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Die 9. Afrikanische Fotografie Biennale in Mali. Rezension, Fotos des Events und von Werken.
Von Jelle Bouwhuis | Nov 2011Die 9. Edition der Bamako Treffen / Afrikanische Fotografie Biennale ist eine der interessantesten Kunstbiennalen, die in diesem Moment stattfinden. Die Ausstellungen sind gut, und viele Teilnehmer vertreten breitgefächerte Positionen. Obwohl dieses Bamako Treffen eine tiefere Reflexion über das Medium der Fotografie meidet, bietet es in Afrika lebenden Künstlern und Fotografen auf jeden Fall ein internationales Netzwerk.
Das Thema der diesjährigen Biennale Für eine nachhaltige Welt könnte kaum direkter sein. Es setzt dringliche Angelegenheiten auf die Tagesordnung: Umweltprobleme in Afrika, die von überfluteten Wohngebieten bis zu gefährdeten Völkern und deprimierendem menschlichen Befinden, von umweltverschmutzten Städten und Deltas zu Abfallhalden, Flüchtlingslagern, Schiffwracks und verlassenen Gebäuden reichen. Aber es gibt auch Raum für weniger offensichtliche Themen. Umweltfragen können schließlich auch als ein Ausgangspunkt dienen, um zu zeigen, was erhalten und beschützt werden muss, so wie die wunderschönen, von Daniel Naudé porträtierten Tiere oder der paradiesische Fotoessay von Lien Botha, in dem Urbanismus und Natur zusammenkommen. (Eines ihrer Fotos diente der Werbekampagne der Biennale als Blickfang.) Je tiefer man in die Ausstellung eindringt, je freier aufgefasst und diffuser wird das Thema der Nachhaltigkeit. Zur Biennale gehören eine dem Arabischen Frühling gewidmete Sektion mit einer Überfülle an extrem kurzen Videoarbeiten aus Ägypten (zusammengestellt vom Künstler Khaled Hafez) und Tunesien (von Faten Gaddes) sowie ein Tribut an den verstorbenen kamerunischen Künstler und Unternehmer Goddy Leye, um nur einige wenige Abstecher vom Hauptweg zu nennen.
Im Unterschied zur zeitgenössischen Fotografie in der Pan-Afrikanischen Ausstellung im Nationalmuseum, die recht konventionell in separierten Reihen von Fotografien gehängt ist, wobei es hier und da ein kurzes Video auf einem Flachbildschirm gibt, wird die historische Fotografie mit den permanenten Präsentationen in den beiden anderen Flügeln des Museum vermischt. Die Studio- und Straßenporträts der Fotografen aus Mali Soungalo Malé, Abderramane Sakaly und des gut bekannten Malick Sidibé aus den 1950er, 60er und 70er Jahren erlangen in den Galerien der traditionellen Holzskulpturen, Masken und anderen Objekte eine überwältigende Erscheinung. Den Schwarzweißfotos gelingt es, den aus den Gesellschaften, die einst ihr natürlicher Lebensbereich waren, herausgelösten Objekten neues Leben einzuhauchen, während die in den Schaukästen gezeigten Skulpturen und Masken ihrerseits den realistischen menschlichen Porträts den notwendigen Touch an Spiritualität hinzufügen. Es ist eine Schau, die viele ethnografische Museen neidisch machen wird.
Der andere Flügel ist einer Ausstellung der Sindika Dokolo Sammlung gewidmet. Die aus dem Besitz des verstorbenen Deutschen Hans Bogatzke stammende Kollektion ging in die Hände des Kongolesen Sindika Dokolo über, der gegenwärtig in Angola lebt. Seitdem ist ein großer Teil davon entfernt worden, und Neuerwerbungen sind hinzugekommen, insbesondere 2008 ein beträchtlicher Teil der Sammlung der Revue Noire. Simon Njami, der wichtigste Protagonist der Revue Noire, ist zusammen mit dem Künstler und Kurator Fernando Alvim ein Berater von Dokolo. Njami stellte die Ausstellung für Bamako zusammen. Er konzentrierte sich auf historische Fotografie, von den bemerkenswert ungezwungenen Studioporträts von Mama Casset aus den 1930er Jahren bis zu Abderramane Sakaly, der dazu neigte, Porträt- mit Modefotografie zu vermischen, Jean Depara, dessen Werk etwas Glanz des Nachtlebens beisteuert, Philippe Koudjinas Paparazzifotos der Schickeria in Niamey und Samuel Fossos Ego-Dokumente aus den 1970ern. Sie sind zwischen die Textiliensammlung des Museums gehängt, also in eine Umgebung, die in der Lage ist, jedwede Schwarzweißaufnahmen zu stylischen, vor Lebendigkeit sprühenden Modereportagen werden zu lassen. Die kleinere Sektion zeitgenössischen Schaffens befindet sich weniger glücklich in Dunkelheit. Zuvor angekündigte Videoarbeiten fehlen völlig. Es ist schade, dass es in der Ausstellung keine profunden Kontextinformationen gibt. Wie Njami sagte, besteht das Ziel der Sindika Dokolo Stiftung darin, Werke wie diese über den Kontinent reisen zu lassen, finanziert von der Stiftung selbst. Diese Absicht kultureller Wohltätigkeit für Afrika müsste ausreichen, um der Kritik an fehlender Transparenz des Dokolo-Unternehmens zu begegnen, doch eine Soundausstattung für Bildung sowie eine erkenntnisreichere Website als die gegenwärtige wären für diesen Prozess sicher hilfreich.
Präsentationen wie diese machen den Unterschied zwischen einer Ausstellung und einem Konvolut von nichts als Bildern, bewegten oder stillen, aus. Nur einige Werke stechen aus der relativ monotonen Präsentation der Pan-Afrikanischen Sektion hervor. So zum Beispiel Michael Tsegayes großformatige Fotografien von Grabsteinen in Äthiopien mit fotografischen Porträts der Verstorbenen darauf, deren Bildnisse - wie die Körper in der Erde - dem Verfall preisgegeben sind. Wir werden zu Zeugen dieses verblüffenden zweiten Todes. Ebenfalls herausragend ist die Serie Parrot Jungle von Lien Botha, die mit jedem einzelnen Foto, das eine andere Erfahrung der Natur in einem offenkundig urbanisierten Umfeld aufblättert, ein urbanes Tagebuch evoziert.
Doch die kleineren Präsentationen überall in der Stadt bringen Schwung in die Biennale. Für seine Einzelausstellung From the Edge to the Core (Vom Rand zum Kern) reiste Nii Obodai durch sein Heimatland Ghana und fotografierte unter anderem Orte von historischer Bedeutung während der Revolutionsjahre sowie ein illegales galamsey Bergbaudorf (illegaler Kleinstabbau von Gold - Anm.d.Ü.). Die Blütezeit des Kolonialismus steht dabei im Zusammenhang mit einem heutigen Übermaß an Neoliberalismus. Die Serie erinnert an eine Reise durch Raum und Zeit. Eine poetische und historisierende Patina entsteht durch die Benutzung alter Kameras, deren spezifische Eigenart und die sich daraus ergebenden, sorgfältig gedruckten und gerahmten Fotografien in Schwarz- und Brauntönen. Das Arrangement an sich ist schon eine Erzählung, ungeachtet ihrer Thematik, obgleich diese gegenwärtig genug ist, um die Aufmerksamkeit zu fesseln. Es ist eine fotografische Installation.
Genau das unterscheidet eine solche Präsentation von den "reinen Bildern" in den Treffen, obwohl deren Inhalt oftmals hochinteressant ist. So in den Aufnahmen des Agbobloshie Marktes in Accra, Ghana, von zwei Künstlern der Biennale, Pieter Hugo (in der Pan-Afrikanischen Ausstellung) und Nyaba Léon Ouedraogo (mit einer starken Einzelschau an einem der anderen Orte). Ihr Thema ist ebenfalls neoliberaler Exzess: eine Halde von Elektronikschrott unter freiem Himmel, auf der Jungen und junge Männer das Kupfer von den aus dem Westen "importierten" Computern zurückgewinnen, indem sie die Plastikteile in rauchenden Feuern wegbrennen. Einige der Motive sind identisch, obgleich Hugo in seiner strengen Fokussierung auf das Porträt etwas mehr konzeptuell vorgeht. Doch Ouedraogo hat die Szene zwei Jahre vor ihm aufgenommen. Die Ähnlichkeit ist bemerkenswert, und es wäre aufschlussreich, die Situation bei Hugo, der aus Südafrika stammt und von der Michael Stevenson Gallery und anderen unterstützt wird, und bei dem wenig bekannten Fotografen aus Burkina Faso zu vergleichen. Und es würde noch aufschlussreicher sein, ihre Arbeiten neben andere von demselben Markt zu stellen und neben jene Fotos, die im Internet zu sehen sind und exakt so aussehen. Soviel zur Originalität des fotografischen Bildes.
Die Bamako Treffen setzen sich weder mit dem Thema des unglaublichen globalen Flusses, der Reproduzierbarkeit und schnellen Nachahmung und Aneignung des fotografischen Bildes auseinander, noch mit der Distribution und Veröffentlichung dieser Bilder außerhalb des Bereichs von Ausstellungen. Wie der Fall des Agbobloshie Marktes belegt, sind solche Bilder keineswegs nur Afrikanern vorbehalten. Aber andererseits ist die Biennale wahrscheinlich einer der besten Anreize für Afrikaner, vermittels des globalen Mediums der Fotografie einen klaren Eindruck von der Vorstellungskraft des Kontinents zu bekommen. Über die Ausstellungen hinaus organisiert sie in verschiedenen afrikanischen Ländern Fotografieworkshops. Auf alle erdenkliche Weise bietet die Veranstaltung den Teilnehmern die Chance eines internationalen Netzwerks. Die Biennale selbst ist eine Form der Distribution, denn Teile davon reisen zu Ausstellungsorten aller Art in Europa. Aber ganz sicher wird keiner davon die Komplexität der Erfahrung in Bamako selbst schlagen können.
Jelle Bouwhuis
Leiter des Stedelijk Museum Bureau Amsterdam, Niederlande.
9. Bamako Treffen
Afrikanische Fotografie Biennale
1. Nov. 2011 - 1. Jan. 2012
Bamako, Mali
Generalbeauftragter: Samuel Sidibé
Künstlerische Leitung, Hauptkuratorinnen:
Michket Krifa, Laura Serani