Für eine optimale Ansicht unserer Website drehen Sie Ihr Tablet bitte horizontal.
Anmerkungen und Fotobericht: Kunstmesse, Projekte, Galerien an der Alserkal Av., Al Bastakiya.
Von Pat Binder & Gerhard Haupt | Apr 2012Mit der sechsten Edition hat die Art Dubai ihre Rolle als wichtigster Katalysator des Kunstgeschehens in der Stadt und nahöstlicher Treffpunkt der internationalen Kunstszene eindrucksvoll bestätigt. Nach Aussage der Veranstalter erzielte man in diesem Jahr mit etwa 22.500 Besuchern, darunter 75 Museumsgruppen, einen neuen Publikumsrekord. Auch die Verkäufe waren offenbar erfolgreich, doch darauf soll hier nicht näher eingegangen werden, denn verlässliche Zahlen sind ohnehin kaum zu bekommen.
Mit 75 Galerien aus 32 Ländern ist die Anzahl der Aussteller etwas geringer als im Vorjahr gewesen. Laut Antonia Carver, die 2010 den Gründungsdirektor John Martin im dreiköpfigen Direktorium ablöste, ist das darauf zurückzuführen, dass einige Bewerber größere Stände haben wollten und der angestammte Veranstaltungsort in Madinat Jumeira keine räumliche Ausweitung erlaubt.
Damit bleibt die Messe angenehm überschaubar, man kann sich besser auf die gezeigte Kunst konzentrieren. Von den vier Editionen der Art Dubai, die wir bisher sahen, empfanden wir bei dieser die höchste Konsistenz an Qualität. Es gab eine große Vielfalt künstlerischer Positionen zu sehen, allerdings innerhalb einer homogener wirkenden Ausrichtung des Gesamtangebots. Ausgehend von den Erfahrungen vergangener Jahre haben sich viele Galerien wohl noch mehr auf die erwarteten oder vermuteten Vorlieben von Sammlern aus der Region eingestellt.
Den Organisatoren der Messe sind die Gefahren einseitiger Fokussierung bewusst. Deshalb wird eine ständige Erweiterung des Einzugsbereichs und Wirkungsrahmens angestrebt. Antonia Carver äußerte in ihrer Abschlussverlautbarung: "2012 sind wir über unsere etablierte Basis im Nahen Osten und Südasien hinausgegangen und haben neue Verbindungen zwischen der lokalen Kunstszene und den uns besuchenden Galerien hergestellt, denn wir erkennen an, wie grundlegend es ist, stets neues Blut in die Messe zu bringen. … In Zukunft werden wir uns bemühen, unsere Kontakte zur zeitgenössischen Kunstszene Afrikas zu entwickeln sowie über existierende kulturelle Beziehungen und die gemeinsame Geschichte nachdenken".
Dazu dient u.a. die 2011 eingerichtete Sektion Marker. Im letzten Jahr ermöglichte sie experimentellen Kunsträumen aus Asien und dem Nahen Osten eine Präsenz auf der Messe. 2012 ging es in Marker hingegen um den Aufbau von Beziehungen zu einem Markt mit riesigem Potenzial. Es waren fünf kommerzielle Galerien aus Indonesien eingeladen, kuratiert von Alia Swastika (mehr dazu im Fotorundgang).
Auch 2012 realisierten die Art Dubai und ihre diversen Partner neben der eigentlichen Messe ein umfangreiches Programm. Das sechstägige Global Art Forum begann - wie im Jahr zuvor - in Doha und wurde in Dubai fortgesetzt. Neben den Gesprächsrunden und Vorträgen mit über 50 Akteuren zum Thema "The Medium of Media" sind erstmals Projekte in Auftrag gegeben worden, die vorher begannen und über die Treffen hinaus fortdauern. Im Rahmen der Art Dubai Projects sind spezielle Auftragswerke entstanden und fanden Performances, Aktionen und ein Aufenthaltsprogramm statt. Künftig sollen das ganze Jahr über Initiativen (z.B. ein Arabic Art Glossary), Arbeitsaufenthalte von Kuratoren und Künstlern sowie Bildungsseminare ausgerichtet werden. Mit derartigen "institutionellen Elementen" will die Art Dubai zum Ausbau der Infrastruktur der Künste in den Emiraten und der Region beitragen.
Angesichts solcher vielfältigen Aktivitäten verblasst der Hauptzweck der Messe in der allgemeinen Wahrnehmung gelegentlich: Kunst zu verkaufen. Es handelt sich eben nicht um eine kuratierte Biennale wie die im benachbarten Sharjah, deren Editionen ab 2003 den später so viel zitierten Boom der Kunst in der Golfregion überhaupt erst einleiteten. Das klingt zwar selbstverständlich, doch ist es schon erstaunlich, wie stark in Gesprächen und Rezensionen die Erwartung zu spüren war, in Werken auf der Messe den "arabischer Frühling" reflektiert zu sehen. Möglicherweise trug dazu bei, dass schon im Vorjahr mal eben schnell einige Arbeiten umgewidmet wurden, um Sympathien für die Aufstände in Tunesien und Ägypten zu zeigen - oder aber einen Bedeutungsgewinn für sich selbst zu erzielen. Ohne Zweifel verfolgen auch viele auf der Messe vertretene arabische Künstler die Geschehnisse in der Region mit großer Aufmerksamkeit, was sich in einigen Werken durchaus niederschlug. Aber abgesehen davon, dass eine ernsthafte künstlerische Auseinandersetzung mit so überaus komplexen Prozessen Zeit braucht, muss man sich fragen, warum denn ausgerechnet eine auf Verkauf abzielende, von Galerien sehr unterschiedlicher Herkunft getragene Messe in einem Golfemirat den Aufstand gegen autoritäre Regime in arabischen Ländern ausbreiten und würdigen sollte…
Ein weiteres Hauptthema vieler Rezensionen ist die Zensur, von der auch dieses Mal einige Galerien betroffen gewesen sind, und zwar nicht nur Newcomer, sondern auch einheimische. Das ist die Schattenseite des royalen Glanzes, in dem man sich so gern sonnt. Ein Foto mit dem Herrscher und anderen Scheichs kann die Verkaufschancen der besichtigten Kunst zwar deutlich verbessern, nur muss man sich dafür zuerst den Zensoren stellen. Meist werden die entsprechenden Werke nicht auf allerhöchste Anordnung entfernt, sondern von Hofbeamten vorab, die entscheiden, was bei Aufnahmen mit den Hoheiten keinesfalls als Hintergrund erscheinen darf. Das kann die Anrufung des "falschen" Imams vor einem Ringkampf, die "falsche" Bezeichnung des Golfes oder ein als anzüglich empfundenes Motiv in einem Bild sein. 2008 erregte selbst ein in einen Koffer gequetschtes, ausgestopftes Kamel Missfallen. In einem kürzlich in den Emiraten veröffentlichten Artikel ist die Zensur offiziell mit Vorgaben des Hofprotokolls begründet worden. Demzufolge wird sie wohl eine permanente Begleiterscheinung der Art Dubai bleiben.
Pat Binder & Gerhard Haupt
Herausgeber von Universes in Universe - Welten der Kunst. Leben in Berlin.
6. Art Dubai
21. - 24. März 2012
Madinat Jumeirah
Dubai