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Rezension des Bildbands "Iranian Photography Now", hrsg. von Rose Issa; mit einigen Fotos.
Von Elisabeth Wellershaus | Jan 2009Iranische Exilfotografen wie Shirin Neshat sind in der internationalen Kunstwelt hinlänglich bekannt - sie erlebten in den vergangenen Jahren einen regelrechten Boom. Jene, die ihr Heimatland nicht verlassen haben, tauchen in der westlichen Wahrnehmung dafür kaum auf. Diesem Phänomen geht Rose Issa in ihrem neuen Buch nach und versucht nicht weniger, als das gesamte Spektrum der zeitgenössischen iranischen Fotografie zu dokumentieren.
"Iranian Photography Now" ist ein ambitioniertes Unterfangen. Und so kommt es denn auch nicht ganz ohne Einbußen aus. "Natürlich ist die Auswahl der Künstler im Buch eine sehr persönliche und vermittelt ein äußerst lückenhaftes Bild", gibt die Kuratorin und Kunstkritikerin Issa zu. "Aber irgendjemand musste ja mal einen Anfang machen und einen Schnitt durch die Generationen, Ästhetiken und verschiedenen Lebensumstände der Fotografen aufzeigen."
Herausgekommen ist ein Buch, das einen guten Überblick über die sehr unterschiedlichen künstlerischen Ausrichtungen iranischer Fotografen im In- und Ausland bietet. Ein Buch, in dem vermittelt wird, dass sich die Themen dieser scheinbar so verschiedenen Fotografen oft überschneiden. So beschäftigt sich die Nachwuchsfotografin Newsha Tavakolian in ihrer Serie "Mother of Martyrs" ebenso mit dem Krieg, wie Veteranen à la Abbas und Kaveh Golestan, die bereits den ersten Golfkrieg fotografisch begleiteten.
Neben der Auseinandersetzung mit einschlägigen politischen Themen liegt Issa aber auch ein kulturpolitisches am Herzen – die Zensur. "Meiner Meinung nach hat der Westen ausgesprochen verquere Vorstellungen davon, wie man in islamischen Ländern mit der Zensur umgeht", sagt sie. "Während der islamischen Revolution zum Beispiel waren Künstler alles andere als untätig und haben auf pfiffigste Weise versucht, die Grenzen des Darstellbaren auszuloten. Zensur und Repressionen haben die meisten doch nur ermutigt, mit neuen Ausdrucksformen zu experimentieren."
Bei dieser Einstellung verwundert es kaum, dass der Fotograf Amirali Ghasemi derzeit zu Issas Lieblingskünstlern zählt. In einer Serie mit dem Titel "Party" verhandelt der junge Künstler das Überwinden von gesellschaftlichen Tabus in heutigen Zeiten. Und in der ausgelassenen Feierszene, die das Cover von "Iranian Photography Now" ziert, lotet er den Kontrast zwischen Öffentlichkeit und Privatleben aus. "Auch heute müssen die Menschen in Iran sich wieder strengen Regeln unterwerfen", erzählt Issa. "Sie müssen sich der schizophrenen Zweiteilung eines öffentlichen und eines privaten Ichs unterwerfen." Ghasemi macht aus dieser Not einfach Kunst und blendet die Gesichter und Hände seiner trinkenden und rauchenden Protagonisten weiß über. Damit schützt er nicht nur ihre Identitäten - sondern erfindet nebenbei auch eine ganz spezifische Ästhetik.
An einigen Stellen in Issas Buch scheinen zwar gerade die unterschiedlichen Ästhetiken der Fotografen etwas wahllos zusammengewürfelt. Aber schließlich geht es der Kuratorin ja auch um mehr, als um wasserdichte inhaltliche Konzepte. "Es geht mir vor allem darum, dem Westen verständlich zu machen, dass der Nahe Osten Teil dieses Planeten ist." Das dürfte mit dem vorliegenden Buch gelungen sein.
Elisabeth Wellershaus
Geb. 1974, studierte Theaterwissenschaften und Kulturanthropologie in London. Lebt als Journalistin und Übersetzerin in Berlin.
Iranian Photography Now
Hrsg. von Rose Issa, Vorworte von Martin Barnes und Homi Bhabha, Einführung von Rose Issa
Englisch
Hatje Cantz Verlag, Ostfildern, 2008
236 Seiten, 189 Abbildungen / 149 in Farbe
24,50 x 30,70 cm
Hardcover
ISBN 978-3-7757-2257-5