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Private Initiative, zeigt Kunst der Emirate, u.a. von Pionieren der experimentellen Bewegung.
Von Pat Binder & Gerhard Haupt | Apr 2008 3 Fototouren
The Flying House, Ausstellung im DIFC, Creek Art Fair
Abendstimmung in Al Quoz, einem der vielen Wohnviertel, in denen so gar nichts vom Dubai-Hype zu spüren ist. Vom Dach des zweigeschossigen Hauses schweift der Blick über die Antennen und Wassertanks auf den Nachbargebäuden, hier und da unterbrochen von Palmwedeln. Aus den Lautsprechern umliegender Moscheen erschallt der Ruf der Muezzins zum Gebet. Schaut man aber in die andere Richtung, glänzt im milden Licht der Abendsonne die Skyline jenes hypermodernen Dubai, das so hoch hinaus will wie es nur geht. Der Burj Dubai, die Inkarnation der Hybris, sticht mit schon über 600 Metern wie eine Nadel in den Himmel, doch noch weitere 300 Meter sollen draufgesetzt werden bis der Turmbau zu Dubai beendet ist - vorerst...
Auf der flachen Dachterrasse stehen dicht bei dicht 40 große Transportkisten aus Blech, eingestaubt und leicht verwittert. Man könnte sie durchaus für eine künstlerische Arbeit in der Beuys-Nachfolge halten. Tatsächlich dienten die Behältnisse aber nur der Aufbewahrung von Kunst. Mehr als zwei Jahrzehnte lang standen sie in einem Lagerhaus im benachbarten Sharjah und wurden immer mehr und immer voller. Jetzt sind sie leer, und von all den Gemälden, Zeichnungen, Fotografien, Installationen, Objekten und Aufzeichnungen zu Konzeptkunst, Performances und Land Art ist das Haus prall gefüllt. Selbst in den Fliesenboden und die Treppenstufen des Eingangsbereichs sind gläserne Schaukästen eingelassen, und zwar so wohl überlegt wie die Präsentationen in den meisten Räumen, mögen sie manchmal noch so eng sein.
Hier ist ein beträchtlicher Teil des Schaffens von neun Künstlern und Künstlerinnen aus den Vereinigten Arabischen Emiraten versammelt. Das meiste davon stammt von Hassan Sharif, seinem Bruder Hussein, Mohammed Kazem und Mohamed Ahmed Ibrahim, die zu den bekanntesten Vertretern der Kunst des Landes gehören. Obwohl der künstlerische Wert ihrer Arbeiten durch viele Ausstellungen im In- und Ausland, durch Publikationen und andere Würdigungen längst anerkannt ist, taten sich private und öffentliche Sammlungen in den Emiraten bislang schwer damit. Hassan Sharif, die Schlüsselfigur eines an experimentellen Auffassungen interessierten Kreises, faltet, klebt, bindet, knüpft rustikale Objekte aus "unedlen" Materialien wie Pappe, Plastikbechern, Verpackungen, Baumwollresten. In Fotos, Videos, Performances und Installationen analysiert Mohammed Kazem psychosoziale Aspekte seines eigenen Lebens und seiner Mitmenschen oder spielt mit Zahlen und Koordinaten. Mohamed Ahmed Ibrahim hingegen ist auf ganz andere Weise bodenständig, indem er in der steinigen Landschaft nahe dem heimischen Khorfakkan Land Art macht oder Skulpturen aus Gras, Papier, Leim und Lehm baut. Allein diese drei Beispiele lassen erkennen, dass eine solche Kunst wohl kaum landläufigen Bedürfnissen nach oberflächlicher Schönheit und Repräsentation entspricht.
Glücklicherweise ist der Geschäftsmann Abdul-Raheem Sharif schon in den frühen 1990er Jahren so weitsichtig gewesen, die Kunstproduktion seiner beiden Künstlerbrüder und einiger ihrer Freunde einzulagern und zu dokumentieren. Aus Platzmangel hätten sie selbst ihre Arbeiten kaum dauerhaft aufbewahren können. Als Abdul-Raheem Sharif im August 2007 zusammen mit Mohamed Ahmed Ibrahim und dem holländischen Künstler und Kurator Joos Clevers, einem engen Vertrauten der Gruppe, die Documenta 12 in Kassel besuchte, fasste er den Entschluss, sein altes Wohnhaus als Heimstatt für die in den Kisten vergrabene Kunst herzurichten. Nach umfangreichen Umbauten und erheblichen Investitionen wurde es im Dezember 2007 als "The Flying House" eröffnet.
Über die Funktion als Galerie und Dokumentationszentrum hinaus soll "The Flying House" das Schaffen der assoziierten Künstlerinnen und Künstler fördern und national wie international noch besser bekanntmachen. Mit welchem Elan und welcher Professionalität das geschieht, konnte man während der Art Dubai im März 2008 erleben. Der Sitz von "The Flying House" in Al Quoz galt als heißer Tipp, was sich schnell herumsprach und zu äußerst regem Besucherverkehr führte.
Außerdem sind die Künstlerinnen und Künstler von "The Flying House" gleich an mehreren Orten der Stadt vertreten gewesen. Im Rahmen der "Art Projects" der Art Dubai gab es in Madinat Jumeirah, dem Veranstaltungsort der Messe, Installationen von Hassan Sharif und Mohamed Ahmed Ibrahim zu sehen. Die ganze Gruppe präsentierte sich in einer Doppelausstellung in den Foyers des Dubai International Financial Centre (DIFC). Bei der Creek Art Fair zeigte "The Flying House" in einem der historischen Häuser von Bastakiya eine eigene Schau. (mehr zu den Ausstellungen im Abbildungsteil)
Es ist nur eine Frage der Zeit, bis die Transportkisten auf dem Dach von "The Flying House" zu Kunst verarbeitet werden. Wie Hassan Sharif meint, würde das dann aber eine Gruppenarbeit sein.
Pat Binder & Gerhard Haupt
Herausgeber von Universes in Universe - Welten der Kunst. Leben in Berlin.
Gründer und Leiter:
Abdul-Raheem Sharif
Kuratoren:
Mohammed Kazem
Jos Clevers
Manager: Jyoti Dhar
The Flying House existiert nicht mehr.