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Interview mit Antonia Carver, Messedirektorin der Art Dubai, über Konzept, Entwicklung, Programm und Sektionen der Messe. Mit großer Fototour.
Von Pat Binder & Gerhard Haupt | Mär 2014Pat Binder & Gerhard Haupt: Als 2010 deine Ernennung zur Messedirektorin der Art Dubai veröffentlicht wurde, warst du bis dahin vor allem als Autorin für Kunst und Film, Herausgeberin und Organisatorin von Kunst- und Bildungsprojekten bekannt. Hattest du explizit die Aufgabe gestellt bekommen, die Rolle der Kunstmesse als Motor des Kunstgeschehens in Dubai und dessen internationaler Vernetzung zu stärken? Immerhin hat Dubai auch auf diesem Gebiet große Ambitionen, was sich in den Plänen für das gigantische kulturelle Entwicklungsprojekt Khor Dubai 2008 äußerte, die noch im selben Jahr wegen der Finanzkrise aufgegeben werden mussten.
Antonia Carver: Eine der größten Herausforderungen dieses Jobs, die ihn aber auch so interessant machen, ist die Notwendigkeit eines 360-Grad-Blicks auf die Kunstwelt: von wichtigen Mäzenen und hochrangigen Sammlern über Institutionen und Museen, die Welt des Marktes und der Galerien, bis hin zur ganzen Bandbreite der nicht-kommerziellen Kunstszene - Projekte, Gespräche, Bildungsprogramme. Gerade diese Vielfalt macht es so interessant, und das ist ein expliziter Teil der Identität der Messe.
Die Vielfalt entsteht durch Programmarbeit - die oben erwähnte Bandbreite -, aber auch durch das fortwährende Nachdenken darüber, wie wir anders sein können, wie wir unter so vielen Messen, Biennalen und anderen Veranstaltungen in aller Welt für uns eine einzigartige Identität herausarbeiten können. Selbst bei den Bildungsprogrammen bemühen wir uns um das größtmögliche Angebot - von spannenden und innovativen Kinderprojekten (dieses Jahr gibt es im Sheikha Manal Programm für Kleine Künstler einen Workshop mit dem Sound-Künstler Dylan Martorell) bis zum Aufwerfen einiger der drängendsten Fragen unserer Zeit im Rahmen des Global Art Forum.
Und ja, die Messe strebt nach einer Verknüpfung zwischen dem Lokalen und dem Globalen, und Jahr für Jahr sehen wir eine größere Präsenz von in den Vereinigten Arabischen Emiraten lebenden Künstlern, Kuratoren, Besuchern. Wir glauben, eine Messe wie die unsere kann beim Wachsen der lokalen Kunstszene als Katalysator agieren sowie deren außerordentliche Entwicklung in den letzten 8 Jahren wiederspiegeln.
B & H: Was sind deine größten Herausforderungen gewesen? Ist es nicht eine heikle Gratwanderung, für den kommerziellen Erfolg einer Kunstmesse sorgen zu müssen und gleichzeitig künstlerischen und Bildungsansprüchen gerecht zu werden, die weitgehend unabhängig von Marktinteressen sein sollten?
AC: Ja, manchmal ist das schon eine Gratwanderung - aber ich bin mir sicher, das betrifft alle Leiter von Messen oder Institutionen! Es geht darum, die kommerziellen Interessen von Galerien (und natürlich von Künstlern - oft vergessen wir, dass auch sie essen müssen) und Sponsoren zu berücksichtigen und zugleich Räume für Debatten und für Künstler zu öffnen, damit diese interessante Werke schaffen, experimentieren können. Aber letztendlich ist ein starkes, auf Künstler orientiertes, diskursives Umfeld für alle von Vorteil - und wir bemühen uns, mit Sponsoren und Regierungsstellen zu arbeiten, die das anerkennen und fördern. Ich denke, in der Kunstwelt von heute sind das Kommerzielle und das Nicht-Kommerzielle nicht so strikt voneinander zu trennen - und da eine Kunstmesse wie die Art Dubai alle Akteure der Kunstszene (Künstler, Galeristen, Sammler, Institutionen, Kuratoren, Kritiker usw.) anzieht, ist sie vielleicht der geeignete Ort, um diese Beziehungen zwischen Kommerziellem und Nichtkommerziellem auszuloten.
B & H: In welche Richtung hat sich das Angebot der auf der Messe vertretenen Galerien mittlerweile konsolidiert? Welches sind die hauptsächlichen Käufergruppen, woher kommen sie?
AC: Als die Messe 2007 begann, war die Rede viel von "Osten trifft Westen" - vielleicht eine Altlast der Nach-9/11-Ära. Im Laufe der Jahre verschob sich der Diskurs und heutzutage schauen wir mehr auf die Beziehungen, die durch Dubai als ein Zentrum des Handels, Transports und der Kommunikation (und zunehmend auch der Kultur) zustande kommen. Die in diesem Jahr beteiligten Galerien stammen aus 34 verschiedenen Ländern, was uns zu einem der "globalsten" Treffpunkte der Kunstwelt macht. Die Bilanz der Herkunftsorte der Galerien ist in den letzten 3 bis 4 Jahren die gleiche geblieben: etwa ein Drittel kommt aus dem Nahen und Mittleren Osten und Südasien, ein Drittel aus Europa und ein Drittel aus den Amerikas, Afrika und Ostasien. Aber etwa die Hälfte der vertretenen Künstler stammt aus dem Nahen und Mittleren Osten und Südasien - und während der Existenz der Messe haben wir eine wachsende Zahl an Künstlern aus diesen Teilen der Welt gesehen, die international vertreten sind.
Wir erhalten viel Unterstützung durch einen "Grundstock" an Sammlern aus den VAE und anderen Golfstaaten sowie aus dem Nahen und Mittleren Osten überhaupt, die immer wieder zur Messe kommen. Und dann ist da eine loyale und höchst sachkundige Gruppe von Sammlern aus der nahöstlichen Diaspora, deren Familien womöglich schon seit Generationen Kunst sammeln und denen die Art Dubai jetzt als ihre "Heimatmesse" gilt. Wir haben es uns zum Ziel gesetzt, attraktiv für Direktoren und Kuratoren von Museen und deren Gruppen zu sein und arbeiten mit ihnen, um maßgeschneiderte Reisen durch die VAE und die Golfregion anzubieten - und Kommentatoren haben unter den Besuchern der Art Dubai eine im Vergleich zu anderen größeren Messen ungewöhnlich große Zahl an Institutionen festgestellt. Natürlich versteht sich die Mehrzahl der großen Museen mehr als internationale statt als nationale Institutionen: Art Dubai ist ein Punkt, an dem sie einer Menge an Künstlern, Ideen, interessanten Leuten begegnen, die in die diversen Kunstszenen des Nahen und Mittleren Ostens, Asiens und in zunehmendem Maße Afrikas involviert sind.
B & H: 2014 wird es mit "Art Dubai Modern" eine neue Sektion geben, die der modernen Kunst des Nahen und Mittleren Ostens und Südasiens gewidmet ist. Warum wurde dieses neue Marktsegment aufgenommen? Soll die Art Dubai damit gegenüber der Konkurrenz anderer Messen etwa in Abu Dhabi oder Istanbul gestärkt werden?
AC: An die Entwicklung dieser neuen Sektion haben wir schon eine ganze Weile gedacht, und die Idee dazu entstand aus Diskussionen mit Galerien, Künstlern und besonders mit Institutionen. Wir hatten das Gefühl, es sei wichtig zu zeigen, wo die Künstler und Ideen von heute herkommen - also die einflussreichen Künstler der 1940 bis 1990er Jahre, die heutige Generationen inspiriert und ausgebildet haben. Viele internationale Institutionen sind mit dem Nahen/Mittleren Osten und Südasien zuerst durch zeitgenössische Kunst in Kontakt gekommen, und jetzt arbeiten sie sich durch die Geschichte zurück und bringen die großen europäischen Künstler des zwanzigsten Jahrhunderts mit deren Kollegen in Verbindung, die zur selben Zeit in solchen dynamischen Städten wie Beirut, Kairo, Amman, Teheran, Karatschi, Bombay etc. künstlerisch tätig waren. Wir kooperieren dabei mit einigen außergewöhnlichen Kuratorinnen und Historikerinnen, die alle Expertinnen auf diesem Gebiet sind - Nada Shabout, Kristine Khouri, Savita Apte, Catherine David -, um eine Reihe von Einzel- und Zweipersonen-Ausstellungen zusammenzustellen, was im engen Kontakt mit den jeweiligen Galerien geschieht. Einige der Künstler, die im Rahmen der Art Dubai Projects Aufträge erhalten haben - darunter Clark House Initiative und Najat Makki - entschieden sich dafür, in ihren ortsspezifischen Werken auch diesen Bereich zu erkunden. Und das Thema beeinflusst auch einige der Überlegungen für das Global Art Forum dieses Jahres mit dem Titel "Meanwhile...History".
Bei all unseren Programmen und Entwicklungen bemühen wir uns darum, an die Art Dubai und unsere Klientel der Galerien, Künstler, Kuratoren, Sammler zu denken, sowie daran, wie wir die Messe am besten wachsen lassen können, statt uns mit anderen zu vergleichen. Als die Art Dubai 2007 begann, war sie die erste internationale Messe in dieser Region, erst danach kamen Hongkong, Delhi, Marrakesch, Abu Dhabi, Beirut - was die starke ökonomische und kulturelle Verlagerung ostwärts erkennen lässt -, und solche komplementären und vielfältigen Veranstaltungen sind zu begrüßen.
B & H: Seit 2012 werden in der kuratierten Sektion "Marker" einige Galerien aus bestimmten Ländern oder Regionen vorgestellt. Nach Indonesien und Westafrika sind 2014 Zentralasien und der Kaukasus an der Reihe. Nach welchen Kriterien wird der jeweilige Marker-Fokus ausgewählt? Wie weit soll der geographische Bogen dafür gespannt werden? Kommt der damit angestrebte kulturübergreifende Austausch tatsächlich mit einer gewissen Nachhaltigkeit zustande?
AC: Slavs and Tatars kuratieren in diesem Jahr Marker, was gewiss die bislang ambitionierteste Edition ist: in die Hauptsektion von Marker sind fünf Organisationen involviert, weitere zwei steuern Werke bei, zusätzlich gibt es eine neue Reihe Künstlerbücher, veröffentlicht von One-Star Books, des weiteren ein von der Caspian Arts Foundation gefördertes Bildungsprogramm.
Durch Marker fokussieren wir uns auf Regionen oder Themen, die auf der internationalen Bühne unterrepräsentiert sind, aber enge Verbindungen (durch die Geschichte, Handel, Religion, Sensibilität) zur Golfregion und Dubai haben. Die beiden diesjährigen Regionen sind natürlich riesig groß, aber wir haben besonders nach dynamischen Organisationen Ausschau gehalten, die mit wirklich interessanten Künstlern arbeiten und versuchen, etwas Frisches zu präsentieren. Auf diese Weise versinnbildlicht Marker die Rolle der Art Dubai als einer "Messe der Entdeckungen".
Ein spezielles Ziel besteht darin, beim Vorwärtskommen eine Art des "Dranbleibens" entstehen zu lassen. Die Verbindungen zu Indonesien sind erhalten geblieben und gewachsen - so waren die Golfstaaten der Fokus der letzten Jogja Biennale - und unsere Verbindungen zu Westafrika entwickeln sich ständig weiter. Auch bei Zentralasien und der Kaukasusregion hoffen wir auf dieselbe Langzeitwirkung.
Art Dubai
19. - 22. März 2014
Ort:
Madinat Jumeirah
Al Sufouh Road, Umm Suqeim
Exit 39 (Interchange 4) von Sheikh Zayed Road
Download - Highlights der Art Dubai 2014
Pat Binder & Gerhard Haupt
Herausgeber von Universes in Universe - Welten der Kunst. Leben in Berlin.
Art Dubai
19. - 22. März 2014
Ort:
Madinat Jumeirah
Al Sufouh Road, Umm Suqeim
Exit 39 (Interchange 4) von Sheikh Zayed Road