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Die Galerie in Dubai ist eine der engagiertesten Plattformen für aktuelle Kunst in der Golfregion.
Von Pat Binder & Gerhard Haupt | Feb 2008Ganz im Sinne der offiziellen Marketingstrategien wird über Dubai gern in Superlativen berichtet. Angesichts der vielen Reportagen über einen schier unermesslichen Reichtum ist es kaum verwunderlich, wenn Außenstehende glauben, die Stadt müsse für den Kunstmarkt eine Goldmine sein. Diese Illusion zieht Händler und Künstler aus aller Welt an, und ist ein wesentlicher Grund für das starke Interesse an der Kunstmesse Art Dubai, die demnächst zum zweiten Mal stattfindet. Die Aussichten mögen durchaus viel versprechend sein, aber die in Dubai ansässigen Galerien wissen nur zu gut, dass das Geld für Kunst dort keineswegs locker sitzt, und schon gar nicht für Gegenwartskunst.
Zu den besten Kennern der Szene gehören die Betreiber von The Third Line, einer der engagiertesten Plattformen für aktuelle Kunst in der Golfregion. Sie hat ihren Sitz in einem ehemaligen Lagerhaus im staubigen Industriegebiet Al Quoz. Der Kontrast zur Glitzerwelt der Shoppingsmalls und Luxushotels, die das Bild Dubais in den Medien bestimmt, könnte kaum größer sein. Allerdings kann sich das in Dubai schnell ändern. Anscheinend erwarten nicht allein die in Al Quoz bereits niedergelassenen Geschäftsinhaber, dass das Viertel schon bald so etwas wie das Soho oder Chelsea von Dubai wird. In diesem Ambiente ist The Third Line mit dem Konzept, talentierte junge Künstler aus der Golfregion bekannt zu machen und im Westen lebende, bereits anerkannte Künstler aus dem Nahen Osten in die heimatlichen Gefilde zurückzubringen, zu einem besonderen Anziehungspunkt geworden. Dazu hat neben den anspruchsvollen Ausstellungen auch das Veranstaltungsprogramm beigetragen, zu dem Filme arabischer Regisseure, Buchpräsentationen, Künstlergespräche, Seminare und vieles mehr gehören.
The Third Line wurde Anfang 2005 von einem Dreierteam gegründet. Sunny Rahbar und Claudia Cellini sind die Leiterinnen der Galerie in Dubai. Der dritte Partner, der im Emirat Ras Al Khaimah geborene Omar Gobash, studierte in Großbritannien Mathematik, war einige Jahre im diplomatischen Dienst und in der Wirtschaft tätig und ist zurzeit stellvertretender Geschäftsführer der Emirates Foundation in Abu Dhabi [1]. In einem Interview in Dubai äußerten sich die beiden Geschäftsführerinnen zur Entstehung, zu den Zielen und zur Arbeit von The Third Line.
Sunny Rahbar wuchs in ihrer iranischen Familie in Dubai auf und sammelte nach einem Kunststudium in den USA erste kuratoriale Erfahrungen. Nachdem sie 2001 nach Dubai zurückgekehrt war, organisierte sie dort zunächst gemeinsam mit Gleichgesinnten Veranstaltungen mit Mode, Musik und Kunst. Es folgte eine regelmäßigere Ausstellungstätigkeit, für die sie Räume mietete oder von Freunden zeitweilig überlassen bekam. "Das Feedback war sehr gut, und nachdem sie zunächst nur Interesse und Neugier zeigten, fingen die Leute an, Kunst zu kaufen und sogar zu sammeln". Gerade als Sunny Rahbar darüber nachdachte, einen eigenen Kunstraum zu eröffnen, traf sie zufällig Claudia Cellini. Sie stammt aus den USA, lebt schon lange in Asien, betrieb von Singapur aus eine Agentur für Art Consulting und initiierte dort ein gemeinnütziges Programm für Kunsterziehung. Claudia Cellini fing an, zwischen Singapur und Dubai zu pendeln, weil sie in den Vereinigten Arabischen Emiraten ideale Voraussetzungen für den Kunsthandel sieht: "Geld, jede Menge intelligente und gut ausgebildete Leute, junge Menschen aus aller Welt, vor allem aus dem Nahen Osten, die Notwendigkeit, kreative Wirtschaftszweige zu entwickeln..." In zwei Wochen hatten die beiden Power-Frauen einen Businessplan ausgearbeitet.
Da das Projekt als eine breitere Plattform konzipiert ist, sollte der Begriff "Galerie" im Namen vermieden werden. Die Entscheidung fiel für "The Third Line", eine aus einem Gedicht des iranischen Sufi-Mystikers Shams-e Tabrizi (+ 1247), Meister und Freund des berühmten Dichters Rumi (1207 - 1273), entlehnte Formulierung, weil sie als Metapher für das Dazwischen und das noch zu entdeckende Unbekannte verstanden werden kann, was sich auf die Kunst übertragen lässt. Zugleich steht sie dafür, dass das Unterfangen von drei Partnern getragen wird. Anfangs gab es Überlegungen, ob The Third Line ein nicht-kommerzieller Kunstraum sein könnte. Doch die Aussichten auf Fördermöglichkeiten in den Emiraten waren zu gering und die bürokratischen Hürden zu groß, weshalb nur eine kommerzielle Struktur Überlebenschancen zu bieten schien.
Tatsächlich überlebt The Third Line vor allem durch Verkäufe. Und wer kauft die Kunst? "Unsere Hauptkäuferschicht sind jüngere, in Dubai lebende Araber aus unterschiedlichen Ländern", erläutert Sunny Rahbar. Hinzu kommen Europäer und US-Amerikaner, die sich als Geschäftsleute und Touristen in Dubai aufhalten. "Wir fokussieren unsere Arbeit aber insbesondere auf die Leute, die in der Region leben oder hier ihre Wurzeln haben." Zwar zählen zu ihren Kunden bereits einige einheimische Sammler zeitgenössischer Kunst, aber weil es am Golf noch nicht so viele davon gibt, sei es wichtig, der Vermittlung der in The Third Line präsentierten Kunst ausgiebig Zeit zu widmen. Nur gelegentlich seien Sponsoren für einzelne Ausstellungen zu finden, wie etwa Banken oder Firmen, die im Zusammenhang mit Kunst in Erscheinung treten möchten. Sunny Rahbar sagt, es sei immer eine Gratwanderung, Projekte zu realisieren, die neu, interessant und vielleicht sogar gewagt sind und bei denen deshalb kaum mit Verkäufen zu rechnen ist, und dann wiederum leichter verkäufliche Kunst zur Absicherung der eigenen Existenz anzubieten. "Wir möchten Grenzen überschreiten und Werke zeigen, die hier noch nicht zu sehen waren. Immer wieder präsentieren wir Kunst, die schwer zu verkaufen ist, wie z.B. Installationen, und wir sind die erste Galerie in der Stadt, die Videoarbeiten zeigt. Manchmal sind wir aber auch angenehm überrascht, weil Werke verkauft werden, bei denen wir das nicht für möglich hielten. Der Markt verändert sich sehr schnell, und die Vorlieben und Interessen unseres Publikums sind ziemlich unterschiedlich." Auch bei international etablierten, in Dubai jedoch wenig bekannten Künstlern, die in The Third Line ausstellen, könne man nie so recht wissen, wie die Leute hier reagieren, denn sie würden die Werke aus einer anderen Perspektive verstehen. Was z.B. anderswo "exotisch" erscheinen mag, wirke im hiesigen Kontext unter Umständen überhaupt nicht mehr fremd, weil es hier beheimatet sei.
Es drängt sich die Frage auf, ob The Third Line schon einmal an die Grenzen des immerhin muslimisch bestimmten Gemeinwesens gestoßen ist. "Das werden wir oft gefragt", antwortet Claudia Cellini. "Das ist noch nicht passiert, obwohl wir so ziemlich alles gezeigt haben, was wir wollten. Man kann hier durchaus vieles zur Diskussion stellen, ohne Probleme zu bekommen." Selbst Werke mit eventuell heiklen politischen oder sozialen Bezügen seien möglich. Lediglich Nacktheit sei problematisch, denn damit könne man wirklich Schwierigkeiten bekommen.
Stimmt es, dass in Dubai so viele neue Galerien eröffnet werden? Claudia Cellini bestätigt das. "Wir hoffen, dass sich mehr auch in unserer Gegend niederlassen, denn das macht die Szene größer und fördert Synergieeffekte." Aber gibt es nicht oft nur die Erwartung, hier das schnelle Geld zu machen? "Das trifft auf einige durchaus zu, auch auf etliche Künstler, die uns kontaktieren, und das sind immerhin etwa drei pro Tag. Die Illusion ist weit verbreitet, alles was man in Dubai an die Wände hängt, würde sich leicht verkaufen lassen. Aber dem ist absolut nicht so. Wir müssen für jeden Verkauf sehr hart arbeiten."
Und was sind die nächsten Vorhaben von The Third Line? Claudia Cellini: "Selbst wenn wir denken, wir müssten im internationalen Rahmen mehr für unsere Künstler tun, sind wir letztendlich davon überzeugt, dass unser wichtigstes Engagement hier sein muss, in unserer Szene, auf unser Publikum und unsere eigene Entwicklung gerichtet." Sunny Rahbar ergänzt: "Die Basis hier muss gestärkt werden. Wir haben einige Veröffentlichungen vor, Bücher über Künstler, weil wir durch Publikationen mehr Leute erreichen können und es in den hiesigen Geschäften keine Bücher über arabische Künstler gibt." Sie zitiert den dritten Partner, Omar Gobash, der sagte: "Ich wuchs mit Büchern westlicher Autoren auf, aber ich möchte, dass meine Kinder arabische Autoren lesen und arabische Kunst betrachten."
Anmerkung:
Pat Binder & Gerhard Haupt
Herausgeber von Universes in Universe - Welten der Kunst. Leben in Berlin.
Anfang 2005 von drei Partnern gegründet:
Sunny Rahbar
Omar Gobash
Claudia Cellini