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In hintersinnigen Objekten persifliert und dekonstruiert der indonesische Künstler Konsum-Ikonen.
Von Agung Hujatnikajennong | Mär 2009In Indonesien wie überall auf der Welt funktioniert ein Kaufhaus heutzutage nicht nur als ein Ort zum Einkaufen, sondern als ein öffentlicher Raum, eine Kathedrale für urbane Bewohner: einem Ort, an dem die Leute "über sich selbst" nachsinnen und reflektieren.
In seinem kritischen Essay über Stadtplanung im heutigen Jakarta, kennzeichnet der Kulturkritiker und Architekt Marco Kusumawijaya ein Einkaufszentrum als eine kommerzielle Megastruktur, die zu einem Symbol für das Fortschrittsstreben der Menschen geworden ist. Die Zahl der Einkaufszentren in einer Stadt sei der Maßstab dafür, wie weit sich diese entwickelt hat und wie wohlhabend eine Gesellschaft ist. Welchen Lebensstil verlangt eine Stadt, wenn ihr Fortschritt allein an den Kaufhäusern gemessen wird? Wir können uns durchaus vorstellen, dass die gängige Lebensweise der Städter vornehmlich auf Konsum beruht und sich der Akt des Kaufens al ein Grundbedürfnis etabliert hat.
In den Werken der Ausstellung Window Display (Schaufensterauslage) von Wiyoga Muhardanto geht es um solche Fragen. Für Wiyoga ist diese Schau allerdings keine neue Phase künstlerischer Erkundungen, er hat sich in den letzten vier Jahren schon mit ähnlichen Themen beschäftigt. Window Display ist allerdings seine erste Einzelausstellung.
Die meisten Arbeiten hat Muhardanto auf der Grundlage eines sorgsamen Studiums dreidimensionaler Objekte, ihrer Farben, Formen, des Volumens und der Textur, produziert. Das tat er nicht nur deshalb, weil er seine formelle Ausbildung als Bildhauer erhielt, sondern das hat auch mit seinem Hang zu tun, die symbolischen Qualitäten alltäglicher Objekte aufzuspüren.
Muhardanto untersucht die Erscheinung und Funktion massenhaft produzierter Alltagsobjekte und macht durch sein Werk unvorhersehbare und kluge Assoziationen und Statements. Im dritten Jahr seines Studiums am ITB (Institut Teknologi Bandung) begann er mit einer Serie von Experimenten, bei denen er zwei verschiedene gewöhnliche Gegenstände kombinierte, die eng miteinander verbunden sind (sei es durch ihre Funktion oder ihre Bedeutung). So kombinierte er z.B. eine altmodische Schreibmaschine mit einer glänzend weißen Schachtel derart, dass das Objekt an das Design des neuesten Laptops erinnert (iType, 2005).
Muhardantos künstlerische Bemühungen reichen über die Intention hinaus, alltägliche Objekte oder Konsumgüter zu unterwandern, durcheinanderzubringen oder umzudeuten. In einer Ausstellung mit dem Titel Bandung New Emergence (2006) im Selasar Sunaryo Art Space präsentierte er eine Reihe von Waffenrepliken, die Gewalt implizieren: AK 47, Messer und Handfeuerwaffen. Interessanterweise schuf er den Körper der Waffen aus dem Leder nachgemachter Markenhandtaschen. In der Arbeit mit dem Titel LV Violence Series (2006) sind Markenartikel in Kopien von Waffen umgewandelt, die das Konsumverlangen bedrohen, indem sie die Leute dazu bringen, sich zu unterwerfen und zu ergeben.
Vom anfänglichen Kombinieren von Formen und Assoziationen von Objekten ist Wiyoga zu einem bewussten Spielen mit Zeichen und Bedeutungen übergegangen. In der nächsten Phase seines Schaffens wurden seine Werke zunehmend kritisch. So kombinierte er z.B. in Spinning (2007) einen häuslichen Koranständer mit Drehscheiben, die von DJs verwendet werden. Das Werk kommentiert eine sich vor allem unter der Jugend Indonesiens verändernde kulturelle Situation, denn die religiös-geistige Aktivität ist von solchen neuen Gewohnheiten wie dem Herumhängen in Nachtclubs verdrängt worden.
Durch seine Kunstwerke untersucht und unterwandert Muhardanto die Interaktion zwischen Zeichen. Interessant ist, dass er es dabei vorzieht, auf eine ziemlich traditionelle Weise zu arbeiten. Trotz der Intention, "gefundene Zeichen" statt gefundener Objekte zu verwenden, benutzt er niemals nur irgendwelches vorgefertigtes Material ohne ihm seinen eigenen persönlichen Touch zu geben. Er neigt zu Methoden der konventionellen Skulptur und fertigt seine Stücke lieber mühsam selbst an, statt einfach nur gefundene Gegenstände zu benutzen. Leidenschaftlich liebt er den skulpturalen Prozess.
Um seine Werke zu schaffen benutzt der Künstler eine Modelliertechnik, einen Prozess der Formgebung oder des Imitierens einer Vorlage von Hand. Die Technik ist im Allgemeinen zeitaufwendig und eine komplizierte Prozedur. Er benutzt sie als eine Strategie, um den Eindruck zu vermeiden, dass die Werke maschinell gefertigt worden sind sowie auch um die romantische Idee der Bildhauerei für die Schaffung privater und intimer Objekte wieder aufleben zu lassen. Es ist kein Zufall, dass Muhardantos Werke sehr taktil sind, wobei das nicht Perfekte als ein deutlicher Hinweis auf die Hand des Künstlers gilt. Muhardanto ist es wichtig, dass seine Werke als eine Alternative zum maschinell Hergestellten erkennbar bleiben und nur den einer menschlichen Hand möglichen Grad an Perfektion aufweisen.
Eines der Exponate, die sein hohes Niveau technischer Fertigkeiten bei der Herstellung demonstrieren, ist MPV a.k.a Multi-Part Vehicle. Es handelt sich um die Replik eines dreidimensionalen Objekts, das verzerrt ist, und zwar so weit, dass seine ursprüngliche Bestimmung gestört ist. Man kann leicht erkennen, worauf sich die Arbeit bezieht, nämlich auf ein luxuriöses japanisches MPV (Multi-Purpose Vehicle - Mehrzweckfahrzeug), ausgestattet mit einem spezielles Schiebetürsystem für die Fahrgäste. Das Objekt wurde im Maßstab 1:1 nachgeformt. Muhardanto spielt mit der normalen Funktion der Tür auf eine Weise, die sarkastisch und humorvoll zugleich erscheint: er hat das Werk vertikal in drei Teile "geschnitten". In das Innere montierte er einen Motor und einen Mechanismus, der es möglich macht, dass das Vorder- und das Hinterteil des Fahrzeugs vor und zurück gleiten, während der mittlere Teil, wo die Schiebetür eigentlich sein sollte, unbeweglich bleibt.
Es gibt zwei Werke, die ich für ganz herausragend halte: Painting as a Machine (Gemälde als Maschine) und Painter as a Machine (Maler als Maschine, beide 2008). Sie überschreiten die Grenzen zwischen zweidimensionalen und dreidimensionalen Arbeiten. Die erstere ist ein dreidimensionales Werk auf Leinwand in Form eines Flachbildschirms, während die letztere ein Videoprojektor ist, der ebenfalls aus Leinwand gebaut wurde und sich auf die allgemeine Praxis hyperrealistischer Maler bezieht, statt der Zeichenkunst einen Projektor für den Beginn des Malens an einem Bild zu benutzen. Diese Werke beziehen sich auf das zur Ware werden von Gemälden insbesondere in fotorealistischer Manier, die sich in den regionalen Auktionshäusern besonders gut verkaufen. In seinen künstlerischen Erkundungen bestätigt Muhardanto seine Fähigkeit, Zeichen und Symbole nicht nur dekonstruieren und zersetzen zu können, sondern auch auf eine scharfe und schlüssige Art Kritik zu üben.
Agung Hujatnikajennong
Kurator und Kunstkritiker. Seit 2001 Kurator am Selasar Sunaryo Art Space, Bandung, Indonesien.
Kurator: Agung Hujatnikajennong
Window Display
19. Dez. 2008 - 18. Jan. 2009