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Der frisch renovierte Kunstraum in Bahrain zeigt die Ausstellung \"Während das Land expandiert\".
Von November Paynter | Mär 2010Das gerade erst renovierte, frische Erscheinungsbild des viergeschossigen Hauses im Viertel Adliya in Bahrains Hauptstadt Manama, das jetzt der permanente Sitz des Al Riwaq Art Space ist, lässt eine schon längere Geschichte der Galerie kaum vermuten. Al Riwaq wurde 1998 von Bayan Kanoo gegründet und hat seitdem einen Weg durch verschiedene Orte, Räume und Programmansätze zurückgelegt. 2004 weitete Al Riwaq die Arbeit aus und begann besonderen Wert darauf zu legen, Kultur in die Gemeinschaft zu bringen, indem Workshops veranstaltet und Künstleraufenthalte ausgerichtet werden. Als die Galerie im Jahr 2009 ihre neuen Räumlichkeiten im Al Aali Shopping Complex eröffnete, einem der renommiertesten und luxuriösesten Einkaufszentren von Bahrain, hat das einen weiteren großen Schritt bedeutet. Obwohl die Integration einer nichtkommerziellen Kultureinrichtung in ein Einkaufszentrum als ein merkwürdiger Gegensatz erscheinen mag, ist der Raum selbst von kooperierenden Kuratoren für seinen offenen, 650 m² großen Grundriss sowie den unmittelbaren Zugang zu einem bunt gemischten und sich vergrößernden Publikum gelobt worden. Die Ausstellungen begannen dynamischer und international zu werden, wie z.B. The Ultimate Experience (Die ultimative Erfahrung) kuratiert von William Wells, Direktor der Townhouse Gallery in Kairo, in Zusammenarbeit mit Mayssa Fattouh von Al Riwaq oder eine Kooperation mit der Garanti Galeri in Istanbul, um das Multimediaprojekt Becoming Istanbul zu präsentieren. Aber die wichtigste Entwicklung für Al Riwaqs Zukunft als ein größerer kultureller Akteur in der Region fand im Laufe des Jahres 2009 statt, als das Gebäude in Adliya Gestalt anzunehmen begann und schließlich im November desselben Jahres mit einer Einzelausstellung von Waheeda Malullah eröffnete, einer der derzeit bekanntesten Künstlerinnen Bahrains.
Während der Renovierung des Gebäudes im Jahr 2009 begannen Gespräche zwischen dem kuratorialen Komitee des Artist Pension Trust (APT) Dubai [1] und Al Riwaq über die Möglichkeiten, Werke von am Trust beteiligten Künstlern im künftigen Raum in Adliya zu präsentieren. Wir, das kuratoriale Komitee, bemühten uns darum, eine Reihe von Ausstellungen zu realisieren, durch die die Existenz der Sammlung aktiviert werden könnte und Arbeiten von Künstlern aus deren Ateliers und Depots herauskämen, um in Räumen ausgestellt zu werden, die von einer solchen Gelegenheit profitieren würden. Die erste, durch die Sammlung des APT inspirierte Ausstellung, an der ich mitarbeitete, war Collection Dubai (2009), die im Smart Project Space in Amsterdam stattfand und Werke einbezog, die sich mit Praktiken des Sammelns beschäftigen. Davon ausgehend zogen wir die Schlussfolgerung, dass es besser sei, statt für jede Präsentation lediglich Werke aus der Sammlung des Trusts je nach dem Thema oder den Vorlieben der Mitglieder des Komitees auszuwählen, dem lokalen Publikum ein breites Spektrum an Werken und künstlerischen Praktiken vorzuschlagen und dieses um Hilfe dabei zu bitten, eine endgültige Liste von zu zeigenden Arbeiten festzulegen, die darauf basiert, was für so interessant und wichtig gehalten wird, dass es in dem jeweiligen Kontext installiert werden sollte. Wir hofften, durch einen solchen kreativer Prozess den Geschmack und die Interessen des Publikums einzubeziehen und auf relevante kulturelle Themen zu reagieren, um die Arbeitserfahrung und die letztendliche Ausstellung an den lokalen Bedingungen zu orientieren.
Das war der Prozess, der dann in Al Riwaq stattfand. Im November 2009 führte ich einen zweitägigen Workshop mit einer Gruppe von etwa zwanzig jungen Künstlern und den Angestellten von Al Riwaq durch, bei dem über 100 Werke in Videos und Fotos präsentiert wurden. Ausgehend von den Reaktionen der Gruppe und gewissen Themen und Interessen, die in den Gesprächen während des Workshops dominierten - Landgewinnung, die Geschwindigkeit urbaner Entwicklung in der Region und, mit Blick auf Einbeziehung des lokalen Publikums, insbesondere das Bedürfnis, Werke zu präsentieren, die starke Reaktionen provozieren könnten - begann eine Auswahlliste Gestalt anzunehmen, die schließlich zum Kernelement einer für das Frühjahr 2010 in Al Riwaq geplanten Ausstellung wurde.
Die auf diese Weise zustande gekommene Schau As the land expands (Während das Land expandiert) mit Werken von fünfzehn Künstlern und zusätzlichen Videoscreenings wurde am 2. März 2010 eröffnet. Eine Reihe der Kunstwerke der Ausstellung setzt sich mit Themen des nationalen Brandings und Forderungen nach Land auseinander, wozu das im Titel schon anklingende Potenzial der Landgewinnung gehört. Zum Beispiel die Arbeit Epuration elective (arabische Version, 2010) von Fayçal Baghriche ist eine Aufreihung aller Flaggen der Welt in alphabetischer Reihenfolge, jedoch nur dargestellt durch die Sterne darauf, die in einem einzigen Raum und Bild zusammengebracht wurden. Ein anderes Werk, bei dem es um die symbolische Natur von Flaggen geht, ist Mounir Fatmis G8 Die Besen (2004). In dieser Skulptur werden die Flaggen eines jeden Landes der G8 zum bloßen Schmuck gewöhnlicher hölzerner Besen, was sich einerseits auf die Entscheidungsgewalt bezieht, die diese Nationen gegenüber anderen haben, andererseits aber auch die reale Position ihres Status in Frage stellt. Das Video von Mounira Al Solh Paris ohne ein Meer (2007) zeigt mehrere Interviews mit Männern, die in Beirut leben und das Land jeden Tag verlassen, indem sie von der Uferstraße aus hinaus aufs Meer schwimmen - vielleicht eine Geste der Flucht oder des Wunsches, sich über eine gesetzte Grenze hinweg zu bewegen.
Um unsere Auswahlmöglichkeiten während des Workshops zu erweitern, hatten wir uns etwas von der Sammlung des Trusts gelöst, um andere Werke von Künstlern anzuschauen, die am APT Dubai beteiligt sind. Diese weitergehende Recherche führte zur Einbeziehung einer ganzen Installation von Fahrettin Örenli, die er ortsspezifisch aufbaute und die u.a. anderem auf die Förderung von Wasser und Öl sowie Besitzverhältnisse in der Region fokussiert ist. Die Arbeit Rote Zone (eine Autoabdeckung aus Kaffiyehs) von Mohamed trug dazu bei, die Ausstellung auf die Straße auszuweiten, was wichtig für Al Riwaq ist, denn die Gegend bemüht sich um eine Wohnatmosphäre, doch die Galerie muss sich nach wie vor darum bemühen, mit ihren Aktivitäten das potenzielle Alltagspublikum zu erreichen, das derzeit nach Adliya kommt, um in den vielen dortigen Restaurants zu essen. Basim Magdys Werbetafel Letzte gute Tat (2009) wurde ebenfalls außerhalb der Galerie gezeigt, und die begleitenden Plakate und sein Video Schildkröten den ganzen Weg entlang wurden einbezogen, um die Erkundungen der Idee der Landausdehnung in der Ausstellung noch weiter zu treiben, denn seine Werke blicken ins Weltall und werfen infolgedessen Fragen auf, die mit religiösem Glauben und unseren Erwartungen zu tun haben, was jenseits der von uns bewohnten Welt existiert.
Die Ausstellung eröffnete Energie geladen und voller Erwartungen sowohl hinsichtlich der gezeigten Arbeiten als auch dessen, was vom Al Riwaq Art Space künftig zu erwarten sei. Während der Tage des Aufbaus war der libanesische Multimediakünstler und Sound-Performer Tarek Atoui im Rahmen eines Künstleraufenthalts dort und richtete einen Soundworkshop mit Kindern der Gegend aus, der in einer Straßenperformance vor der Galerie kulminierte. Einige Wochen zuvor ist der ägyptische Künstler Wael Shawky in der Stadt gewesen und hat ebenfalls mit Kindern gearbeitet und eine Einzelpräsentation seines Schaffen als nächstes Projekt des Galerieprogramms vorbereitet. Mit so vielen verschiedenen und komplexen Aktivitäten, mit denen die Leute auf Al Riwaq aufmerksam gemacht werden sollen, scheinen die Ambitionen des Zentrums, zu einer vielfältigeren Wertschätzung von Kultur beizutragen und eine neue Generation kreativer Talente in Bahrain zu ermutigen, jetzt an ihrem erneuerten, zur Straße hin offeneren Ort noch Erfolg versprechender zu sein.
Anmerkung:
November Paynter
Assoziierte Direktorin für Programme und Forschung von SALT, Istanbul, Türkei.
Künstler/innen:
Can Altay, Fayçal Baghriche, Osman Bozkurt, Shezad Dawood, Mounir Fatmi, Mariam Haji, Basim Magdy, Randa Mirza, Mohamed, Huma Mulji, Rana El Nemr, Fahrettin Örenli, Güclü Öztekin, Mounira Al Solh, Miha Strukelj; mit Videoscreenings u.a. von Köken Ergun, Ciprian Muresan, Wael Shawky und Erzen Shkololli.
Eine Ausstellung inspiriert durch die Sammlung des Artist Pension Trust, Dubai.
Organisiert von November Paynter in Kooperation mit Al Riwaq.
As the Land Expands
2. März - 15. April 2010