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Spannungen und Absurditäten asynchroner Entwicklungen in Zeiten massenhafter Urbanisierung.
Von Valerie Grove | Jun 2009Huma Mulji vermischt Installation, Skulptur und Fotografie, manipuliert damit unbekümmert Kontext und Inhalt und stellt ungleiche Materialien einander gegenüber, um ein eigenes Label von situationistischer Absurdität zu schaffen. In diesem Prozess, den Humor und das Spektakel betonend, sind einige scharfsinnige Beobachtungen der sozialen und ökonomischen Realitäten im heutigen Pakistan zu finden.
Mulji wurde 1970 in Karachi geboren und lebt jetzt Lahore, wo sie seit 2002 Assistenzprofessorin der Schule der Visuellen Künste an der Beaconhouse National University ist. Davor hat sie mehrere Jahre als Gestalterin im Theaterbereich gearbeitet, und die Sensibilität für die Inszenierung scheint in ihrem Schaffen, das eine bis zum Slapstick gehende Theatralik ausstrahlen kann, ganz offenkundig zu sein.
"High Rise" (Hochhaus, hoch aufragend), zu sehen bis zum 20. Juni 2009 in der Elementa Gallery, ist Muljis erste Einzelausstellung in Dubai, doch sind Arbeiten von ihr nicht zum ersten Mal in den Vereinigten Arabischen Emiraten. Ihre Installation Arabian Delights (Arabische Wonnen) war einer der Höhepunkte der Schau Desperately Seeking Paradise (Verzweifelt das Paradies suchen), die als Pakistanischer Pavillon bei der Kunstmesse Art Dubai 2008 gezeigt wurde. Diese Arbeit bestand aus drei angepassten Reisekoffern und griff Aspekte der ökonomischen Migration und Beziehungen zwischen Pakistan und den Golfstaaten auf. Die vergoldeten Inhalte in einem Koffer suggerierten die von den Migranten am Golf erhofften Reichtümer, während in einem anderen aus zwei stehenden Handduschen mit kleinen Lautsprechern darin Berichte über die Träume der Wanderarbeiter und deren reale Bedingungen ertönten. Der dritte Koffer, in den ein ausgestopftes Kamel gequetscht war, erlangte schnell Berühmtheit, nachdem er wegen einer Beschwerde aus der öffentlichen Schau entfernt werden musste.
Auch die Stars in "High Rise" sind ausgestopft, aber dieses Mal handelt es sich um ein Paar Wasserbüffel und damit um immerwährende Symbole des ländlichen Asien statt der arabischen Wüsten. In Heavenly Heights (Himmlische Höhen) befindet sich einer von ihnen gefährlich hoch an der Decke der Galerie als wenn er an einem stählernen Strommast hinaufgeklettert wäre. Her Suburban Dream (Ihr Vororttraum) zeigt das andere Tier auf den Knien, und der Kopf ragt aus einem Betonrohr, das den absurd verlängerten Hals umschließt. Der visuelle Eindruck ist komisch und grotesk.
Diese beiden skulpturalen Arbeiten werden von sechs Fotografien begleitet, in denen die Wasserbüffel in anderen ungewöhnlichen Situationen erscheinen. Housing Scheme (Siedlung) zeigt vier Tiere, die vom Dach eines großen baufälligen Wohnblocks irgendwie verwirrt nach unten blicken, während in Pardesi Pride zwei von ihnen das Stahlskelett eines neuen Bauprojekts beobachten. Auf einem weiteren Foto, White Cement and Marble Dust (Weißer Zement und Marmorstaub), steht ein Wasserbüffel wie ein Tourist zwischen zwei weißen Gipspferden, den klassisch kitschigen Skulpturen im Rondell eines Kreisverkehrs, vor halbfertigen Gebäuden im Hintergrund. Diese Szene ist hübsch invertiert für In Black and White, wo ein Gipspferd gleichermaßen deplaziert auf ein leeres Feld transponiert und dort von einem Büffel neugierig angeschaut wird. Auch die anderen Fotos suggerieren eine ländliche Szenerie, jedoch als rein visuelle Fantasien, die mit der Idee eines vertikalen oder "hoch aufragenden" urbanen Daseins vor einem horizontalen ländlichen Raum spielen. Diese Gegenüberstellungen funktionieren auf unterschiedliche Weise, alle vermitteln jedoch etwas von Parallelexistenzen, in denen sich diverse Elemente mit unterschiedlicher Geschwindigkeit bewegen, sich ausbreiten und mit anderen in bizarren und oft verstörenden Situationen kollidieren.
Mulji begann ihre künstlerische Praxis mit konventionellen Metallskulpturen, aber das Auftauchen neuer Materialien auf den Märkten von Karachi in den späten 1990er Jahren verschoben ihren Fokus auf den gegenwärtigen Prozess des "Machens" von Skulpturen aus einer Vielfalt der zur Verfügung stehenden Ausgangsstoffe. Mit diesem Wandel ging ein unvermeidliches Nachdenken über die globalisierte Wirtschaft und die wechselnden Vorlieben, die einzelne Materialien repräsentieren, einher.
2004 begann sie mit Fotografie zu arbeiten und produzierte Sirf Tum. Diese Fotoserie untersucht Standpunkte und Themen, die zur öffentlichen Intimität in Beziehung stehen, auf eine spielerische Weise, indem sie nackte Barbie- und Ken-Puppen an unpassende Orte stellte und fotografierte, oft in Gegenwart scheinbar zufälliger Betrachter. In diesen Werken ist der Sinn für die Inszenierung so offenkundig wie es auch die Beziehung zwischen Installation und Fotografie ist, was ebenfalls in "High Rise" wesentliche Aspekte sind.
Das Arbeit mit ausgestopften Tieren ist sehr neu und begann erst 2008, außer Kamelen und Büffeln hat sie bislang auch Affen benutzt. In Salute (ebenfall in die Ausstellung in der Elementa Gallery einbezogen) bringen Bewegungssensoren den motorisierten Arm des farbenfroh gekleideten Affen dazu, vorbeigehende Personen zu grüßen. Das ist ein weiteres wesentliches Symbol nicht nur in Pakistan, sondern auch in anderen Gegenden Asiens, wo dressierte Affen vor allem in ländlichen Gebieten nach wie vor eine Quelle der Unterhaltung sind.
Mulji erkennt an, dass Taxidermie unweigerlich Aufmerksamkeit erregt, aber sie sieht sie einfach nur als eine weitere Möglichkeit skulpturalen Materials, auf das sie zufällig während des Zeichnens von Kamelen im Zoo von Lahore gekommen war. Sie traf den dort angestellten Tierpräparator und wurde sich bewusst, dass dieses Medium genau das ist, was sie für die Arbeit brauchte, um ihre dunklen, aber absurden und surrealen Geschichten zu erzählen.
Obschon es im Allgemeinen durchaus vernünftig ist, dass sich auch Künstler an den alten Ratschlag aus Hollywood halten, "arbeite nie mit Tieren oder Kindern", machen die ausgestopften Protagonisten in dieser speziellen Ausstellung eine Ausnahme. Die merkwürdige und komödiantische Zwangslage der Büffel ist unterhaltsam, schafft aber auch Raum für das Nachdenken über die Komplexität der Beziehungen zwischen dem Ländlichen und dem Urbanen in sich schnell entwickelnden Umgebungen. Solch ein "High Rise" reicht über die nationalen Grenzen Pakistans hinaus. Eine Erkundung dieser Spannungen, Absurditäten und unbeabsichtigten Konsequenzen kann ebenso für jede andere Nation in der Übergangsphase zur massenhaften Urbanisierung gelten. Die Werke werfen drängende Fragen nicht nur nach dem Tempo, sondern auch nach der Art des Wandels sowie danach auf, dass sich Zeit und Raum der Ökonomie nicht notwendigerweise synchron zueinander bewegen. Es wird faszinierend sein zu verfolgen, wie Muljis einzigartiger Standpunkt weiterhin Aspekte einer Nation reflektiert, die ebenso in den kommenden Jahren zu jenen gehört, denen besondere Beachtung zu widmen ist.
Valerie Grove
Künstlerin und Autorin, lebt in London, Vereinigtes Königreich.
High Rise
3. Mai - 20. Juni 2009