Für eine optimale Ansicht unserer Website drehen Sie Ihr Tablet bitte horizontal.
Interview mit Salwa Mikdadi, Leiterin für Kunst & Kultur, über die Stiftung in Abu Dhabi und deren Stipendien.
Von Pat Binder & Gerhard Haupt | Jan 2011Die Emirates Foundation for Philanthropy ist eine der führenden philanthropischen Organisationen der Vereinigten Arabischen Emirate. Sie bietet innovativen Projekten auf den Gebieten Entwicklung der Jugend, Wissensproduktion sowie Gesellschaft und Kultur in den VAE finanzielle und technische Unterstützung. Das Kunst- und Kulturprogramm verbessert den Status, die Qualität und die Praxis der visuellen und darstellenden Künste und der Literatur der Emirate durch Bildung, Produktion und Verbreitung. Nichtkommerzielle Organisationen und Bürger des Landes können finanzielle und technische Förderung für die visuellen Künste, Film, Literatur, darstellenden Künste und Museumsstudien erhalten. Die Stiftung unterstützt qualifizierte Individuen, Organisationen und Gemeinschaftsprojekte in allen Regionen der Vereinigten Arabischen Emirate, um Kreativität hervorzubringen, Wissensproduktion aufrechtzuerhalten und eine lebenslange Wertschätzung der Kunst anzuerziehen.
(Aus Einführungstexten der Stiftung)
Interview mit Salwa Mikdadi,
Leiterin des Kunst- und Kulturprogramms
Haupt & Binder: In einem Gespräch 2007 mit dem damaligen stellvertretenden Geschäftsführer der Emirates Foundation, Omar Ghobash, sagte er uns, die Strategie der Stiftung sei auf Individuen fokussiert und es ginge ihr vor allem darum, den Leuten zuzuhören und herauszufinden, was sie bewegt, "um das von Grund auf zu verstehen und davon ausgehend die entsprechende Politik zu entwickeln". Er hob hervor, dass die Emirates Foundation auf einem "menschlichen Maß" [1] arbeite. Ist dieser Fokus auf das Individuum nach wie vor eines der vordringlichen Anliegen der Emirates Foundation?
Salwa Mikdadi: Auch weiterhin besteht ein Hauptanliegen der Emirates Foundation darin, junge Leute durch individuelle Stipendien in die Lage zu versetzen, auf den Gebieten der Kunst und Kultur, der Wissenschaft sowie der sozialen und kulturellen Entwicklung ihr persönliches und intellektuelles Potenzial voll zu entfalten. Ich stimme dem zu, dass wir nur durch ein Erreichen der Individuen und Gemeinschaftsorganisationen durch Dialog und Recherche deren Bedürfnisse herausfinden und darauf angemessen reagieren können. Als ich die Stelle der Leiterin des Kunst- und Kulturprogramms übernahm, hatte ich keine vorgefassten Vorstellungen hinsichtlich der Ausrichtung des Programms, sondern ich verbrachte vielmehr den größten Teil des ersten Jahres damit, Emiratis und führende Vertreter von Kunst und Kultur zu treffen und an Veranstaltungen teilzunehmen, um einen offenen Dialog mit den Beteiligten sicherzustellen. Das Stipendienprogramm ist ein Work in Progress, das sich ständig an den Bedürfnissen der Gemeinschaft orientiert.
H. & B.: Sie haben viele Jahre zumeist in den USA in Institutionen und auch freischaffend als Kuratorin, Forscherin und Herausgeberin gearbeitet. Wie nützen Sie diese Erfahrungen jetzt in Ihrer Position auf der anderen Seite, das heißt, jetzt selbst in der Lage, über Fördermittel zu entscheiden, und dies in den Vereinigten Arabischen Emiraten zu tun?
S. M.: Obschon ich meinen Wohnsitz in den letzten drei Jahrzehnten in den USA hatte, arbeitete ich auch weiterhin in der arabischen Welt, reiste häufig in die Region und war in der Forschung über moderne und zeitgenössische Kunst der arabischen Welt tätig, wodurch ich über die dortige Kunstpraxis auf dem Laufenden blieb. Die Forschung über arabische Kunstinstitutionen trug auch zum besseren Verständnis der Kunst- und Kulturszene der VAE im Kontext nichtkommerzieller institutioneller Arbeit in der arabischen Welt bei. Meine Verbindung zu Museen in den USA und die Mitgliedschaft in solchen Berufsorganisationen wie der American Association of Museums ist auch für meine gegenwärtige Tätigkeit von Nutzen, indem ich Kontakte zu Emiratis herstelle und dabei behilflich bin, ihnen Museumspraktika und Künstleraufenthalte zu verschaffen und den Kurs für Museumsstudien organisiere. Als eine der Gründerinnen der AMCA (Association of Modern and Contemporary Art of the Arab world, Iran and Turkey) engagiere ich mich dafür, die diesbezügliche akademische Forschung voranzubringen, was sich in dem Forschungsprogramm deutlich widerspiegelt, das in diesem Jahr als Teil des Kunst- und Kulturprogramms angeboten wird. Die bisherigen Erfahrungen helfen mir dabei, das Kunst- und Kulturprogramm zu entwickeln, und geben mir das Selbstvertrauen, flexibel zu sein und die potenziellen Ergebnisse von Projekten auf meinem Gebiet besser einzuschätzen.
H. & B.: Wie ist die Emirates Foundation in den Kulturaustausch involviert?
S. M.: Das Programm für internationale Praktika und Aufenthalte gibt Emiratis Stipendien an Museen und Kunstinstitutionen in den USA, Brasilien, Frankreich und Großbritannien. Gegenwärtig wird dieses Programm auf andere Länder ausgeweitet. Zum Beispiel haben wir ausgehend von der Notwendigkeit eines besseren regionalen Kulturaustauschs zwei neue Stipendien eingeführt: Nachbar zu Nachbar und Mentorenschaft. Das erstgenannte bietet Emiratis Gelegenheiten, neben arabischen Künstlern und Kulturarbeitern in der Region der GCC-Länder (Gulf Cooperation Council) zu arbeiten, und das zweite dient dazu, direkt zusammen mit etablierten arabischen Künstlern tätig zu sein und auf diese Weise die Tradition eines Lehrverhältnisses wiederzubeleben, die dereinst eine übliche Methode des Lernens im Handwerk und in den Künsten war. Wir kooperieren auch mit internationalen Kulturagenturen. So hat die Stiftung z.B. vor kurzem in Zusammenarbeit mit der Botschaft Frankreichs in den VAE den zweimonatigen Aufenthalt eines französischen Künstlers an der Kunstabteilung der Zayed Universität gefördert.
H. & B.: In der Information der Emirates Foundation über das Programm für Forschungsstipendien heißt es "es ist für die nationale kulturelle Entwicklung der VAE von grundlegender Bedeutung, dass strategische Planung auf Forschung und kritischer Analyse aufbaut. Gegenwärtig gibt es einen Mangel an Forschung auf dem Gebiet der Künste und Kultur". Hat eine solche Forschung seit dem Start dieses Programms zugenommen? Wartet die Foundation ausschließlich darauf, dass Vorschläge eingereicht werden, oder gibt es spezielle Forschungsvorhaben, die direkt von der Institution in Auftrag gegeben werden?
S. M.: Hinsichtlich der Forschung in Kunst und Kultur ist es heikel, konkrete Notwendigkeiten auszumachen, Bewertungskriterien für die Evaluierung von Stipendien festzulegen und die Ergebnisse solcher Stipendien zu messen. Die Stiftung ermuntert Fakultäten an Universitäten, sich um Forschungsstipendien zu bewerben und empfiehlt Prioritäten. Gegenwärtig geben wir Forschungsvorhaben in Auftrag, um das wachsende Engagement von Emiratis in der Filmindustrie, das experimentelle Theater und dessen Anwendung in der Bildung sowie die visuellen Künste der Emirate im Kontext neuer Entwicklungen in den lokalen und regionalen Kunstpraktiken zu untersuchen. Andere für 2011 geplante Studien sollen sich insbesondere dem kulturellen Erbe des Landes widmen. Das Forschungsprogramm ist 2010 entwickelt worden und noch in einem frühen Stadium, verglichen mit dem Programm der Stiftung für Wissenschaft und Technologie, das kürzlich 55 Stipendien für Wissenschaft, Technologie, Maschinenbau, IT, Nahrung und Landwirtschaft, Medizin und Gesundheit vergab.
H. & B.: Seit kurzem bietet die Emirates Foundation Kurse und Workshops in Museumsstudien an. Bedeutet das einen Wandel in der Programmarbeit der Stiftung vom Unterstützen hin zum aktiven Initiieren und Gestalten von Aktivitäten?
S. M.: Ich bin froh, dass Sie danach fragen. Seit Ende 2009 bieten wir Stipendien für Masterabschlüsse in Museumsstudien, Museumspädagogik, Restaurierung, historischer Konservierung, kuratorialen Studien, Kulturmanagement und Ausstellungsgestaltung an. Das geschieht ganz eindeutig ausgehend von den vitalen Bedürfnissen der VAE an solchen Berufen und um die Emiratis darauf vorzubereiten, eine führende Rolle in existierenden und geplanten Museen des Landes zu übernehmen. Sehr bald schon wurde uns klar, dass Bewerber um Stipendien dieses Programms von einem Einführungskurs profitieren könnten, den sie vor der Aufnahme eines Hochschulstudiums absolvieren. Das Fehlen von Universitätskursen, um Studenten für diese Bereiche vorzubereiten, veranlasste uns zu der Entscheidung. Es ist ein Überbrückungskurs, angepasst an die Bedürfnisse von Emiratis, die sich um die Hochschul- und Praktikumsstipendien der Stiftung bewerben. Er führt die Studenten in die entsprechenden Berufe und die aktuellsten Theorien der Museumsstudien ein und berät sie bei Hochschul- und Praktikumsprogrammen. Von den zwölf Studenten des ersten Kurses sind fünf für einen Masterabschluss und einer als Doktorand in Museumsstudien angenommen worden. Um diesen Erfolg weiterzuführen, bieten wir erneut einen fünfmonatigen Kurs nunmehr für 15 Teilnehmer an, der am 15. Dezember 2010 begonnen hat.
Das Kunst- und Kulturprogramm soll die Projekte von Institutionen der Zivilgesellschaft fördern, aber nicht initiieren, was entscheidend für den Erfolg der Stiftung und ihrer Mission ist. Wie bereits erläutert, ist der Kurs dazu gedacht, die Bewerber um ein existierendes Stipendium zu unterstützen.
H. & B.: Wie eingeschränkt ist der Kreis der Bewerber für die Programme der Stiftung? Sind sie ausschließlich für Staatsbürger der VAE oder auch für in den Emiraten lebende Menschen anderer Herkunft bestimmt?
S. M.: Das Mandat der Stiftung besteht darin, das Volk und die Nation der Emiratis zu stärken, und deshalb werden eigentlich alle Stipendien an Emiratis vergeben, insbesondere die individuellen. Zum Beispiel bietet der Young Artists Grant Award (YAGA) Emiratis bis zu einem Alter von 35 Jahren die Möglichkeit, ihre ersten Kurzfilme, Theaterproduktionen, Drehbücher, Kunstinstallationen oder Ausstellungen zu produzieren. Doch die Stiftung kann auch Stipendien an nichtkommerzielle Institutionen oder Individuen in den VAE vergeben, die das Leben in ihren Gemeinschaften direkt bereichern. Fördermittel erhalten auch Universitäten und Organisationen, die dem ganzen Land von Nutzen sind, und Forscher, die Emiratis ausbilden.
Das Kunst- und Kulturprogramm fördert auch den Internationalen Preis für Arabische Fiktion, der die Leserschaft in der arabischen Welt vergrößert und den arabischen Roman vorangebracht hat, indem er regional und international bekannter wurde, was die Zahl der Publikationen und die Übersetzungen der ausgewählten Romane in über 13 Sprachen belegen.
H. & B.: Gibt es irgendeinen persönlichen Rat, den Sie den Bewerbern geben würden?
S. M.: Wir weisen die Bewerber immer darauf hin, ihre Ziele sorgfältig festzulegen, ein detailliert aufgelistetes Budget einzureichen, sich mindestens sechs Wochen vor dem Start des geplanten Projekts zu bewerben und sich darüber im Klaren zu sein, dass alle Bewerbungen um Förderung von außenstehenden Gutachtern durchgesehen werden, die Spezialisten auf den jeweiligen Gebieten sind. Wir legen ebenso nahe, auch anderweitig nach Förderung für ein Projekt zu suchen. Stiftungen möchten gern sehen, dass andere an das eingereichte Projekt glauben. Und Kandidaten, die bei unseren Ausschreibungen keinen Erfolg haben, sollten sich nicht entmutigen lassen, sondern die Kommentare der Gutachter bei einer erneuten Bewerbung berücksichtigen und ihren Traum weiterverfolgen.
Anmerkung:
Pat Binder & Gerhard Haupt
Herausgeber von Universes in Universe - Welten der Kunst. Leben in Berlin.
Salwa Mikdadi ist Kuratorin und Kunsthistorikerin und beschäftigt sich seit 25 Jahren mit arabischer Kunst. 2009 kuratierte sie die erste palästinensische Beteiligung an einer Biennale Venedig. Sie war Mitbegründerin und Leiterin von Cultural & Visual Arts Resource / ICWA (1988-2006) sowie Mitbegründerin der AMCA, Association of Modern & Contemp. Art of the Arab World, Iran & Turkey.