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Der indonesische Künstler Jompet Kuswidananto über seine Installation "Javas Maschine: Phantasmagorie".
Mär 2009Die Kulturgeschichte einer Nation, eines Gemeinwesens, ist immer eine Geschichte der Schnittpunkte, Auseinandersetzungen, Gegenüberstellungen und der Vermittlung zwischen verschiedenen Glaubensrichtungen und Werten. Synkretismus ist dabei eine Strategie, sozusagen ein System, mit dem versucht wird, zu schlichten, zu manipulieren oder disparate oder widersprüchliche Auffassungen zwischen "uns" und "dem Anderen" zu überwinden. Daher können wir Synkretismus nicht nur als Verteidigungsmechanismus, sondern auch als Mittel sehen, binäre Gegensätze in Einklang zu bringen und abzuschwächen. Im Ergebnis dessen ist die aus Synkretismus hervorgegangene Welt eine "Collage", eine Welt voller Schichten von Glauben und Werten, eine Fülle an kulturellen Brüchen. Eine Phantasmagorie.
Java ist auf Grund seiner geografischen Lage lange Zeit eine Schnittstelle zwischen Kontinenten und Ozeanen gewesen. Deswegen ist seine Kulturgeschichte eine Geschichte des Synkretismus. Statt sich jeder ankommenden Kultur und Religion zu widersetzen, haben die Javanesen offenbar alles als notwendige Ingredienzien genommen, um eine neue Synthese zu schaffen: einen grundlegenden javanesischen Synkretismus. Dieses "System" wurde schließlich zur tatsächlichen Volkstradition der Insel, zum "Treibstoff" ihrer Zivilisation. Zur "Maschine" ihrer Kultur.
Die Kulturmaschine Javas stieß dann auf eine andere Kulturmaschine, die Moderne, die ankam und von realen Maschinen angetrieben wurde. Es handelte sich um Maschinen, welche die mechanisierte Arbeit vorantrieben, eine mechanisierte Lebensform.
Wenn - so wie es überall passierte - die Erfahrung der mechanisierten Arbeit und der Schock der modernen urbanen Existenz dazu führten, dass das Leben auf einer fragmentierten, oberflächlichen Ebene gelebt wurde, dann überträgt der Synkretismus / die Phantasmagorie eine solche oberflächliche Erfahrung in ein Stadium illusorischer Fülle. Die illusorische Ganzheit des Synkretismus / der Phantasmagorie verdeckt den realen Zustand des Subjektiven und der sozialen Zersplitterung. Obschon der technologische Wandel eine Erfahrung des Schocks erzeugt, bietet er auch einen Mechanismus der Kompensation: die Phantasmagorie, die als das dialektisch Andere der Fabrik fungiert. Das Aufkommen der Technologie erhöht das Potenzial phantasmagorischer Effekte. Man kann auch sagen, die Phantasmagorie ist eine Phantasiewelt, die als ein Schutzschild funktioniert.
Im Falle Javas manifestiert sich die Form eines solchen Schutzschilds in Mythologien und Phantasien, die von Zeit zu Zeit (re)produziert werden. Es sind Mythologien und Phantasien, mit denen versucht wird, die Oberflächlichkeit des Alltagslebens zu verdeutlichen und zu erfassen. Dieser Mechanismus erwächst aus einer nicht-linearen javanesischen Auffassung und Wahrnehmung von Zeit und kann von daher daraus erklärt werden: Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft wohnen im selben Raum/Ort. Eine Welt der Phantasmagorie besteht aus der Gegenüberstellung alter Symbole und Geister, der Oberflächlichkeit des täglichen Lebens und den Phantasien der Zukunft.
Andererseits erzeugt die Phantasmagorie, so wie die Laterna Magica, von der sich der Name ableitet [Phantasmagorie: Darstellung gespensterartiger Gestalten mit Hilfe optischer Vorrichtungen, z.B. Laterna Magica - Anm.d.Ü], eine so überzeugende Illusion, dass der Schatten zu einem materiellen Körper wird. Kann die Phantasmagorie als illusorisches (und trügerisches) Spiel kultureller Symbole, das - wie früher bereits - dazu dient, die negativen Effekte des Kolonialismus / Kapitalismus zu verdunkeln, dieselbe Rolle in unserer heutigen Welt spielen? Oder würde die Phantasmagorie in einer von digitalisierter und visualisierter Information überfluteten Welt nicht nur noch mehr Verwirrung stiften?
Zur Installation
Die Installation Java's Machine: Phantasmagoria versucht, sich mit dem oben genannten Konzept auseinanderzusetzen, indem sie die Form/Figur des königlichen Soldaten, so wie sie in Javas Herrschaftszentren (Yogyakarta und Solo) zu finden ist, adaptiert. Man kann die Form und den Einsatz der königlichen Soldaten auf Java als ein Abbild dessen sehen, wie der javanesische Synkretismus versucht, divergierende Glaubensvorstellungen und Kulturen, die auf die Insel kamen, miteinander zu verschmelzen. Seit der Mitte des 18. Jahrhunderts, als die holländische Kolonisierung schon in die kulturellen und politischen Angelegenheiten des javanesischen Königreichs eingriff, haben die königlichen Soldaten keine militärische Funktion mehr gehabt. Ihre Existent diente nur noch symbolischer Bedeutung. Wie oben erwähnt, sollte diese Praxis als eine Strategie gesehen werden, als ein Verteidigungsmechanismus, um die gegensätzlichen Glaubensvorstellungen und Kulturen miteinander zu versöhnen und zwischen diesen zu vermitteln. Das kann an den Uniformen gesehen werden, die tatsächlich Collagen verschiedener Kulturen und Traditionen sind: hinduistische, islamische, westliche und lokale Traditionen. Das ist ein neues Schlachtfeld für javanesische Soldaten, ein Krieg gegen die Homogenisierung.
Javas Maschine: Phantasmagorie. 2008
Installation
Gezeigt Dezember 2008 - Januar 2009 im Cemeti Art House in Yogyakarta, Indonesien, und zuvor in der Yokohama Triennale 2008 in Japan.