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Künstlerischer Dialog über Mode, Sport, Afrika und seine Diaspora. Workshops, Wanderausstellung, Konferenzen, initiiert und organisiert vom ifa.
Von Dietrich Heißenbüttel | Jul 2012"Boubou" nennt Zille Homma Hamid ihre Arbeit: ein ärmelloses, rechteckiges Gewand, das in der Ausstellung über einer Holzstange hängt. Auf einem Foto führt eine Frau am Strand von Dakar den Gebrauch vor. Sie trägt darüber einen mantelartigen Überwurf aus einer gemusterten Webdecke, die Hamid in Dakar erworben, der sie Ärmel angenäht hat und die auch als Gebetsteppich nutzbar sein soll. Schließlich gehört das Gebet fünfmal am Tag im Islam, dem im Senegal mehr als 90 Prozent der Bevölkerung angehören, zu den religiösen Pflichten.
Traditionell ist der senegalesische Boubou allerdings weiter und länger und wird in der Regel von Männern getragen. Der indigoblau gefärbte Stoff sieht fleckig aus, Hamid hat ihn stellenweise gebleicht. Der Blick der deutschen Modedesignerin pakistanischer Herkunft auf senegalesische Textilien erinnert gleichwohl an alte, europäisch-afrikanisch-asiatische Beziehungen. Indigo wird in Westafrika nicht aus dem in Indien beheimateten Indigostrauch gewonnen, sondern aus einer einheimischen Pflanze. Baumwollgewebe aus Südasien wurden jedoch schon vor Jahrhunderten nach Westafrika gehandelt. Blau-weiße, geometrisch gemusterte Stoffe, wie sie Hamid für den Mantel verwendet, sind in einer kombinierten Stick- und Färbetechnik hergestellt. Sie begannen vor rund 200 Jahren aufwendige westafrikanische Webstoffe zu ersetzen, mit denen die Portugiesen bereits im 16. Jahrhundert entlang der afrikanischen Küsten gehandelt hatten.
Die schlichte Arbeit der Modedesignerin, ausgestellt in den ifa-Galerien in Stuttgart und Berlin, zeigt die Komplexität der Beziehungen zwischen dem afrikanischen und dem europäischen Kontinent – und auch der islamischen Welt. Afrikanische Gegenwartskunst ist seit 1989 regelmäßig in internationalen Ausstellungen vertreten. Dennoch bleiben die Länder südlich der Sahara unterrepräsentiert. Dies hat eine ganze Reihe von Gründen, zu denen Mängel in der künstlerischen Ausbildung, begrenzter Zugang zu neuen Technologien und Diskussionen, Einschränkungen der Reisefreiheit oder die weit gehende Abwesenheit einer staatlichen Kunstförderung in diesen Ländern gehören. Dahinter stehen enorme wirtschaftliche Ungleichgewichte, die dazu führen, dass größere Ausstellungen in aller Regel von europäischen Institutionen organisiert oder jedenfalls finanziert werden. Dazu kommt, dass lange Zeit auf beiden Seiten die Vorstellung bestand, "afrikanische Kunst" müsse irgendwie wesensmäßig anders sein als die aus Europa. Ausstellungen wie "Afrika Remix" (2004 - 2007) [1], die an die Stelle älterer Ausstellungen zur "Kunst eines Kontinents" getreten sind, produzieren noch immer ein Bild des afrikanischen Kontinents, das Afrikaner selbst weder zu sehen bekommen noch unbedingt teilen.
Am Anfang des Projekts "Prêt-à-partager" [etwa: bereit zu teilen] stand der Wunsch, einen anderen Weg zu gehen. Erstmals im November 2008 trafen Künstler/-innen und Modedesigner/-innen aus verschiedenen afrikanischen und europäischen Ländern in Dakar, der Stadt der Kunstbiennale und der Modeschöpferin Oumou Sy, zu einem Workshop zusammen. Ziel war nicht, Werke für den globalen Ausstellungsbetrieb zu produzieren, sondern über die Grenzen der Länder, Kulturen und Disziplinen hinweg einen Austausch anzuregen. Modedesignerinnen wie Ndiaga Diaw oder Nafisssatou Diop trafen auf zeitgenössische Künstlerinnen und Künstler wie Astrid S. Klein, Goddy Leye oder Zille Homma Hamid und auf Fotografen wie Akinbode Akinbiyi, Nontsikelelo "Lolo" Veleko oder Simone Gilges. Ein Jahr später wurden die Ergebnisse in Dakar gezeigt. Maputo, Lagos, Kapstadt, Accra und Douala waren die nächsten Stationen, wo jeweils auch Workshops zu verschiedenen Themen die Ausstellung ergänzten, etwa von der deutsch-ghanaischen Modedesignerin und Künstlerin Zohra Opoku zu den Themen Altkleiderhandel in Lagos oder "WoMen on Bikes" in Accra.
Auch die beiden Ausstellungen in Deutschland waren wieder begleitet von Workshops und Konferenzen. Fragen der Identität beschäftigten, wie bereits in Johannesburg, Ulé Barcelos und Philip Metz mit Schülern in Stuttgart. Woher ein T-Shirt kommt, das in Berlin verkauft wird, und wohin es im Altkleiderhandel gelangt, untersuchte Opoku mit Kindern in Berlin. Unter dem bezeichnenden Titel "Where We Meet" trafen Gründer und Leiter einiger der wichtigsten afrikanischen Kunsträume zu einem Symposium zusammen. Einen Austausch herzustellen und Anstöße zu geben gehört zu den wesentlichen Anliegen des Projekts. Dies in einer Ausstellung zu vermitteln, bleibt schwierig. Schaufensterpuppen, textile Installationen, sehr viele Fotos in Farbe und Schwarzweiß sowie Videos von den Workshops machen zwar deutlich, worum es geht, können jedoch die Situationen, auf die sie verweisen, nur begrenzt erfahrbar machen.
Teilnehmer/innen der Doppelausstellung in den ifa-Galerien Berlin und Stuttgart 2012:
Akinbode Akinbiyi
Ule Barcélos
Ndiaga Diaw
Naffisatou Diop
Simone Gilges
Mamadou Gomis
Zille Homma Hamid
Astrid S. Klein
Goddy Leye
Philip Metz
Lambert Mousseka
Zohra Opoku
Friedrich M. Ploch
Athi-Patra Ruga
Lolo Veleko
Weitere Informationen siehe bitte
>> Prêt-à-partager - Website des ifa
Anmerkung:
Dietrich Heißenbüttel
Kunsthistoriker und Kritiker, lebt in Esslingen, Deutschland. Website: www.artwritings.de
Kuratorinnen:
Elke aus dem Moore
Sandrine Micossé
Stationen des Projekts, 2009 - 2012:
Dakar, Senegal
Galerie Le Manège
29. Sept. - 13. Okt. 2009
Maputo, Mosambik
Fortaleza
5. Febr. - 5. März 2010
Lagos, Nigeria
Center for Contemporary Art (CCA)
3. - 18. Juli 2010
Kapstadt, Südafrika
14. Okt. - 7. Nov. 2010
Accra, Ghana
Nubuke Foundation
4. - 17. September 2011
Douala, Kamerun
space doual’art – centre d’art contemporain
13. Jan. - 3. Febr. 2012
Deutschland, ifa-Galerien
Berlin, 27. April - 8. Juli 2012
Stuttgart, 4. Mai - 1. Juli 2012
Addis Abeba, Äthiopien
Goethe-Institut
18. Sept. - 5. Okt. 2012
prêt-à-partager
Transnationaler künstlerischer Dialog über Mode, Sport, Afrika und seine Diaspora
Ein Projekt initiiert und organisiert vom ifa.
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