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Die Gründer N. Adipurnomo und M. Jaarsma über ihr Konzept und Probleme in der Kunstszene Indonesiens.
Von Christina Schott | Feb 2013Am 31. Januar 1988 gründeten die Künstler Mella Jaarsma und Nindityo Adipurnomo das Cemeti Art House in der indonesischen Kulturmetropole Yogyakarta. Das holländisch-javanische Ehepaar führte damit nicht nur den Begriff "kontemporär" in die indonesische Kunstwelt ein, sondern initiierte die erste Galerie in Indonesien, die junge Künstler über einzelne Ausstellungen hinaus unterstützt und sie auch im Ausland bekannt macht. 1995 folgte die Gründung der Yayasan Seni (Kunststiftung) Cemeti, die sich um die Archivierung und Dokumentation des indonesischen Kunstgeschehens bemüht und vor wenigen Jahren in das unabhängige Indonesian Visual Art Archive (IVAA) überführt wurde. Sein 25-jähriges Bestehen feiert das Cemeti Art House 2013 mit dem Jahresprogramm "Turning Targets", das von Ausstellungen der Sammlung und des Archivs der Galerie über partizipatorische Projekte verschiedener Kunstdisziplinen bis hin zu Foren für junge Kuratoren und Kunstmanager reicht.
In diesem Interview für Nafas reden die Cemeti-Gründer über Kommerz, Politik und Nachwuchsprobleme in der indonesischen Kunstszene.
Christina Schott (C.S.): Inwiefern hat sich das Konzept des Cemeti Art House in den vergangenen 25 Jahren verändert?
Mella Jaarsma (M.J.): Als Cemeti eröffnete, gab es in Yogyakarta nur vier Galerien, die Künstlern lediglich ihre Räume zur Verfügung stellten. Wir dagegen wollten unsere Künstler auch langfristig fördern und indonesische Kunst im Ausland bekannt machen. Anfangs lief das vor allem über private Kontakte, und wir haben die Werke noch im Fluggepäck transportiert. Mit dem Begriff "kontemporär" wollten wir uns damals von den traditionellen Künstlern unterscheiden. Unter modernen Kunstgalerien verstand man damals Batikshops.
Nindityo Adipurnomo (N.A.): Vor 25 Jahren glaubten die Leute noch, dass Kunst nur die schönen Aspekte des Lebens zeigen und vor allem unterhalten soll. Wir wollten damals das Bewusstsein dafür wecken, dass Kunst auch ein wichtiges Medium im Umgang mit sozialen Konflikten sein kann. Ganz im Gegensatz dazu geht es heute hauptsächlich um kommerzielle Aspekte. Die Bedeutung von Kunst wird immer häufiger am wirtschaftlichen Erfolg gemessen. Dabei geraten der konzeptuelle Hintergrund und die soziale Idee zunehmend ins Hintertreffen.
M.J.: Da junge Künstler mittlerweile genügend Möglichkeiten haben, sich zu vermarkten, richten wir unseren Fokus jetzt mehr auf den künstlerischen Arbeitsprozess. Seit 2010 haben wir den normalen Ausstellungsbetrieb eingestellt und konzentrieren uns vor allem auf interdisziplinäre und interkulturelle Aufenthaltsprogramme. Mit unserem Jubiläumsprogramm wollen wir die junge Generation provozieren und neue Entwicklungen anstoßen: "Turning Targets" - die Zielsetzungen umkehren.
C.S.: Wie würden Sie die junge indonesische Kunstszene heute charakterisieren?
N.A.: Am besten mit dem Titel unseres Programms zum 25. Cemeti-Jubiläum: "Exploring Vacuum". Und das Vakuum zu erforschen, ist eine wirklich schwierige Aufgabe...
M.J.: Die jungen Künstler von heute geben sich viel zu schnell zufrieden. Wenn das Einkommen stimmt, bemühen sie sich nicht weiter, nach einem tieferen Sinn zu suchen – so spielen sie vor allem mit der Ästhetik von Objekten. Ironischerweise bekommt die indonesische Kunstszene ausgerechnet heute viel mehr Aufmerksamkeit.
C.S.: Und das war früher anders?
M.J.: Früher waren einige - für uns die wichtigsten - Künstler noch sozial und politisch motiviert. Vor der Reformasi [Umsturz des autoritären Suharto-Regimes 1998, Anm. d. Red.] waren wir immer tief beeindruckt von kritischen Werken. Um die Zensur zu umgehen, war Cemeti damals noch nicht als Kunstorganisation, sondern als Unternehmen registriert. Dennoch hat der Geheimdienst bei jeder Ausstellungseröffnung verdeckte Ermittler geschickt, aber die konnten zumeist nichts mit den Werken anfangen. Nach der Demokratisierung sind politische Themen dann auf einmal zum Trend geworden. Heute gibt es keinen Feind mehr –die Künstler werden bequem.
C.S.: Welche Herausforderungen ergeben sich daraus?
M.J.: Wir müssen verhindern, dass Kunst nur noch als kommerzielles Produkt angesehen wird. Ich glaube nach wie vor an die soziale Bedeutung von Kunst - gerade in einem Land wie Indonesien. Kunst hat viel mit Bildung zu tun und hilft den Menschen, alternative Perspektiven zu erkennen und zu akzeptieren. Darum ist es so wichtig, immer weiter mit der Bevölkerung zu kommunizieren und sei es nur im kleinen Rahmen. So können wir die Meinungsfreiheit aufrechterhalten.
N.A.: Im Grunde müssen wir unser eigenes Publikum wiederentdecken. Viele sehen in der Globalisierung die Möglichkeit, lokale oder nationale Produkte einfach auf den internationalen Markt zu bringen. Dabei vergessen sie, dass die eigene Kunstszene und ihr Publikum weiterhin Unterstützung benötigen, damit eine neue Generation von Künstlern, Kuratoren und Rezipienten heranwachsen kann. Im Rahmen unseres Jubiläumsprogramms wollen wir genau auf diese Problematik eingehen.
C.S.: Wäre Kulturförderung nicht eigentlich Aufgabe des Staates?
M.J.: Es gibt in Indonesien weder staatliche Museen noch eine Infrastruktur für zeitgenössische Kunst. Insofern sind unabhängige Kulturorganisationen bislang die einzige Alternative zu kommerziellen Galerien. Diese wurden bislang hauptsächlich aus dem Ausland unterstützt, auch Cemeti. Nun ist es an der Zeit, dass indonesische Sponsoren allmählich begreifen, wie sehr sie von einer lebendigen Kunstszene profitieren könnten. Um der Regierung die Wichtigkeit nicht-kommerzieller Kunstprojekte nahe zu bringen, haben wir mit etwa 20 anderen Kulturorganisationen die Koalisi Seni Indonesia (Indonesische Kunstkoalition) gegründet.
N.A.: Die Situation hat sich etwas verändert, weil die indonesische Regierung mittlerweile gemerkt hat, dass die hiesige Kunstszene durchaus wirtschaftliches Potenzial als kulturelle Industrie hat - auch im internationalen Wettbewerb. Unsere große Hoffnung ist, dass staatliche Institutionen als nächsten Schritt auch die sozialen und kulturellen Leistungen der zeitgenössischen Kunst anerkennen und diese unterstützen wollen, ohne inhaltliche Richtlinien festzulegen.
C.S.: Wie sehen Sie die Rolle des Cemeti Art House in der Zukunft?
M.J.: Cemeti wird zum Projektraum, der jungen Kunstschaffenden Platz für neue Ideen, Recherchen und kritischen Diskurs bietet. Der Schwerpunkt liegt darauf, dass unterschiedliche Disziplinen miteinander im Dialog bleiben und sich voneinander inspirieren lassen. Auch in unseren Aufenthaltsprogrammen geht es vor allem um den Austausch von Ideen und den gemeinsamen Arbeitsprozess. Und damit sich nicht immer alles auf Yogyakarta und Java konzentriert, wollen wir bei unseren Programmen in Zukunft mehr mit Künstlern und Sozialwissenschaftlern auf anderen Inseln Indonesiens zusammenarbeiten.
Christina Schott
Arbeitet seit 2002 von Jakarta aus als freie Südostasienkorrespondentin für deutsche Medien. Mitbegründerin des Korrespondentennetzwerks weltreporter.net
Cemeti Art House
von dem Künstler und der Künstlerin
Nindityo Adipurnomo & Mella Jaarsma
am 31. Januar 1988 gegründetes
unabhängiges Kunstzentrum