Für eine optimale Ansicht unserer Website drehen Sie Ihr Tablet bitte horizontal.
Unabhängige Kunsträume und ihr Beitrag zum künstlerischen und kulturellen Ökosystem Malaysias.
Von S. Chin, E. McGovern, S. Soon | Apr 2010Unabhängige Kunsträume in Malaysia können im Grunde als temporäre autonome Zonen im Wortsinne beschrieben werden. Im Gegensatz zu den Künstlerinitiativen im Westen, wo eine unterstützende Kunstinfrastruktur und ein schon vorhandenes Publikum eine Nachhaltigkeit und ein weiteres Wachsen ermöglichen, bedeuten das eher gelegentliche Auftreten und die Do-It-Yourself-Natur vieler Kunsträume in Kuala Lumpur, dass sie ein vikarierendes Dasein von begrenzter Dauer als zeitweilige Zufluchtsorte einer wachsenden Zahl an Künstlern führen, die sich darum bemühen, in einer Stadt, die den kulturellen Werten der Kreativität weitgehend apathisch gegenübersteht, eine Plattform für den Ausdruck zu etablieren.
Wenn es um die Beschreibung einer alternativen Kunstszene geht, kann sich demzufolge innerhalb eines Jahres viel ändern. In diesem Artikel versuchen wir, einige Räume und Projekte vorzustellen, die in den letzten paar Jahren existierten, um zu zeigen, wie diese zur Komplexität und Vielfalt des kulturellen Ökosystems von Kuala Lumpur beigetragen haben.
Viele der gegenwärtig existierenden Kunsträume klagen über fehlende finanzielle Förderer, die den Weitblick haben, künstlerische Experimente zu unterstützen. Andere meinen, dass vielleicht ein physischer Raum nicht mehr länger vonnöten ist, und haben die Rolle umherziehender Künstler angenommen und ihre Ziele hin zu Community basierten und ortspezifischen Projekten, die sich an ein größeres Publikum wenden, verlagert.
In einer Stadt mit einem chaotischen und unzuverlässigen öffentlichen Nahverkehr ist die Erreichbarkeit ein Problem, mit dem sich viele Kunsträume konfrontiert sehen. Die Lage der Annexe Galerie im Stadtzentrum gleich gegenüber dem Pasar Seni Bahnhof hat ihr ein vielfältiges Publikum (z.B. Touristen und Studenten) gebracht. Diese physische Zugänglichkeit scheint sich im eklektischen, auf Einbeziehung bedachten und alternativen Programm des Leiters Pang Khee Teik zu widerspiegeln. Zu den Veranstaltungen gehören Ausstellungen von Künstlern der ganzen Bandbreite einer künstlerischen Laufbahn, Screenings, Gesprächsrunden, Auftritte von Bands, Modenschauen und so ambitionierte Projekte wie The Emergency Festival und Seksualiti Merdeka (wobei es um solche malaysischen Tabuthemen wie historischen Kommunismus und Sexualität ging.)
Die Annexe Galerie hat die Grenzen zwischen Künstler-, NGO- und Intellektuellengemeinschaften erheblich verwischt und ihre Ideen einem größeren Publikum zugänglich gemacht. Obwohl dieser spannende Fortschritt abgeflacht zu sein scheint, fühlt sich das Publikum, das sich hier trifft, weiterhin vital und voller Energie, womöglich sogar in Familie.
Unabhängige Kunsträume sind durch die Communities charakterisiert, die sie bevölkern und denen sie dienen. Rumah Frinjan und RumahYKP sind in dieser Hinsicht wichtig. Rumah bedeutet in Malay "Zuhause". Frinjan nennt sich selbst "mehr voneinander abhängig als unabhängig", was eine in der so stark nach Rasse, Religion und Sprache geteilten malaysischen Gesellschaft dringend gebrauchte Einstellung ist. Nichtsdestotrotz haben ihre Aktivitäten dazu beigetragen, die urbane malayische Jugend zu erreichen, insbesondere durch die Pekan Frinjan Kunstmesse, die nun schon zum neunten Mal stattfindet.
YKP ist Yayasan Kesenian Perak bzw. die Perak Arts Foundation (Perak Kunststiftung), die 1996 von Raja Ahmad Aminullah gegründet wurde. Ipoh, die Hauptstadt des Bundesstaates Perak, befindet sich 90 Minuten Autofahrt nördlich von Kuala Lumpur. RumahYKP hat Vorträge von lokalen und internationalen Gästen (darunter die Chefredakteure von Nafas, Gerhard Haupt und Pat Binder), Filmvorführungen und kürzlich eine Spendensammlung für den mit einer Krankheit kämpfenden Dichter Amirul Fakir aus Perak ausgerichtet. RumahYKP belegt die grundlegende Bedeutung, die unabhängige Kunsträume für die Entwicklung einer Kunstgemeinschaft haben, ganz besonders außerhalb der Hauptstadt.
Auf ähnliche Weise sind viele andere unabhängige Kunsträume ebenso kommunale Treffpunkte für Leute mit ähnlichen Interessen, Kultur, ästhetischen Auffassungen oder Anliegen. Lost Generation Space (Raum der verlorenen Generation) ist fast schon gleichbedeutend mit einer Reihe von alternativen Festivals, denen der anti-institutionelle Name Not-That-Balai Arts Festival ("Balai" bezieht sich auf Balai Seni Lukis Negara, also die Nationalgalerie von Malaysia). In jüngerer Zeit hat LGS nach dem Umzug in ein neues Haus eine Reihe internationaler Künstler beherbergt, gesponsert von verschiedenen ausländischen Kulturinstituten in Malaysia. LGS hat auch seine Praxis hinsichtlich von Community- und ortsspezifischen Projekten neu ausgerichtet. Das bekannteste davon ist das Bangun Kunstprojekt, das Ende des vergangenen Jahres gemeinsam mit Bewohnern der Siedlung Chew Clan Jetty in Penang stattfand.
SiCKL agiert als ein Laboratorium, das sich der Förderung 'experimenteller' Kunstwerke widmet. Seit seinem Start vor fünf Jahren hat es über seine alle zwei Monate stattfindende Ausstellungs- und Veranstaltungsplattform Open Lab mehrere performative, Medien- und interdisziplinäre Projekte realisiert. Experimentell bedeutet für den Mitbegründer Kok Siew Wai, "du schaffst deine eigenen Regeln, testest sie aus und siehst was passiert oder du erfreust dich einfach am Prozess des Fragens und Probierens. Das ist 'schaffen', es passiert jetzt. Es ist ein wenig roh, aber ehrlich."
Matahati, das am längsten existierende Kollektiv in Malaysia, ist eine vom Tellerwäscher zum Millionär Erfolgsstory. Eigene Kämpfe und Erfahrungen mit den Schwierigkeiten, eine engagierte Kunstpraxis aufrecht zu erhalten, haben das Interesse des Kollektivs gestärkt, sich um das Wohlergehen jüngerer Künstlergenerationen zu kümmern. Das Haus von Matahati ist eng an vergleichbaren Künstlerinitiativen in Yogyakarta (Indonesien) ausgerichtet. Das Projekt ist komplett kommunal angelegt. Künstler haben hier nicht nur die Möglichkeit, ihre Werke zu zeigen, sondern Matahati hilft ihnen auch, diese zu verkaufen sowie eine Nachfrage für Werke jüngerer Künstler zu schaffen, die von den größeren kommerziellen Akteuren übersehen werden könnten.
Rumah Air Panas (RAP) ist 1997 von dem Fotografen Chuah Chong Yong und dem visuellen Künstler Liew Kung Yu als ein Atelierraum für Künstler geschaffen worden. 2003 wurde RAP zu einem Künstlerkollektiv mit etwa 15 immer wieder wechselnden Mitgliedern, das Ausstellungen produziert und sich auf Künstlerdialoge und Projekte im öffentlichen Bereich konzentriert. Zu den größeren Vorhaben der letzten Jahre, an denen Künstler aus Malaysia und anderen Ländern beteiligt waren, gehören Let Arts Move You (LAMU - 2007) in öffentlichen Transportmitteln in Kuala Lumpur sowie Contemporary Art in School (CAIS - 2008) in einem Gymnasium der Hauptstadt. Solche Projekte, die eine Teilnahme des Publikums, Workshops und den Austausch einbeziehen, lassen den Wunsch von RAP erkennen, Kunst außerhalb des Kontexts von Galerien zu produzieren und Netzwerke zwischen Künstlern und der Bevölkerung zu entwickeln. RAP ist gegenwärtig ohne einen eigenen Kunstraum.
Findars Space räumte im August 2009 seine Räumlichkeiten in The Annexe im Zentralmarkt. Als einer der neuesten Zugänge zum Kreis der unabhängigen Initiativen hat Findars seit seinem Start 2008 ein erfolgreiches Programm experimentellen Sounds, Musik und visueller Künste produziert. Unter der Leitung einer Gruppe junger Künstler, Grafikdesigner und Musiker wie Wong Min Lik, Tey Beng Tze und Lim Keh Soon ist Findars bestrebt, eine eigenständige Plattform zu fördern, die den Bereich der Kreativität erweitert. Wöchentliche Veranstaltungen und Ausstellungen, ausgerichtet gemeinsam mit solchen Organisationen wie Herbal Records und sicKL, ermutigen Absolventen und junge Künstler, neue Fragestellungen und Energien zur lokalen Szene beizusteuern.
Mit einem mehr museologischen Ansatz ist 12 art space auf die Forschung, Archivierung und Bewahrung fokussiert. Der von der Künstlerin Shooshie Sulaiman und von Fatina Alfis Zolkifli geleitete Kunstraum eröffnete 2007und verfolgt ein konsequentes Programm, genannt ARCHIVE. Dessen Ziel besteht darin, die Laufbahn von Künstlern der mittleren und älteren Generation sensibel zu dokumentieren und neu zu sichten. Das geschieht durch Ausstellungen und Publikationen sowie durch das physische Archivieren von Zeitungsausschnitten, Katalogen, Fotografien, Diapositiven und anderen Dokumenten. Gegenwärtig hat sich das Projekt auf das Schaffen von Tan Chin Kuan, Eng Hwee Chu und Tengku Sabri Tengku Ibrahim & Mastura Abdul Rahman konzentriert.
Das Instant Café House of Art and Ideas (CHAI) befindet sich in Petaling Jaya (einer an Kuala Lumpur angrenzenden Stadt). Dieses in einem ruhigen Vorort gelegene Nachbarschaftsprojekt ist ein Ableger der lange existierenden Instant Café Theatre Company. Initiiert als ein Treffpunkt für Künstler, um sich untereinander sowie auch mit einem größeren Publikum auszutauschen, voneinander zu lernen und sich gegenseitig zu inspirieren, veranstaltet CHAI Performances, Workshops, Vorträge und Happenings, um Ideen zu generieren, weiterzuentwickeln und sich daran zu erfreuen. Das Zentrum bereitet gerade ein Aufenthaltsprogramm für Kulturpraktiker vor und unterstützt gegenwärtig monatliche, thematisch ausgerichtete Projekte von Gastkuratoren, bei denen die Kunst und die Bevölkerung in einer informellen und entspannten Umgebung zusammenkommen.
Mit neueren unabhängigen Räumen wie CHAI und 12 Art Space, die zunehmend besser bekannt gemachte, gut dokumentierte und finanzierte Programme anbieten, lässt sich eine langsame aber ständige Wendung hin zur Professionalisierung von unabhängigen Kunsträumen in Malaysia erkennen. Durch einige solcher Projekte wie CAIS, Bangun Arts Project, LAMU und das Archivierungsprojekt von 12 Art Space tritt eine Struktur in Erscheinung, die nahelegt, dass unabhängige Initiativen langsam eine Rolle als alternative Institutionen spielen, die sich der Wirkung und möglichen Nachhaltigkeit professionell organisierter Projekte bewusst sind.
Außerdem würde diese jüngste Entwicklung auch eine zahlenmäßige Zunahme und eine wachsende Qualifikation des Kunstpublikums bedeuten. In dieser Hinsicht darf die Rolle der Technologie, besonders die Nutzung solcher sozialen Plattformen wie Facebook und Twitter, als Mittel der Öffentlichkeitsarbeit, Dokumentation und des Marketing nicht unterschätzt werden. Wir brauchen nur ein Jahrzehnt zurückzublicken, um zu sehen, wie das Internet die Verbreitung von Informationen verändert hat. Als Nation durchlebt Malaysia eine seiner wichtigsten Perioden sozialen Wandels, was auch eine Folge der Demokratisierung von Information durch das Internet ist. Auf ähnliche Weise stellen sich unabhängige lokale Initiativen den neuen Herausforderungen, indem sie fortfahren, ihre Relevanz und Bedeutung in einer Gesellschaft zu verorten, die anfängt diejenigen zu beachten, die nach alternativen kreativen Mitteln suchen, um unsere Träume, Hoffnungen und Ängste auszudrücken.
S. Chin, E. McGovern, S. Soon
Die visuelle Künstlerin Sharon Chin und die Kuratoren Eva McGovern und Simon Soon sind die Herausgeber von ARTERI (www.arterimalaysia.com), einem Blog für die wachsende Kunst- und Kulturszene in Malaysia und Südostasien.
Unabhängige Kunsträume und ihr Beitrag zum künstlerischen und kulturellen Ökosystem Malaysias
Annexe Gallery
Rumah Frinjan
Perak Arts Foundation
Lost Generation Space
SicKL
Matahati
Rumah Air Panas
Findars
12 art space
Instant Café House of Art & Ideas (CHAI)
Adressen auf den Bildseiten.