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Kunstzentrum und -organisation in Dubai. Interview mit Lateefa bint Maktoum und Jill Hoyle.
Von Pat Binder & Gerhard Haupt | Sep 2008Angesichts der Meldungen, die einen aus dem für sein stetes Streben nach Superlativen bekannten Dubai erreichen, hat man den Eindruck, die Aufmerksamkeit des kulturellen Sektors sei in erster Linie auf den Konsum von Kunst und kaum auf deren Produktionsbedingungen gerichtet. Es geht fast immer nur um den geplanten gigantischen Kulturdistrikt (womit sollen die Museen eigentlich gefüllt werden?), die wie Pilze aus dem Boden schießenden Galerien, die Kunstmesse, den verheißungsvollen Kunstmarkt.
Zu den wenigen Institutionen, die mit großem Engagement die Arbeitsbedingungen von Künstlerinnen und Künstlern in Dubai verbessern wollen, gehört das im Januar 2008 eröffnete Kunstzentrum Tashkeel. Der Gründerin und Direktorin, Lateefa bint Maktoum, und der Managerin, Jill Hoyle, konnten wir in einem Emailinterview einige Fragen über das Konzept und die Arbeit von Tashkeel stellen.
Haupt & Binder: Wie kam es zur Gründung von Tashkeel, welches Konzept steht dahinter und welche Ziele verfolgen Sie?
Lateefa bint Maktoum & Jill Hoyle: Die Idee, ein solches Kunstzentrum zu eröffnen, entstand ausgehend von unserer bisherigen Interaktion mit hier tätigen Künstlern, denen solche speziellen Einrichtungen für die Produktion ihrer Kunst fehlten. Mit Tashkeel wollen wir in der Region lebende Künstler und Designer jeden Alters und aller Nationalitäten unterstützen. Das soll durch die Bereitstellung von Ateliers und Werkstätten geschehen, durch Ausstellungen in der Galerie sowie durch kulturübergreifende Dialoge im Rahmen einer gemeinsamen Arbeit in unseren Ateliers und durch einen Austausch von Künstlern und ein Aufenthaltsprogramm.
H&B: Was bedeutet Tashkeel und mit welchem metaphorischen Sinn wurde der Name gewählt?
LM & JH: Tashkeel ist von dem Wort fen-tashkeely abgeleitet, dem arabischen Begriff für "schöne Kunst". Tashkeel bedeutet auch "Vielfalt", die hier in den Ateliers zu finden ist (in der Vielfalt der benutzten Medien). Mit tashkeel werden auch die Punkte auf den arabischen Buchstaben bezeichnet, was wir im Zusammenhang mit der Funktion von Tashkeel sehen, Details im Schaffen der mit uns assoziierten Künstlerinnen und Künstler zu definieren.
H&B: Welche Organisationsform hat Tashkeel und welche Einrichtungen und Vorteile werden den Künstlerinnen und Künstlern geboten?
LM & JH: Tashkeel funktioniert wie eine Assoziation. Die Mitglieder erhalten die Möglichkeit, solche speziellen Einrichtungen zu nutzen wie die Ateliers für Malerei und die Werkstätten für grafische Drucktechniken und Textildruck, das Fotoatelier und die Dunkelkammer, ein mit neuester Software und großformatigen Digitaldruckern ausgestattetes MAC Computerstudio. Solche technischen Voraussetzungen stehen nirgendwo sonst in Dubai unter einem einzigen Dach zur Verfügung. Ein weiterer großer Vorteil besteht darin, dass durch die gemeinsame Nutzung der Ateliers und Werkstätten eine Community entsteht, in der diejenigen, die ihre Laufbahn gerade begonnen haben, mit etablierten Künstler- und Designerkollegen in Kontakt kommen, Seite an Seite mit ihnen arbeiten und von ihren Erfahrungen profitieren können.
H&B: Können Künstler aus anderen Teilen der Welt mitmachen?
LM & JH: Eines der Ziele von Tashkeel ist es, durch die Künste einen kulturübergreifenden Dialog in Gang zu bringen. Dem soll u.a. ein Aufenthaltsprogramm dienen, durch das Künstlerinnen und Künstler aus dem Ausland drei bis sechs Monate hier an ihren Werken arbeiten können und ihre Kenntnisse und Erfahrungen in Workshops an andere Tashkeel-Mitglieder weitergeben.
Gesponsert durch die Chalhoub Group in Dubai haben wir in diesem Jahr schon einen ersten Test für eine solche Art der Künstleraufenthalte ausgerichtet, indem zwei Künstler für jeweils eine Woche hier waren. Der erste Künstleraufenthalt fand in Kooperation mit der Emerson Gallery aus Berlin und unterstützt vom Goethe-Institut der Golfregion statt, der zweite in Zusammenarbeit mit der Volume Foundation in Rom. Im Rahmen dieses Austauschs reisten 4 TeilnehmerInnen aus den Vereinigten Arabischen Emiraten nach Rom und weitere 4 nach Berlin, und wir haben von jeder der beiden Organisationen 4 KünstlerInnen in Tashkeel empfangen. Die Aufenthalte endeten mit einer Ausstellung in jeder der beteiligten Galerien. Wenngleich das nur ein kurzer Beginn war, stellten wir den Bedarf an einem solchen Austausch fest und werden das wiederholen.
H&B: Die Kunstszene in Dubai verändert sich unglaublich schnell, aber viele Beobachter befürchten, dass die Richtung, in die sie sich bewegt, zu stark an den Bedürfnissen des Kunstmarkts, der Ausstattung von Immobilien und der Tourismusindustrie orientiert sein könnte. Wie sehen Sie den Beitrag von Tashkeel zur Entwicklung des Kunstgeschehens in Dubai?
LM & JH: In Tashkeel beschäftigen wir uns zum größten Teil mit dem Schaffensprozess selbst. Gegenüber dem schnellen Tempo des Kunstmarkts, bei dem das Ziel im Kaufen und Verkaufen besteht, sind wir vor allem daran interessiert, den mit der Kunst verbundenen Dialog, die Gespräche und die Bildung zu fördern, die mit ihr zu tun haben.
H&B: Wenn Sie auf die ersten 8 Monate der Existenz von Tashkeel zurückblicken, welche Aktivitäten und Arbeitsschwerpunkte haben sich als besonders erfolgreich erwiesen und welche neuen Prioritäten resultieren aus dieser Erfahrung?
LM & JH: Seit unserem Start haben wir bestätigen können, dass es eine große Nachfrage nach Workshops gibt. Das Schema unserer Workshops zog zahlreiche junge Künstler an, von denen die meisten Studenten für Kunst oder Design der letzten Studienjahre waren. Sie wollten neue Techniken erlernen, wie z.B. Textildruck, die an den Universitäten nicht oder nicht in dieser Form gelehrt werden. Wir stellten fest, dass wir für die Zukunft ein noch breiteres Spektrum an Workshops entwickeln sollten, sowohl für Anfänger als auch Meisterklassen.
In der Anfangszeit von Tashkeel war die Galerie kein grundlegender Aspekt, sie entstand erst im Nachhinein. Dennoch wurde sie zu einem wesentlichen und integralen Teil der Aktivitäten von Tashkeel; jede Ausstellungseröffnung zog mehr Leute an und brachte Tashkeel neue Mitglieder. Wir haben die Notwendigkeit erkannt, eine langfristige Strategie für die Galerie zu entwickeln und ein ausgewogenes Programm von Ausstellungen etablierter Künstler und von Gruppenpräsentationen unserer Mitglieder zu organisieren.
H&B: Was sollte sich Ihrer Meinung nach in der Kunstszene Dubais in fünf Jahren getan haben?
LM & JH: Wir hoffen, dass es dann mehr Galerien und Museen gibt, die junge, hier geschaffene Kunst zeigen, nicht nur von einheimischen, sondern von in der Region lebenden Künstlern jedweder Herkunft. Weil Dubai ein solch kosmopolitischer Ort mit derart verschiedenen Sichtweisen des Lebens ist, wäre es interessant zu sehen, wie sich die hier aufgewachsenen Künstler letztendlich artikulieren werden. Hoffentlich werden wir auch das Entstehen von Galerien mit permanenten Sammlungen und Ausstellungen der hiesigen Kunst erleben.
Pat Binder & Gerhard Haupt
Herausgeber von Universes in Universe - Welten der Kunst. Leben in Berlin.