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Interventionen von Künstlern und Anwohnern an bei der Revolution in Tunesien verbrannten Autos.
Von Faten Rouissi | Apr 2011Art dans la rue - Art dans le quartier (Straßenkunst - Kunst im Wohnviertel) war ein Event im öffentlichen Raum: eine Intervention bzw. ein Happening, bei dem eine große Zahl von Wracks der während der Revolution in Tunesien am 14. Januar ausgebrannten Autos benutzt wurde.
Der Ärger und die Anspannung auf den Straßen und das Leid der jungen Leute drücken sich in gewisser Weise durch Feuer aus, beginnend mit der Selbstverbrennung von Mohamed Bouazizi. Mehrere Tage lang sind viele Besitztümer und Fahrzeuge der Familie des Diktators Ben Ali und seiner Entourage verbrannt worden.
Als Bewohnerin eines in den nördlichen Vorstädten von Tunis gelegenen Gebiets, auf der Seite von Carthage Byrsa [Karthago], sah ich Tag für Tag verbrannte und zertrümmerte Autos, mit denen ein nahe gelegenes leeres Gelände vollgepackt wurde. Ich hielt an dieser gewaltigen aschfahlen Szenerie an, die durch die Wut der Revolutionäre zustande gekommen war. Fasziniert von dem aus Feuer geborenen Bild stellte ich mir die positive und visuelle Ergiebigkeit eines aus seiner Asche wiedererstandenen Phönix als dem erneuerten Erscheinungsbild eines freien Tunesiens vor. Es würde zuallererst für den Willen junger Tunesier stehen, in Würde und Freiheit zu leben, aber auch ein Symbol künftiger Aktionen sein, das Land in den Farben von Freiheit und Fröhlichkeit wiederaufzubauen.
Deshalb verschickte ich über Facebook einen Aufruf zu einer Kreation im öffentlichen Raum an alle visuellen Künstler, Performer, Videodokumentaristen, Fotografen, Installationskünstler, Designer, Sprayer und vor allem an Studenten der Kunst-, Design- und Architekturschulen. Ich forderte sie auf zusammenzukommen, um gemeinsam mit den Bewohnern dieses Viertels eine noch nie dagewesene Gegenwart zu feiern und der Hoffnung auf eine bessere Zukunft Ausdruck zu geben.
Die Frage war: Wie können neue künstlerische und ästhetische Kräfte hervorgebracht werden, die zu einer Zeit, in der Tunesien solche Kräfte dringend braucht, die kollektive Dynamik in unserem alltäglichen Leben fördern? Wie können alle - Künstler, Kritiker und Bürger - zusammen träumen, um diese Aktion in unsere Sensibilität einzugravieren und unser gemeinsames Eintreten für eine künftige Welt zu feiern, indem wir daran arbeiten, die lokale Kultur und künstlerische Produktion dem Publikum näherbringen?
Nach meinem Dafürhalten ist die gegenwärtige Zeit fruchtbar für Kreationen an Wänden und im öffentlichen Raum, um der Krise sowie auch den Beklemmungen und Sorgen der Leute entgegenzutreten. Es ist wichtig, die Initiative aufrechtzuerhalten, während wir hinsichtlich unseres Schicksals das Heft in der Hand haben und Verbündete beim kreativen Prozess finden und dabei eine neue Solidarität und neue Vernetzungen aufbauen, um unsere Vorstellungswelten zu entwickeln. Es ist von grundlegender Bedeutung, eine ästhetische Sensibilität und Gedanken, Emotionen und kollektive Erinnerungen zu erzeugen, währen wir auf ein erstes Museum zeitgenössischer Kunst in Tunesien warten.
Das Ereignis hat unsere Erwartungen übertroffen. Künstler und Studenten aus ganz Tunis sowie Bewohner aus Carthage Byrsa und der Umgebung, junge und alte, waren gekommen, um diese ausgebrannten Autos in ein Aufblühen von Objekten in leuchtenden Farben zu verwandeln, verziert mit revolutionären Graffiti.
Wir hoffen, mit dieser Aktion das Kulturministerium und verschiedene kulturelle Akteure unseres Landes inspiriert zu haben, die Kunst im öffentlichen Raum zu unterstützen und zu fördern und eine angemessene Hilfe anzubieten, die dazu beiträgt, die Kreativität in den Bezirken und im ganzen Land zu bestärken.
Faten Rouissi
Multidisziplinäre Künstlerin. Universitätsassistentin für visuelle Künste, Nationale Schule für Architektur und Urbanes Planen (ENAU), Tunis.
Art dans la rue - Art dans le quartier
27. Februar 2011
9 bis 18 Uhr
Bat7a
Leeres staatliches Grundstück
Carthage Byrsa
Tunis, Tunesien
Intervention / Happening mit während der Revolution in Tunesien verbrannten Autos. Beteiligt waren Künstler, Studenten und Anwohner.
Initiiert und koordiniert von Faten Rouissi