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Die Ausstellungen “Emirati Expressions” und “Re-Source” in Abu Dhabi und Dubai.
Von Cristiana De Marchi | Feb 2009Fast zur gleichen Zeit wurden in Abu Dhabi und in Dubai zwei Ausstellungen eröffnet, die auf den ersten Blick in dieselbe Richtung zu gehen scheinen. "Emirati Expressions" und "Re-Source" - so die jeweiligen Titel - sind beide auf die zeitgenössische Kunstproduktion der Vereinigten Arabischen Emirate fokussiert und begeben sich in den Bereich der Faszination, die die Kunstszene des Landes umwabert. Tatsache ist, dass das Bewusstsein der Kreativität made in UAE von den lokalen Kunstbeobachtern und Experten nicht genug gefördert wurde und dass diese mehr auf einen fahrenden Zug aufgesprungen sind als eine Tendenz zu antizipieren.
Die Ausstellung in Dubai ist der zweite Schritt eines Projekts, das von einer der interessantesten und "selbstbewusstesten" Galerien der Stadt entwickelt wird. Es begann im letzten Sommer, als die künstlerische Leiterin der Elementa Gallery, Mehnaz Tan, eine erste Ausstellung mit jungen KünstlerInnen der Emirate ("Beyond Conventions") organisierte, wobei sich die Idee herauskristallisierte, dem Diskurs eine gewisse Art von Kontinuität zu geben. "Re-Source" ist eine Konsequenz dieser Erfahrung und zeigt zehn junge Kunstschaffende, die vom Kurator Mohammed Kazem sorgfältig ausgewählt worden sind. Bis auf drei von ihnen - Layla Juma, Abdul-Rahman Al Ma’aini und Moza Al Suwaidi -, die zum Kollektiv von The Flying House gehören, kommen die anderen geradewegs von lokalen Universitäten. Alle von ihnen offenbaren ein starkes Bewusstsein und sind schon in einigen Gruppenausstellungen vertreten gewesen, die lokale und internationale Galerien und Institutionen organisiert haben. Um ehrlich zu sein, in einem kleinen "Umfeld" ist es für junge Talente wohl einfacher, die Aufmerksamkeit der Kritik zu finden, als unter den Bedingungen, unter denen gleichaltrige KünstlerInnen in einem Land mit "etablierter" Kunstszene leben und arbeiten. Die Tatsache, dass vier der zehn (Lateefa Bint Maktoum, Reem al Ghaith, Khouloud Sharafi, Abeer A. Tahlak) auch in der Ausstellung in Abu Dhabi erscheinen, mag diesen Eindruck bestätigen, genauso wie die Teilnahme einiger von ihnen an der bevorstehenden 9. Sharjah Biennale.
Indem sie sich mit Klischee behafteten Themen wie Identität oder aufgepfropfter und selbst gebauter Metaphorik auseinandersetzen, stellen sich die meisten der hier vertretenen KünstlerInnen dem heiklen Thema der Selbstbestimmung. Neben der Notwendigkeit, eine positive und konstruktive Kurator-Künstler-Beziehung aufzubauen, bestand eine der wichtigsten Absichten des kuratorialen Teams darin, zur Produktion neuer Werke zu ermutigen (die Hälfte der Arbeiten ist extra für dieses Projekt geschaffen worden). Mit drei Installationen (eine davon ist von Hind bin Demaithan, den man im Blick behalten sollte), einer Skulptur und einer ortsspezifischen "Tapete" (Khalid Mezaina) - neben der üblichen "Flachware" (besonders hervorzuheben ist die Fotoarbeit von Maitha Huraiz) - ist eine Vielfalt an Medien in dieser Schau gewährleistet. Das Projekt soll jungen Talenten eine konkrete Chance bieten, ihre Ausdrucksmöglichkeiten zu diversifizieren und sie darin bestärken, alternative Wege einzuschlagen, die grundlegende Schritte hin zur Entwicklung einer eigenen künstlerischen Identität sind.
Demgegenüber wird die von Anne Baldassari kuratierte und im Luxushotel Emirates Palace in Abu Dhabi gezeigte Ausstellung "Emirati Expressions" einem überaus ambitiösen Anspruch nicht gerecht. Als die Ausschreibung veröffentlicht wurde, war es das erklärte Ziel, 150 Künstlerinnen und Künstler aus den Vereinigten Arabischen Emiraten zusammenzubringen! Letztendlich sind 64 vertreten, und eine noch weitaus striktere Auswahl wäre dringend zu empfehlen gewesen. Dieser überzogene Anspruch hat der Qualität der Schau eindeutig geschadet, denn die "respektablen" Werke von ein paar KünstlerInnen gehen in der Masse der Kreationen viel zu vieler Amateure unter. Kann sein, dass dies der Grund ist, weshalb die Schau pompös in Szene gesetzt wurde: die Galerie ist komplett schwarz gestrichen, um den Gedanken einer Black Box zu evozieren, wie die Kuratorin vage andeutete. Aber man hat den Eindruck, dass die kuratoriale Betonung des Kontexts die Aufmerksamkeit eher von den Werken ablenkt... Sollte ein Besucher ein Kunstexperte oder -liebhaber mit nur geringer Kenntnis der lokalen Szene sein, könnte er bzw. sie das offensichtliche Fehlen einiger der wenigen international bekannten Künstler der Emirate bemerken. Diesbezüglich könnte die Präsenz von Hassan Sharif und Hussein Sharif das Publikum in die Irre führen, denn auf den jeweiligen Exponatschildern steht nichts davon, dass es sich bei deren Gemälden und Collagen um Leihgaben einer Privatsammlung handelt, obwohl auch diese beiden Künstler nicht damit einverstanden waren, ihre Arbeiten in einem solchen Kontext zu zeigen. Es ist ein zweifelhafter Versuch der Aufwertung dieser Ausstellung, die selbst so wenig zu bieten hat. Die "ornamentale" Nutzung traditioneller Formate herrscht vor, so wie es normalerweise der Fall ist, wenn die Akzeptanz für andere kreative Module (Skulptur, Installation, Video etc.) nur gering ist und sich erst durchsetzen muss. Es ist wirklich schade, dass eine Veranstaltung auf diesem Niveau, eine hervorragende Gelegenheit, ein "Meilenstein" zu werden, nicht zu nutzen wusste und es stattdessen vorgezogen wurde, mit dem gemeinhin üblichen Geschmack aufzuwarten.
Die Künstlerinnen und Künstler offenbaren oft die Widersprüche ihrer Daseinsbedingungen, die schwierige Suche nach einem Ausgleich zwischen den von der Tradition diktierten Regeln und ihrem eigenen künstlerischen Streben. Eine tiefere Ausarbeitung gerade dieser Themen, die letztendlich wesentlich für die Entwicklung einer Identität und künstlerischen Position ist, findet man in einigen vielversprechenden Talenten. So in den vier schon genannten, die auch in "Re-Source" vertreten sind, sowie ebenso bei Reem Ali Beljafla, Hind Mezaina und Ebtisam Abdul Aziz, der einzigen Künstlerin, die es wagte, ein Video und Stills von einer Performance zu zeigen, was unglücklicherweise in eine Ecke verbannt wurde und kaum sichtbar war. Bei einigen anderen Arbeiten, in denen das Sujet zu offensichtlich und fast vordergründig erscheint, haben wir es nicht wirklich mit Kunstwerken zu tun, sondern einfach nur mit Seiten eines Journals, der Dokumentation einer bei weitem nicht erreichten Absicht.
Falls jemand beim Lesen dieser Rezension den Eindruck haben mag, zwischen diesen Ausstellungen gäbe es keinen wesentlichen Unterschied, weil doch beide "nationale" und vor allem junge KünstlerInnen vorstellen, die noch auf der Suche nach ihrer künstlerischen Persönlichkeit sind, sei ganz eindeutig gesagt: Die Unterschiede sind erheblich, sowohl hinsichtlich des Anliegens als auch des Ergebnisses. Während die Ausstellung in Abu Dhabi von dem Wunsch nach einer Bestandsaufnahme der gegenwärtigen Kunstszene und davon geleitet ist, einfach nur zu zeigen, dass es in den Emiraten eine Fülle an Kunst gibt, und sie sich selbst und auch die künstlerische Produktion überhaupt nur abschwächt, richtet die Schau in Dubai ihre Anstrengungen auf eine Auswahl junger Künstlerinnen und Künstler und auf die Entwicklung eines Netzwerks im Sinne von Nachhaltigkeit. Das ist natürlich kein revolutionärer Ansatz, es ist einfach nur richtig, fair und respektvoll und widerspiegelt eine weitsichtige Perspektive, statt einer sich nur selbst feiernden Auffassung.
Cristiana De Marchi
Freischaffende Autorin, lebt in Dubai.
Re-Source
31. Jan. - 5. März 2009
Elementa Gallery
Dubai
Emirati Expressions
20. Jan. - 16. April 2009
Emirates Palace
Gallery One
Abu Dhabi