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Das Contemporary Image Collective - Herausforderungen und Reflexionen in Zeiten des Wandels.
Von Aleya Hamza | Mär 2009Das Contemporary Image Collective (CiC) wurde 2004 von einer Gruppe professioneller Fotografen und Künstler als nicht-kommerzielle Organisation für visuelle Künste gegründet. Das CiC begann als eine Künstlerinitiative und wurde aus pragmatischen Gründen schnell in eine stabilere, konventionelle institutionelle Struktur umgewandelt, die den Ambitionen der Gründungsmitglieder des Vorstands mehr entsprach. Deren Ziel war es, eine konstruktive Plattform für die Unterstützung gleichgesinnter Personen und Gruppen zu schaffen, die mit dem Medium der Fotografie in seinen vielfältigen Varianten arbeiten möchten. Im Dezember 2005 eröffnete das CiC seinen gegenwärtigen Sitz in der zweiten Etage und auf den Dach einer bezaubernden Villa aus den 1920er Jahren, die sich an einer der Hauptstraßen befindet, die in das Herz des alten urbanen Zentrums von Kairo führen.
2008 war für diese junge Institution in Kairo ein produktives Jahr. Es begann mit einer räumlichen Ausdehnung in einen zusätzlichen Ort, an dem die jüngste Lerninitiative, CiC Studio, unterkam. Als Prototyp der ersten Fotoakademie in Kairo ist das CiC Studio ein selbst entwickelter Versuch, eine dringend gebrauchte Ausbildungsstätte für Fotografie zu schaffen. Da in der Megalopolis keine der Kunstuniversitäten seriöse Fotografieprogramme anbietet, weder für Kunst noch für Journalismus, ist es nicht überraschend, dass diese Initiative in der lokalen Community großes Interesse fand. Sie wurde zu einer Institution innerhalb des CiC und finanziert sich selbst durch Kursgebühren, gezahlt von professionellen Fotojournalisten für Seminare auf der Grundlage des World Press Photo Modells wie auch von Anfängern, die ihre fotografischen Fähigkeiten durch Grund- oder Aufbaukurse, wie z.B. für Porträtfotografie, Beleuchtung oder Adobe Photoshop, verbessern wollen.
Das Jahr 2008 endete mit der Ausrichtung der vierten Edition von PhotoCairo mit dem Titel The Long Shortcut (Die lange Abkürzung) an fünf Orten im Zentrum: dem CiC selbst, einer Kunstgalerie mit einer umgewandelten Werkhalle, einem osteuropäischen Kulturzentrum, einer leeren Wohnung in einem verfallenen Art-Deco-Gebäude und einem alternativen, von Künstlern betriebenen Theater. Von einem für die Zeitung "The National" in Abu Dhabi schreibenden Reporter als "jung, ausgefallen und konzeptionell genau" bezeichnet, bedient sich dieses Projekt der Strategien von Biennalen, um ein internationales, interdisziplinäres Programm wirkungsvoll und nachdrücklich in Szene zu setzen. Mit 22 teilnehmenden Künstlern und Gruppen, 11 neu in Auftrag gegebenen Werken, einem fünftägigen Symposium, einem Workshop, Künstleraufenthalten und einem temporären Verlag war das Spektrum innerhalb des Kontextes der unabhängigen Kunstszene beispiellos. Lässt man die Zahlen beiseite, war The Long Shortcut ein einzigartiger Versuch, von gewöhnlichen Ausstellungen von Fotografie oder visueller Kunst aus oder über Kairo wegzukommen, hin zur Präsentation eines kohärenten und von einem kritischen Thema getragenen Projekts, das sich mit schwierigen Fragen des gegenwärtigen täglichen Lebens und der Kunstindustrie auseinandersetzt.
Institutionen wie das Contemporary Image Collective operieren oft noch in einem künstlerischen Vakuum. Auf der einen Seite befinden sich die bescheidenen, vom Markt abhängigen privaten Kunstgalerien, von denen die meisten im wohlhabenden Viertel Zamalek angesiedelt sind. Sie zeigen eine Reihe etablierter lokaler Maler und gelegentlich auch Bildhauer und bleiben weitgehend provinziell, egal ob ihre Künstler auf Auktionen in Dubai gehandelt werden oder nicht. Und auf der anderen Seite ist die anachronistische Maschinerie des Sektors für Schöne Künste des Kulturministeriums. Angesichts einer Agenda und Bürokratie, die jene des Staates widerspiegeln, ist es wenig überraschend, dass "das Establishment" keine große Rolle dabei spielt, jungen Künstlern reale Chancen zu bieten oder einen kritischen und reflektierenden Diskurs innerhalb der wachsenden globalisierten Kunstszene von Kairo zu schaffen.
In der letzten Dekade hat eine Handvoll von der Finanzierung durch den Staat unabhängiger Institutionen verschiedene Schlüsselrollen übernommen, vom Zeigen international kuratierter Gruppenausstellungen bis zur Bereitstellung von Künstleraufenthalten und Atelierräumen. Das älteste Modell ist vielleicht die Townhouse Gallery, die mit ihren verschiedenen Orten, zahlreichen Ateliers und Weiterbildungsprogrammen von vielen für die Gottvaterfigur der unabhängigen Kunstszene in Ägypten gehalten wird. Medrar for Contemporary Art ist das kleinste und vielleicht jüngste Projekt. In einer winzigen Wohnung nicht weit entfernt vom CiC am Rande des Zentrums von Kairo untergebracht, hat es diese Künstlerinitiative geschafft, ein schnell wachsendes jährliches Videofestival und Videoworkshops mitzuorganisieren und seit kurzem Gespräche mit jungen Künstlern auszurichten.
Das Zentrum von Kairo selbst als ein Knotenpunkt des künstlerischen Austauschs könnte sich an der Schwelle der Gentrifikation befinden. Eine Allianz wohlhabender junger Investoren hat schon markante Gebäude an strategischen Straßen gekauft, angeblich auch das Viennoise-Gebäude, in dem 2003 ein Teil von PhotoCairo ausgestellt war. Ihr Ziel ist es, das Zentrum der Stadt "aufzuräumen" und den früheren Glanz der Belle Epoque wiederherzustellen, was ohne Zweifel Auswirkungen auf die Dynamik in der Gegend haben wird. Während es eine Weile dauern kann, bis sich die Konsequenzen dieses Prozesses zeigen, ist das CiC selbst schon in diese unerwartete Wendung verwickelt worden. Ein Wechsel des Eigentümers seines gegenwärtigen Ortes hat ernsthafte Fragen nach dem Fortbestand dieses Sitzes so wie er jetzt ist aufgeworfen. In der Zwischenzeit hat die globale Finanzkrise Förderer und Geförderte wie ein Güterzug überrollt. Die für unabhängige Kunstorganisationen schon zuvor mühsame Aufgabe des Fundraising scheint nun zu einem Herkules artigen Kraftakt geworden zu sein.
Angesichts dieser anstrengenden und instabilen Bedingungen hat die Aufgabenstellung des CiC langsam andere Richtungen eingeschlagen. In einer symbiotischen Beziehung mit der Stadt orientieren sich das CiC und sein Programm mehr an den Bedürfnissen der lokalen Gemeinde, statt sich einfach nur auf ein einziges Medium oder eine Disziplin zu fokussieren. Workshops, die das kritische Vermögen untersuchen, Zusammenkünfte für einen intensiven Austausch zwischen verschiedenen Künstlergenerationen und progressive, auf Themen basierende Projekte sind regelmäßig organisiert worden, um dem Verlangen nach herausfordernden, Kontext sensitiven, vor Ort produzierten Projekten im Dialog mit der globalen künstlerischen Praxis nachzukommen.
Diese Entwicklung ist auf Ängste gestoßen. Einige Hardliner unter den Fotografen haben das Gefühl, dass es nach wie vor darum gehen muss, sich womöglich gar zu dem Preis einer Abkopplung vom internationalen Kunstgeschehen auf das Medium der Fotografie zu beschränken. Auch die Szene selbst hat Wandlungen durchgemacht. Künstler, die als Fotografen galten, widmen sich jetzt weniger vertrauten Gebieten und benutzen das Medium - wenn überhaupt noch - als ein sekundäres Mittel. Fotografie und Video sind in vom Staat geförderten Kunstveranstaltungen reichlich vertreten gewesen, vom Jugendsalon bis zur Kairo Biennale, und das in der Überzeugung, dass "neue Medien" von ihrer Definition her dem Werk eine zeitgemäße Sprache verleihen, unabhängig von den Strategien, Inhalten oder Ansätzen. 2008 und 2009 hat das Establishment konzertierte Anstrengungen unternommen, sich mit Künstlern und Kuratoren zu verständigen, mit denen man ein Jahrzehnt zuvor nicht unbedingt zusammengearbeitet hätte. Ein neuer, junger künstlerischer Leiter wurde eingeladen, die 11. Kairo Biennale zu kuratieren, womit Spekulationen über den Langzeiteffekt dieser Wahl verbunden sind. Der 20. Jugendsalon bedeutet einen radikalen und kontroversen Bruch mit früheren Editionen, weil unerwartete Jurymitglieder, die nicht zu den bislang dominierenden Kreisen gehören, benannt wurden, es eine stringente Auswahl der Werke gab (mehr als 80% der Einreichungen wurden abgelehnt) und die Ausstellung letztendlich relativ kohärent wirkte. Mit solchen Veränderungen, Herausforderungen und Ungewissheiten, die es jetzt bereits gibt und die sich höchstwahrscheinlich noch verstärken, werden die nächsten paar Jahre unweigerlich weitere Veränderungen mit sich bringen.
Aleya Hamza
Zur Zeit Gastkuratorin am Contemporary Image Collective in Kairo. Schreibt regelmäßig und hält Vorträge über zeitgenössische visuelle Kunst in Ägypten.
Direktorin: Edit Molnar
(bis Mai 2009)
Kuratorin: Aleya Hamza
Vorstand:
Paul Ayoub-Geday
Hala Elkoussy
Rana ElNemr
Heba Farid
Thomas Hartwell
Barry Iverson
Maha Maamoun
PhotoCairo4: The Long Shortcut
Internationales multi-disziplinäres Kunstfestival im Zentrum von Kairo
17. Dez. 2008 - 14. Jan. 2009
Kuratiert von Aleya Hamza und Edit Molnar