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Der irakische Künstler lässt eine Kamera an seinem Hinterkopf implantieren, die Livebilder an das Museum in Doha überträgt.
Nov 2010In den letzten Tagen gingen Meldungen über The 3rd I durch die Medien, ein neues spektakuläres Projekt von Wafaa Bilal, dem in New York lebenden und lehrenden Künstler irakischer Herkunft.
Im Auftrag des Mathaf: Arabisches Museum Moderner Kunst in Doha, Katar, das ab dem 30. Dezember 2010 für das Publikum geöffnet ist, lässt Wafaa Bilal eine daumennagelgroße Kamera in der Art eines Piercings an seinem Hinterkopf befestigen. Ein Jahr lang sollen damit im Minutentakt Fotos aufgenommen und per Funk auf Monitore im Museum übertragen werden.
Auf der Website des Künstlers sind bislang kaum Informationen darüber zu finden. Lediglich unter "Kalender" gibt es einen Eintrag, der sich offensichtlich auf die Vorbesichtigung vor der eigentlichen Öffnung des Mathaf für die Allgemeinheit bezieht: "15. Dezember, Eröffnungsempfang von The 3rd I Doha Katar", und auf der Website www.3rdi.me zählt ein Countdown die bis zu diesem Datum verbleibende Zeit.
Doch die Kuratoren Sam Bardaouil und Till Fellrath haben dem Nafas Kunstmagazin bestätigt, dass The 3rd I tatsächlich eines der 23 für ihre Ausstellung Told | Untold | Retold: 23 stories of journeys through time and place. neu in Auftrag gegebenen Werke ist. Unter den drei Eröffnungsausstellungen des Mathaf ist dies die auf zeitgenössische Kunst fokussierte Schau. Sie zeigt Malerei, Skulptur, Fotografie, Video Multimediainstallationen und interaktive digitale Kunst von Adel Abidin, Sadik Kwaish Alfraji, Buthayna Ali, Ahmed Alsoudani, Ghada Amer, Kader Attia, Lara Baladi, Wafaa Bilal, Abdelkader Benchamma, Mounir Fatmi, Lamia Joreige, Amal Kenawy, Jeffar Khaldi, Hassan Khan, Youssef Nabil, Walid Raad, Khalil Rabah, Younès Rahmoun, Steve Sabella, Marwan Sahmarani, Zineb Sedira, Khaled Takreti und Akram Zaatari.
In Bezug auf diese Ausstellung schrieben Bardaouil und Fellrath u.a.: "Die Künstler von heute bewegen sich in konstanter Transmigration durch eine Vielfalt an Städten und Orten und können doch nie den redundanten geographischen Labels entfliehen, durch die ihr Werk fehlinterpretiert wird. Sie befinden sich in permanenter Metamorphose, in einem Stadium des 'Dazwischenseins'. Diese Reisen vollziehen sich nicht nur örtlich, sondern auch zeitlich. Wenn man sich bewegt und Dinge hinter sich lässt, erinnert man sich, sammelt und rekonstruiert, aber man reorientiert und lenkt sich auch selbst um. Das sind alles Akte, in die Zeit komplex eingewoben ist." (weitere Informationen…)
In diesem kuratorialen Rahmen wird also Wafaa Bilals Projekt The 3rd I seine Wirkung im Dialog mit den Arbeiten seiner Künstlerkollegen entfalten.
In seiner umfangreichen Berichterstattung über die Eröffnung des Mathaf in Doha wird das Nafas Kunstmagazin auch die Ausstellung Told | Untold | Retold vorstellen und dabei noch genauer auf Wafaa Bilals Projekt eingehen. Siehe die Vorinformationen:
>> Mathaf: Arab Museum of Modern Art
... and Counting:
In diesem Jahr hat Wafaa Bilal schon einmal mit einer Aktion großes Aufsehen erregt. In einer 24-stündigen Performance am 8. März 2010 in der Elizabeth Foundation for the Arts (New York) ließ er sich den Rücken mit einer Karte des Irak ohne Grenzen tätowieren, in die er für jedes irakische und amerikanische Opfer einen Punkt in der Nähe des Ortes eintragen, wo sie getötet wurden. Die 5.000 toten Amerikaner sind in ständig sichtbarer roter Farbe dargestellt, die über 100.000 irakischen Opfer hingegen in grüner UV-Farbe, die nur unter Schwarzlicht zu erkennen ist. Während der Performance wurden die Namen der Toten vorgelesen.
Wafaa Bilals Bruder Haji wurde 2004 an einem Kontrollpunkt ihrer Heimatstadt Kufa von einer Rakete getötet. Dennoch betonte der Künstler in einem Statement: "Meine Erinnerungen an den Irak und meine Enttäuschung über die Politik haben mich weder zynisch werden lassen, noch mir die Hoffnung für die Menschheit genommen. Ganz im Gegenteil bin ich vom Glauben in die Macht der Menschen erfüllt, ihre Schicksale in die eigenen Hände zu nehmen, und ich glaube auch weiterhin an soziale Gerechtigkeit. Ich hoffe, bei meinem Publikum einen Sinn für Selbstermächtigung zu erwecken und dem Gefühl von Machtlosigkeit zu begegnen, das die Leute angesichts von Unmenschlichkeit empfinden."
Schon 2007 hat das Nafas Kunstmagazin einen Beitrag über Bilals Projekt Domestic Tensionveröffentlicht:
Wafaa Bilal schloss sich sechs Wochen lang in einen Raum in Chicago ein und ließ die Internetbenutzer mit einem Paintball-Gewehr auf sich schießen, um auf die Lage der Menschen im Irak aufmerksam zu machen. Artikel von Florian Rötzer.
Wafaa Bilal: The 3rd I
Teil der Ausstellung:
Told | Untold | Retold: 23 stories of journeys through time and place
Kuratiert von Sam Bardaouil und Till Fellrath
30. Dez. 2010 - 28. Mai 2011
Mathaf: Arabisches Museum Moderner Kunst
Doha, Katar