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Brücke der Verständigung. Die Organisation und Galerie Le Pont von Issa Touma in Aleppo, Syrien.
Von Charlotte Bank | Jun 2008In Aleppo, der zweitgrößten Stadt Syriens, befindet sich eine der interessantesten Kunstinstitutionen des Landes. Seit 1996 betreibt Issa Touma, Syrer armenischer Herkunft, ein Künstler, Kurator und Fotograf aus Berufung, dort seine "Le Pont Organization" als einen Ort für Ausstellungen und internationalen Austausch.
Als ich Issa Touma im Oktober 2007 in seiner Galerie besuchte, bereitete er gerade eine Ausstellung über zwei politisch brisante Mauern vor: Die Berliner Mauer und die zwischen Israel und Palästina, letztere fotografiert von Rula Halawani. Um den Eindruck von Isolation und Teilung zu verstärken, wurden einige Werke von der Decke hängend gezeigt, so als würde die Galerie von einer Mauer durchzogen, womit an die vielen physischen und mentalen Barrieren erinnert werden sollte, die Menschen voneinander separieren.
Gerade die mentalen Mauern sind Issa Touma nur allzu gut vertraut. In Syrien wie auch international ist er für seine innovativen und mutigen Präsentationen und Projekte bekannt, die zu realisieren in einem Land mit einer notorisch konservativen Kunstszene alles andere als leicht ist. Er veranstaltet ein international anerkanntes Fotofestival, das "International Photographic Gathering", ein Forum für Austausch und Diskussion, durch das seit dem Start im Jahr 1997 sowohl international anerkannte als auch junge Fotografen mit Kolleginnen und Kollegen in Syrien zusammengebracht worden sind. Seit 1999 ist das "Women’s Art Festival" ein weiterer Grundpfeiler der Aktivitäten von "Le Pont", durch die neue und zum Teil auch kontroverse Kunst in die ansonsten so konservative Stadt gelangt.
In seiner eigenen fotografischen Arbeit konzentriert sich Issa Touma auf zeitlose Aspekte seiner Heimatstadt, indem er Muster traditionellen religiösen und säkularen menschlichen Lebens untersucht. Von einem solchen nachdenklichen Humanismus sind auch die Konzepte der Festivals durchzogen. Trotz der Kontroversen, die sie auslösen, steckt dahinter kein politisches Programm, sondern lediglich eine tiefe Überzeugung, dass Kunst tatsächlich dazu beitragen kann, Menschen einander näher zu bringen, und das über nationale, kulturelle und religiöse Grenzen hinweg. Doch die syrischen Machthaber können sich kaum vorstellen, dass ein Künstler nur durch Kunst und einen freien Geist ein so großes internationales Interesse erzielt. Frei und unabhängig zu denken kann in einem Land wie Syrien gefährlich sein, und obwohl Issa Touma sich nicht für politischen Aktivismus interessiert, steht er unter ständigem Druck und muss ständig mit Schikanen rechnen. Wie er berichtete, sind seine Arbeitsbedingungen äußerst schwierig. Die Galerie wird des Öfteren von der Polizei durchsucht, der Strom wird bei Veranstaltungen willkürlich abgestellt, und sogar die Blumentöpfe vor der Tür werden zerstört.
In einem Land, in dem von den Künstlern (wie von jedem Bürger) erwartet wird, dass sie sich am offiziellen Lobgesang auf die Führung und das System beteiligen, scheint ein unabhängiger Geist als eine besondere Provokation zu gelten. Die strenge Kontrolle und Überwachung aller kulturellen und künstlerischen Aktivitäten in Syrien ist ein großes Hindernis für eine freie künstlerische Entwicklung. Einerseits erhöht sich durch das derzeit so starke Interesse an nahöstlicher Kunst und neue Galerien in Damaskus die Präsenz syrischer Künstler, insbesondere von Malern, im internationalen Kunstgeschehen, andererseits leiden jedoch viele Kunstschaffende unter den restriktiven Verhältnissen. Gerade deshalb ist es so wichtig, dass Leute wie Issa Touma junge Künstler ermutigen, neue kreative Möglichkeiten zu erkunden.
Wenngleich Issa Toumas Arbeit von den staatlichen Autoritäten mit Argwohn beobachtet wird, besuchen viele Menschen aus allen Schichten der Gesellschaft mit großem Interesse die Veranstaltungen und Ausstellungen. So kann man dort sowohl ausländische Diplomaten, Künstler und Intellektuelle als auch verschleierte Frauen antreffen. Besonders durch das "International Photographic Gathering" hat Le Pont seit den 1990er Jahren internationale Aufmerksamkeit erlangt. Bekannte Fotografen aus der arabischen Welt, wie Tarek Al-Ghoussein, Rula Halawani und Anas Al-Shaikh, haben neben europäischen und amerikanischen Künstlern ausgestellt. Obwohl sich die Aktivitäten hauptsächlich auf Fotografie konzentrieren, zeigt Le Pont gelegentlich auch Installationen und Videokunst, die in Syrien ansonsten wenig zu finden sind.
Doch durch die ständigen Probleme mit dem Machtapparat geht viel Zeit und Energie verloren. Das erklärt auch, weswegen Le Pont keine eigene Internetverbindung oder Website hat. "Hätten wir das, würde die Polizei darin bloß einen weiteren Grund sehen, unsere Arbeit zu stören." So benutzt Issa Touma die Internetcafés der Stadt als Büro, verschickt die Einladungen per Email und vermeidet tunlichst eine Präsenz in den Medien des Landes, was der Tätigkeit von Le Pont den Hauch des Subversiven, einen gewisse Undergroundtouch gibt. Das mag europäischen Besuchern, die sich von "Revolutions-Romantik" angezogen fühlen, ganz aufregend erscheinen, ist aber für diejenigen, die in den syrischen Verhältnissen arbeiten müssen, nicht nur anstrengend, sondern auch gefährlich. Bleibt zu hoffen, dass sich die Lage in nicht allzu ferner Zukunft bessert und Le Pont das volle Potenzial seiner Möglichkeiten entfalten kann.
Charlotte Bank
Freiberufliche Autorin, Archäologin und Kunsthistorikerin. Dozentin für arabische und islamische Kunst und Kultur und Event-Organisatorin.