Für eine optimale Ansicht unserer Website drehen Sie Ihr Tablet bitte horizontal.
Hybridisierung als Schaffensprozess. Interview mit der französisch-algerischen Künstlerin.
Von Silke Schmickl | Jun 2008Katia Kameli, geboren 1973 in einer französisch-algerischen Familie in Clermont-Ferrand, Frankreich, lebt in Paris. Nach Studienaufenthalten in Greenwich, Wien und Bourges schloss sie ihr Kunststudium an der dortigen Kunstakademie ab und erwarb ein Zusatzdiplom am "Collège-Invisible" der Kunstakademie in Marseille.
Silke Schmickel (SS): Die ersten Arbeiten, die ich von dir gesehen habe, waren die Super-8 Filme: Nouba, Aicha und The grass is always greener on the other side. Alle drei zeugen von einer erstaunlichen Plastizität, die an die Ästhetik klassischer Gemälde erinnert. Hat diese Referenz eine Rolle gespielt, hast du deine künstlerische Laufbahn in diesem Medium begonnen?
Katia Kameli (KK): Ich komme von der Malerei und Fotografie her, und ein Bezug zur klassischen Malerei besteht tatsächlich, allerdings war er eher unbewusst, als ich diese Filme drehte. Die Entscheidung für Super-8 entsprang mehr einer Notlage. Als ich 1998 in Bourges an der Kunstakademie studierte, wollte man mir keine Kamera für einen Dreh in Algerien ausleihen. Da habe ich 4 Filmrollen gekauft, meine eigene Super-8 Kamera eingepackt und bin damit nach Algerien gereist.
SS: Seit diesen frühen Werken ist eine Vervielfachung deiner künstlerischen Praktiken zu beobachten, von Videoarbeiten und Fotografie bis zur Installation. Sind dies parallele Projekte oder neue Ausrichtungen?
KK: Ich musste mich immer auf mehreren Gebieten behaupten und wollte nie mit einem einzigen Medium in Verbindung gebracht werden. Ich bestimme das Medium hinsichtlich des Kontextes. Wenn ich in letzter Zeit mehr mit Video gearbeitet habe, so liegt das an meinen begrenzten Arbeitsmöglichkeiten in Paris, unter denen es schwierig ist, große Installationen zu konzipieren. Mein Atelier gleicht einem Homestudio. Für mein jüngstes Projekt, das ich während einer Künstlerresidenz in New York im Januar 2008 begann, konnte ich einen Film und eine Installation realisieren. Es reizt mich Ideen zu deklinieren.
SS: Dein Projekt Bledi ist ein gutes Beispiel einer solchen Deklination. Es geht von Zeichnungen aus, die animiert wurden und schließlich ein Video und eine Videoplattform hervorbrachten. Was bedeutet Bledi und wie ist die Entstehungsgeschichte?
KK: Bled deutet im Arabischen "Land" und "i" ist ein Possessiv, also "mein Land". Ich habe damit begonnen, die Titelseiten algerischer Zeitungen herunterzuladen und sie dann in Zeichnungen umzuarbeiten. Die daraus resultierenden 30 Zeichnungen sind zum Storyboard des Films geworden. Ich wollte mir die Realität der Algerier durch diese Bilder aneignen. Die Dreharbeiten für meinen Film haben mich veranlasst, in Algier eine Videoplattform einzurichten. Während ich nach einer Finanzierung des Projekts suchte, kam die Idee des Making-of. Alle Elemente meiner Arbeit stehen in Beziehung, es ist eine Art Kommen und Gehen.
SS: Was deine Arbeiten außerdem verbindet, ist eine Recherche über das Interkulturelle, das Dazwischensein, wobei oft westliche und arabische Referenzen gegenüber gestellt werden.
KK: Ja, das Dazwischensein und jegliche Art der Hybridisierung sind zentrale Motive meines Schaffens. Das liegt an meiner eigenen Geschichte, ich bin immer zwischen mehreren Ländern hin und her gereist und war nie an ein einziges Gebiet gebunden. Und das spiegelt sich in meiner Arbeit wider. Auch formell gesehen gibt es für mich nicht ein einziges Terrain.
SS: Dein Video Nouba zeugt von dieser Form der Hybridisierung. Du reicherst das Bild einer algerischen Hochzeit mit einer elektronischen Musik an, die eher westlicher Natur ist…
KK: Ich kam mit diesem Film aus Algerien zurück und verspürte die Notwendigkeit die Bilder zu de-territorialisieren. Ich habe mich entschieden sie durch den Ton zu verfremden, um jeglichen Exotismus zu vermeiden.
SS: Nouba eröffnet die zweite Ausgabe der DVD-Kollektion Resistance(s) [1] mit Arbeiten von Videokünstlern aus Nordafrika und dem Nahen und Mittleren Osten. Ist Kunst eine Möglichkeit des Widerstandes und kann sie die oft stereotype Vision des Anderen verändern?
KK: Als ich Nouba drehte wollte ich einen anderen Blick auf die Situation der Frauen in der muslimischen Welt werfen. Der Film hat also seinen Platz in Résistance(s), mit allem was das Wort beinhaltet.
SS: Neben deiner eigenen künstlerischen Tätigkeit bist du auch als Produzentin aktiv, insbesondere mit jungen algerischen Filmemachern…
KK: Als ich Bledi drehte, lernte ich viele Algerier kennen, die spürten, dass ich nicht den typischen Blick einer westlichen Künstlerin hatte, und sie haben sich mir anvertraut. Da wurde mir klar, wie wichtig es ist, ihnen eine Möglichkeit zu geben, um ihre Sicht der Dinge auszudrücken. So haben wir diese Plattform gegründet und fünf Filme in einem Monat produziert. Ich hatte keine Ahnung, wie diese Filme rezipiert werden. Zwei davon wurden auf sehr vielen Festivals gezeigt, und ich bin sehr glücklich über das Ergebnis. Dieses Projekt hat eine besondere Situation in Algier geschaffen und den Jugendlichen neue Energie gegeben, ihre eignen Filme zu produzieren.
Anmerkung:
Silke Schmickl
Studierte Kunstgeschichte; leitet das unabhängige Pariser Filmlabel Lowave und kuratiert Filmprogramme für internationale Museen.