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Kunst und Menschliches im Museum des größten indonesischen Expressionisten in Yogyakarta.
Von Christina Schott | Mai 2012In Form von riesigen Bananenblättern wölben sich die Dächer des Affandi-Museums hoch über dem Gajah-Wong-Fluss. Der blühende Garten um das ehemalige Privathaus des berühmten Malers lag einst idyllisch am Rand der zentraljavanischen Sultansstadt Yogyakarta. Heute knattern Autos, Lastwagen und Mopeds auf der mehrspurigen Ausfallstraße zum Flughafen an der hohen Mauer vorbei, hinter der das Grab und das Erbe Affandis liegen. Er war der erste indonesische Künstler, der mit seinem expressionistischen Stil in den 1950er Jahren internationale Aufmerksamkeit erregte, als er auf den Biennalen von Venedig und São Paulo Preise gewann.
Bananenblätter dienten dem 1907 geborenen Sohn eines Zuckerfabrikaufsehers seit der Kindheit als Schutz vor Regen und Sonne. Später schützte er mit ihnen symbolisch sein Heim und seine Werke. Mit dem Bau der ersten Galerie neben seinem Wohnhaus im Jahr 1962 setzte Affandi neue Maßstäbe für die Selbstwertschätzung indonesischer Künstler. Der eigenwillige Maler war zur Zeit der indonesischen Unabhängigkeitsbewegungen in den 1940er Jahren in Künstlergruppen aktiv, aus denen später die erste indonesische Kunsthochschule in Yogyakarta hervorging.
Eigentlich hatten seine Eltern für ihn eine Karriere als Ingenieur vorgesehen, doch Affandi verließ die Oberschule und schlug sich als Aushilfslehrer und Ticketabreißer durch, während er sich selbst das Malen beibrachte. Zur Kunst inspiriert hatte ihn das Schattenpuppenspiel. Seine frühen Werke aus den 1930er und 1940er Jahren, darunter viele Familienbilder und Porträts, sind deutlich von den französischen Impressionisten geprägt. Erst später stellte er immer häufiger Alltagsszenen dar.
1953 malte er sich selbst, nackt, mit seinem ersten Enkel auf dem Arm. Als er seinen Pinsel nicht fand, drückte er die Farbe direkt aus der Tube auf die Leinwand – und empfand das Bild dadurch viel lebendiger. Fortan entwickelte Affandi diese Technik bis zur Perfektion und damit den Stil, der zu seinem Markenzeichen wurde. Er bewunderte Edvard Munch und Henri de Toulouse-Lautrec. Dass er immer wieder mit Vincent van Gogh verglichen wurde, störte ihn nicht sehr: "Affandi ist Affandi, und Van Gogh ist Van Gogh. Man sollte den Leuten die Wahl überlassen", erklärte er 1982 in einem Interview.
Um ein Gefühl für das eigenwillige Leben und Schaffen des Künstlers zu bekommen, lohnt ein Besuch im Affandi-Museum, das heute von seinen Nachkommen über eine private Stiftung geleitet wird. In der von Affandi selbst gestalteten Galerie I bemüht sich die Verwaltung, einen Überblick über das Lebenswerk des Künstlers zu bieten – von den frühen impressionistischen Bildern über Skizzen und Zeichnungen bis hin zu späten expressionistischen Gemälden und Repliken von drei Statuen, zwei Selbstporträts und einem Doppelporträt mit Tochter Kartika. Die Sammlung ist bei weitem nicht vollständig, da viele Gemälde Affandis längst in alle Welt verkauft sind. Bei Auktionen erzielen seine Werke Hunderttausende US-Dollar. Im Besitz des Museums befinden sich heute schätzungsweise etwa 250 Originale.
Dennoch hängen die Bilder aus Platzmangel in zwei Reihen übereinander, dazwischen zahlreiche Urkunden und Preise sowie private Utensilien des Malers: Pinsel, Pfeifen und – mitten im Raum – sein Lieblingsauto, ein Mitsubishi Gallant von 1976, sowie zwei Fahrräder. "Wir wollten gern einige Gegenstände präsentieren, die Affandi in seinem Leben nützlich waren und ihn auf diese Weise als einfachen Menschen zeigen, der er als Künstler wie Privatperson war", erklärt Affandis Enkel Juki, der die Museumsstiftung heute leitet.
In der 1987 erbauten Galerie II hängen Werke aus den 1980er Jahren – darunter so wertvolle Bilder wie "Drei Gesichter von Papuas", das für 325.000 Euro zum Verkauf angeboten ist. Besondere Sicherheitsvorkehrungen sind nicht zu erkennen. Etwas überraschend findet sich auf der anderen Seite des Raums eine wilde Mischung unterschiedlichster Gemälde und Statuen anderer Künstler: Geschenke von Freunden Affandis. Werke von Affandis Frau Maryati, seiner ältesten Tochter Kartika, mittlerweile selbst eine namhafte Künstlerin, sowie der weniger bekannten jüngsten Tochter Rukmini hängen in der 1997 eingeweihten Galeri III. Alle sind stark beeinflusst von der Ausdrucksweise des Vaters.
"Die größte Herausforderung für unser Museum ist tatsächlich der permanente Geld- und Personalmangel", erklärt Juki Affandi, dessen Stiftung keine staatliche Unterstützung erhält. "Daher müssen wir versuchen, aus anderen Quellen wie dem Cafe oder Art Shop Geld zu erwirtschaften, ohne Gemälde von Affandi verkaufen zu müssen."
Im Museums-Cafe kommt man dem großen Künstler trotz der comicartigen Aufmachung am nächsten: Im offenen Raum unter seinem ¬– noch im Original erhaltenen – Schlafzimmer malte er seine Bilder jeweils in einer einzigen, oft tranceartigen Sitzung. Zum "Aufwärmen" hielt er sich gern an Selbstporträts. Schräg gegenüber, zwischen den Galerien I und II, liegt Affandi mit seiner Frau begraben. Als diese keine Treppen mehr steigen konnte, konstruierte der Künstler für sie einen an amerikanischen Caravans orientierten Wohnwagen im indonesischen Stil. Heute dient das bunte Gefährt als Gebetsraum. Affandi selbst war gläubiger Muslim, entschied sich aber im Alter gegen eine Pilgerfahrt nach Mekka. "Ich habe versucht, mich auf Gott zu konzentrieren. Aber wenn ich an Gott dachte, sind meine Gedanken immer zur Kunst abgeschweift", beichtete der Künstler in einem Interview. "Malen ist für mich ein Ruf der Seele. Ich muss es einfach tun."
Christina Schott
Arbeitet seit 2002 von Jakarta aus als freie Südostasienkorrespondentin für deutsche Medien. Mitbegründerin des Korrespondentennetzwerks weltreporter.net