begann zu reisen, machte bei Musikvideos mit und kam und arbeitete mit einigen wirklich großartigen Leuten zusammen. Gleichzeitig habe ich meine Liebe zu Marokko nie verloren, dessen Sehenswürdigkeiten, Klänge und Energie mich damals wie heute inspirieren.
Meine Fotografien beziehen sich auf stereotype Ikonen des orientalischen Exotismus, kombiniert mit Symbolen zeitgenössischer Mode. Ich ändere dann die Interpretation dieser traditionellen orientalischen Gestaltungen durch das sehr offenkundige Übermaß an westlichen Markenmustern. Die Rahmen meiner Fotografien sind ein integraler Teil der Erfahrung des fotografischen Betrachtens. Durch die Verwendung moderner Ikonographie zur Simulation islamischer Mosaikmuster dienen die Rahmen als eine Einladung an den Betrachter und als ein farbenfroher dekorativer Kontext für das Bild selbst.
Durch meine Saloninstallationen schaffe ich einen dynamisch spielerischen Raum, in den Marken und Beschilderungen einbezogen sind und in funktionale Haushaltsgegenstände umgewandelt werden. Die Salons sind interaktive soziale Räume, in denen aus recyceltem Material gefertigten Möbel und Alltagsgegenstände die Farbigkeit und Atmosphäre eines Souk widerspiegeln.
SAH: Auf den ersten Blick wirken deine Fotografien ausgelassen und fröhlich. Sie scheinen aber auch auf einige ernste Themen wie Konsumismus, Gleichberechtigung und Feminismus hinzudeuten. Ist das beabsichtigt?
HH: Ja, ich würde sagen, das ist beabsichtigt. Zum Beispiel der Werkkomplex Kesh Angels zollt Frauen und der Ausdrucksfreiheit Tribut. Ich wollte eine andersartige Interpretation starker arabischer Frauen präsentieren. Durch mein Schaffen betone ich die Widersprüche von Bild, Stereotypen und Branding, indem ich der Ikonographie zeitgenössischer Kultur und der Konsumgesellschaft klassische Bezüge gegenüberstelle. Ich verwende und kontrastiere visuelle Elemente islamischer und europäischer Kultur zu etwas, von dem ich hoffe, dass es für den Betrachter eine unerwartet reichhaltige und verführerische Ausstattung ist. Die Frauen auf den Fotos von Kesh Angels sind dynamische, aktive Frauen, die der Religion und Tradition Respekt erweisen - und die zufällig Motorrad fahren. Es macht mir Spaß, solche Spannungen zwischen Wahrnehmung oder Vermutung und der Realität offenzulegen.
Im Falle der Serie My Rock Stars wollte ich meinen Respekt für Individuen zeigen, die mich inspirieren und meine persönlichen Rockstars und Helden sind. Dabei handelt es sich um ganz normale Leute, die nicht berühmt sind, mir aber unglaublich viel bedeuten. Neben dem Respekt, den ich mit diesen Fotos den Personen erweise, war ich dabei auch durch afrikanische Studiofotografen inspiriert, vor allem durch Samuel Fosso und den legendären Malick Sidibé.
SAH: Dein Schaffen erstreckt sich über viele Plattformen - Design, Mode, Fotografie, Film. Bevorzugst du ein bestimmtes Medium gegenüber den anderen?
HH: Ich liebe Fotografie, aber ich muss sagen, Design ist meine große Liebe, weil es mich mit einem enormen Gefühl von Freiheit und Kreativität erfüllt. Im Falle von Kesh Angels und My Rock Stars habe ich alle von den Personen auf den Fotos getragenen Kleidungsstücke entworfen, und ich habe auch die Sets gestaltet, die wir als Hintergrund benutzten.
Was den Film betrifft, so bin ich noch dabei, mit dem Medium zu experimentieren, wie man in My Rock Stars Experimental Volume I sehen kann, einem 3-Kanal-Video als Komplement zur Fotoserie. Es wurde kürzlich vom LACMA (Los Angeles County Museum of Art) angekauft. Egal mit welchem Medium - Fotografie, Film oder Installation -, mir geht es darum, die dynamische Beziehung zwischen dualen Kulturen zu untersuchen, seien es der Orient und der Okzident, Afrika und der Nahe Osten, Immigranten und Einheimische. Auf diese Weise schaffe ich aus den beiden Kulturen eine neue Ästhetik, die sowohl fröhlich als auch respektvoll ist.
SAH: Die Serie My Rock Stars wurde von der Kritik hoch gelobt. Was sind deine nächsten Vorhaben?
HH: Es freut mich sehr, dass die Serie so positiv aufgenommen wurde. Ich werde daran in Kapiteln weiter arbeiten, denn ich habe viel mehr Freunde, die Rockstars sind und die ich dem Publikum vorstellen möchte. Ich möchte dokumentieren, wer sie sind und wo sie sich in einem bestimmten Moment ihres Lebens befinden. Ich werde diese Serie also fortsetzen.
Ich werde mich auch weiter an Projekten beteiligen, von denen ich glaube, dass sie hinsichtlich des Konzepts und der Umsetzung einzigartig sind. Vor kurzem nahm ich an eine Gruppenausstellung der Sharjah Art Foundation in den Vereinigten Arabischen Emiraten teil. Unter dem Titel Chaos Into Clarity: Re-Possessing A Funktioning Utopia präsentierte die Schau das Schaffen von drei Künstlern der afrikanischen Diaspora. Es gibt definitiv eine strategische Beziehung zwischen Afrika und der arabischen Welt, wie meine eigene Herkunft belegt, und deshalb war ich von dieser speziellen Untersuchung fasziniert. Ich zeigte eine Salon-Installation, die gut und gerne das Ambiente eines afro-amerikanischen Treffpunkts oder eine karibische Teestube sein könnte. Die visuellen Elemente und Prüfsteine sind sehr ähnlich.
SAH: Was inspiriert dich?
HH: Alles! Musik, Kunst, Film, Essen, Reisen. Farbe, Lärm, Gefühle und meine Rockstars inspirieren mich. Ich werde durch alles inspiriert. Irgendwann gehen alle diese Dinge in mein Werk ein. Mein Stil oder meine Ästhetik ist ein Amalgam all dieser Einflüsse, Musik, Mode, London, Marokko, sowie die Leute - Weltbürger -, die ich auf meinem Trip durchs Leben getroffen habe.
Shannon Ayers Holden
Freischaffende Kuratorin und Autorin, lebt in Dubai, Vereinigte Arabische Emirate.