Für eine optimale Ansicht unserer Website drehen Sie Ihr Tablet bitte horizontal.
Rezension der 7. Edition der internationalen Kunstmesse, 22. - 25. November 2012; mit Fotos von der Veranstaltung.
Von Ingo Arend | Dez 2012"The most extensive Art fair". Um Superlative ist die Istanbuler Kunstmesse Contemporary Istanbul (CI) nie verlegen. Vor zwei Jahren rief die 2006 zum ersten Mal veranstaltete Messe für Gegenwartskunst die "New Art Destination" aus, wollte gar zum "Zentrum der Kunstwelt" aufsteigen. In diesem Jahr sollte sie die aufwändigste sein. Bewiesen ist mit solchen Slogans nur eins: Ohne kalkulierte Hybris gelingen am Kunstmarkt keine Geschäfte.
Rein quantitativ kann sich die Bilanz der 7. Ausgabe sehen lassen. Mit 102 Galerien, die 612 Künstler vertraten, und mit 68.000 Besuchern hat die Beteiligung an der noch bis vor kurzem unbedeutenden Regionalmesse in diesem Jahr einen neuen Höhepunkt erreicht. Im Gründungsjahr 2006 kamen 49 Galerien mit insgesamt 150 Künstlern und 37.000 Besucher in die Ausstellungshallen des Lütfi-Kirdar-Kongress-Zentrums am Fuße des eleganten Stadtteils Nisantasi.
In den Blue-Chip-Bereich ist die CI damit noch nicht aufgestiegen. Dazu reicht es nicht aus, dass mit 57 Galerien über 50 Prozent der Aussteller aus dem Ausland kamen, mit Haunch of Venison (London) und Marlborough (New York) zwei Global-Player dabei waren, Hochpreisiges angeboten wurde wie Andy Warhols Portrait of Barbara Molanksy für 5,2 Millionen Dollar bei der Galerie Cordeiros (Porto) oder Jean Michel Basquiats 3,2 Millionen Dollar teures Werk Logo, mit dem die Opera Galerie (Genf) auftrumpfte.
Mit Umsatzzahlen unter 40 Millionen liegt die CI immer noch weiter hinter Basel und London zurück. Trotz der Tatsache, dass sie sich schon im vergangenen Jahr ein Design nach dem Vorbild der Art Basel verpasste, ein aufwändiges VIP-Programm veranstaltete und zum zweiten Mal eine Dialog-Reihe mit Rednern wie dem amerikanischen Konzeptkünstler Joseph Kosuth durchführte. Aus dem Kunstmekka Berlin beispielsweise war keine wichtige Galerie vertreten.
Dabei wären die angestrengten Klimmzüge der Messe in Richtung Internationalität gar nicht nötig, wenn sich die Contemporary Istanbul auf das konzentrieren würde, was sie unterscheidbar machen könnte: Ein Drehkreuz für den Nahen und Mittleren Osten, Zentralasien und die Länder des ehemaligen ottomanischen Einflussgebietes zu werden. Galerien aus Ländern wie Ägypten oder dem Libanon suchte man jedoch vergeblich. Nur aus Dubai war die Fotogalerie The Empty Quarter vertreten.
Europäische Galerien mit Leitfunktion für diese Regionen kamen dann doch nicht, wie die zunächst angekündigte Galerie Rose Issa (London). Die in diesem Jahr alternativ gewählten Länderschwerpunkte zu Osteuropa und den Niederlanden boten dagegen nicht die "Neuen Horizonte", die in den zwei Jahren zuvor wenigstens ansatzweise die zu den Golf-Staaten oder dem Iran eröffnet hatten.
Die Dominanz großflächiger Malerei war ein Zeichen für die durchschnittliche Qualität der gezeigten Werke. Klassikern wie Devrim Erbil mit seinen Istanbuler Städtebildern (Olcayart) oder dem auch schon etwas abgestandenen Moderne-Pionier Bedri Baykam (Piramid Istanbul) standen nur wenige kritische Gegenwartskünstler wie Sener Özmen (Pilot), Burhan Kum (The Empire Project) oder Sükran Moral (Zilberman) gegenüber. Viele Galerien bedienten orientalistische Sehnsüchte oder den populären Geschmack der kaufkräftigen türkischen Mittelschichten.
Beispielhaft dafür: Die Derwisch-Variationen des türkischen Fotografen Mehmet Günyeli (Narart/Pages) oder die lebensgroßen Bonbon-Statuen der französischen Bildhauerin Laurence Jenkell (Artam Global Art). Ob die Messe etwas an der oft beklagten Mentalität der türkischen Sammler geändert hat, bevorzugt türkische Künstler zu erwerben, ist schwer zu sagen. Immerhin verkaufte die Istanbuler Galerie Dirimart das Bild Bangkok No.4 des deutschen Künstlers Andreas Gursky für 450.000 Euro an einen einheimischen Sammler.
Die CI Contemporary ist das Paradebeispiel einer Messe, deren plötzliches Wachstum von der Hoffnung auf künftige Profite, Käufer und Künstler gespeist wird. Gründe dafür sind der ökonomische Boom am Bosporus und die rapide Ausweitung des türkischen Kunstsystems. Neben der Zahl der reichen türkischen Sammler steigt auch die der Absolventen von immer mehr Kunsthochschulen und Universitäten. "Wir sind zum Hub geworden und müssen damit umgehen", rechtfertigte Hasan Bülent Kahraman, ihr Generalkoordinator, auf der Eröffnungspressekonferenz die Expansion der Messe. Parallel zu dieser wurde mit der Artistanbul in diesem Jahr erstmals eine Kunstwoche aller wichtigen Kunstinstitutionen der Stadt nach Vorbild des Berliner Kunstherbstes veranstaltet.
Wie weit die Spekulationen über Istanbul als lukrativen Hot Spot des Kunstmarktes gediehen sind, verdeutlicht auch die Ankündigung einer unbekannten Investorengruppe, für den Herbst 2013 eine Konkurrenzmesse zur CI in einer alten Fabrikhalle am Bosporus abzuhalten – zeitgleich zur Istanbul-Biennale. Der Versuch, ästhetische und kommerzielle Saison kurz zu schließen, macht die Istanbuler Kunstmesse zum Paradebeispiel für die Vermarktung einer einst kritischen Kunstszene.
Trotz der ökonomischen Interessen fand sich auf der Messe aber doch Marktkritik. In einem der Art-Dialoge äußerte der amerikanische Konzept-Künstler Josep Kosuth: "Der größte Feind der Kunst ist der Markt". Die ästhetische Form dieser Kritik fand sich geballt am Stand der jungen Istanbuler Avantgarde-Galerie Pilot. Herausragend: Halil Altinderes neuestes Werk Art is all about desire and signature. Das ist einfach nur die vergrößerte Reproduktion des Schecks über 43.000 Lira, mit dem der türkische Sammler Mustafa Taviloglu ein Werk bei dem Künstler in Auftrag gab, der zu den wichtigsten Vertretern der aktuellen Kunstszene des Landes gehört. Die vielen Interessenten musste Galeristin Azra Tuzunoglu enttäuschen: Altinderes Werk ist unverkäuflich.
Ingo Arend
Studierte Politik, Geschichte und Publizistik. Arbeitet seit 1990 in Berlin als Kulturjournalist und Essayist für bildende Kunst, Literatur und Kulturpolitik.
7. Contemporary Istanbul
22. - 25. November 2012
Ort:
Istanbul Congress Centre
Exhibition Area (IKM) und
Istanbul Convention and
Exhibition Center (ICEC), Rumeli Hall
Harbiye, 34367 Istanbul
Kontakt, Infos: