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Bericht über die zweite Messe zeitgenössischer Kunst und parallele Veranstaltungen.
Von Pat Binder & Gerhard Haupt | Apr 2008Nach dem Start 2007 als DIFC Gulf Art Fair hat sich die Kunstmesse in Dubai mit ihrer zweiten Edition nicht nur konsolidiert, sondern eine erstaunliche Dynamik und kulturelle Dimension erlangt. Selbst wenn bei den notorisch positiven Resümees der Ausrichter solcher Veranstaltungen Skepsis angebracht ist, mag man durchaus glauben, dass die Art Dubai 2008 die Erwartungen übertroffen hat. Die gezeigten Werke, das Rahmenprogramm, die vielen parallelen Veranstaltungen in der Stadt und die interessanten Gespräche in einer vorwiegend optimistischen Stimmung gaben einem als Besucher das Gefühl, einem internationalen Kunstereignis beizuwohnen.
Gegenüber 40 Ausstellern beim Start 2007 waren in diesem Jahr 68 Galerien aus 30 Ländern mit über 540 Künstlern vertreten. Laut abschließender Pressemeldung kamen 12.000 Besucher (gegenüber 9.000 im Jahr zuvor) sowie 240 Kunstkritiker und Journalisten.
Leider fehlen konkrete Angaben zu den getätigten Verkäufen, dem eigentlichen Maßstab für den Erfolg einer kommerziellen Messe. Dazu ist nur zu lesen, in ersten Umfragen hätten sich die Galerien "hoch zufrieden über die Verkaufsergebnisse und neuen Kontakte" geäußert. Tatsächlich scheint es für die meisten Teilnehmer in diesem Jahr besser gelaufen zu sein als 2007. Aber gewiss sind sie dieses Mal von vornherein mit realistischeren Erwartungen angereist und hatten sich mehr auf den spezifischen Kontext eingestellt. Nach den offenbar wenig zufrieden stellenden Resultaten des Vorjahres dürfte sich die Illusion ohnehin zerschlagen haben, im reichen Dubai sei mit etablierten Stars des westlichen Kunstmarkts leicht Geld zu machen.
Schon beim Auftakt der Kunstmesse 2007 dominierte das Kaufinteresse für Gegenwartskunst aus Indien und dem Nahen Osten. 2008 hat die Art Dubai ihr Profil noch deutlicher in diese Richtung definiert. John Martin, Direktor der Messe, bestätigte in einem persönlichen Gespräch, man wolle Vielfalt und innovative Kunst mit dem Schwerpunkt Naher Osten, Nordafrika und Südasien (MENASA - Middle East, North Africa, South Asia) präsentieren. Demzufolge waren zum einen wesentlich mehr Galerien vertreten, die direkt aus diesen Regionen kommen oder anderswo ihren Sitz haben und ohnehin auf Kunst von dort spezialisiert sind. Aber auch etliche andere Galerien aus Europa und den USA zeigten Arbeiten von Künstlern aus den MENASA-Gebieten. Dem Vernehmen nach scheint es in diesem Marktsegment tatsächlich die besten Verkäufe gegeben zu haben. Ohne Zweifel hat die Art Dubai der Kunst aus dem Nahen Osten sowie aus Indien und Pakistan eine wesentlich größere internationale Aufmerksamkeit verschafft, die gewiss Rückwirkungen auf Europa und die USA haben wird. [1]
Das über den reinen Kunsthandel hinausgehende Engagement der Art Dubai äußerte sich u.a. in speziellen Programmen. "Art Park" war ein weitläufiger Projektraum für experimentelle und ortsspezifische Arbeiten, temporär eingerichtet im unterirdischen Parkhaus, direkt unter den Sälen, in denen die Messe stattfand. Dort hatte auch Bidoun, die Kunstorganisation und Zeitschrift, einen Vorführraum, in dem vom Bidoun-Team selbst sowie von Nav Haq und Tirdad Zolghadr kuratierte Künstlerfilme vornehmlich aus dem Nahen Osten gezeigt wurden.
Unter dem Label "Art Projects" waren um die Madinat Arena herum bis hinunter zum Strand speziell in Auftrag gegebene Kunstprojekte im öffentlichen Raum zu sehen. Die Fondsgesellschaft Abraaj Capital hat jetzt einen Preis ausgeschrieben, durch den fünf Künstler aus dem Nahen Osten, Nordafrika und Südasien die Möglichkeit erhalten sollen, betreut von etablierten Kuratoren Werke für die nächste Art Dubai im Jahr 2009 zu schaffen.
Ein weiteres spezielles Projekt der Art Dubai war ein Pavillon Pakistans mit Werken von 11 Künstlerinnen und Künstlern sowie einer Gruppenarbeit, kuratiert von Salima Hashmi und koordiniert von Salma Tuqan unter dem Titel "Desperately Seeking Paradise". Dazu mehr in einem gesonderten Artikel.
Mit dem "Global Art Forum" hatte die Art Dubai schon 2007 eine interessante Plattform für den Austausch von Gedanken, konzeptionellen Überlegungen, Meinungen, Informationen und für das Networking geschaffen. Für so manche Besucher mag die fünftägige Veranstaltung in diesem Jahr ein ganz wesentlicher Grund gewesen sein, überhaupt nach Dubai zu reisen. An den ersten beiden Tagen ging es vor allem um die private und institutionelle Kunstförderung, später dann um Kunst und Künstler im öffentlichen Raum, um Bedingungen der Kunstproduktion, um das Museum der Zukunft und Kunstinstitutionen und den Nahen Osten, etc.
Während der Messe kam das Programm für Kunsterziehung START zum Einsatz, das im März 2007 von der Art Dubai und der Al Madad Stiftung gegründet worden war. Zunächst bis 2010 sollen bildende Künstler im Nahen Osten die Kreativität vor allem von Kindern durch Workshops fördern und ihnen elementare Aspekte der Kunst und des zeitgenössischen Kunstschaffens nahe bringen.
Zwar ist Dubai noch weit davon entfernt, als Kunstzentrum gelten zu können, doch parallel zur Messe hatte die Stadt schon relativ viel an Kunstausstellungen und -veranstaltungen zu bieten. Das Dubai International Financial Centre (DIFC), zu 50% Anteilseigner der Art Dubai, veranstaltete in seinem Hauptsitz im Gate District die "Season of Arts". Dabei waren u.a. größere Installationen und Ausstellungen zu sehen, so die Übernahme von "Word Into Art" (Moderne Kunst mit Texten und kalligraphischen Mitteln) des British Museum in London, kuratiert von Venetia Porter, [2] und siebzig Werke von bekannten Namen des internationalen Kunstgeschehens zeigte eine Auswahl aus der JPMorgan Chase Art Collection.
Überraschend stark und professionell präsentierte sich "The Flying House" in einer Doppelausstellung in zwei Foyers des DIFC. In dieser privaten Kunstorganisation und Galerie sind einige der wichtigsten Künstler der Vereinigten Arabischen Emirate versammelt. Der Sitz von "The Flying House" selbst, prall gefüllt mit Kunst vom Beginn der 1980er Jahre bis heute - darunter frühe Arbeiten und Aktionen der Concept Art und Performance -, galt besonders unter Fachbesuchern der Art Dubai als Geheimtipp und war dementsprechend viel frequentiert.
Wie schon im Vorjahr fand auch 2008 zeitgleich mit der Art Dubai die Creek Art Fair (CAF) statt. In 22 traditionellen Häusern des historischen Viertels Bastakiya boten kommerzielle Galerien eine Auswahl aus ihrem Angebot an und gaben Institutionen, Organisationen und Zeitschriften Einblicke in ihre Arbeit. Mehr als 25 Künstlerinnen und Künstler waren eingeladen worden, im öffentlichen Raum und in Gebäuden Installationen oder andere Werke zu zeigen. Organisiert wurde das Ganze von XVA mit finanzieller Unterstützung des Dubai Cultural Council und einzelner Sponsoren. Die CAF ist also nicht als "alternativ" zum offiziellen Event zu bezeichnen, zum Teil gab es sowohl bei der Kunst als auch bei den Veranstaltungen Überschneidungen mit dem Programm der Art Dubai. In den verwinkelten Gassen, restaurierten oder rekonstruierten Häusern und Höfen gab es durchaus einiges Interessantes zu entdecken, wenn man sich den Gesamteindruck nicht von der ziemlich verbreiteten provinziellen Ware vermiesen ließ. Mehr zur Creek Art Fair in einem extra Artikel.
Mit der zweiten Edition der Messe dürfte sich Dubai als ein wichtiger internationaler Handelsplatz für zeitgenössische Kunst etabliert haben. Da der weitere Ausbau der Art Dubai mit höchst offizieller Förderung vonstatten geht, steht ein schier unerschöpfliches Potenzial dahinter. Das allein wäre jedoch kaum ausreichend, wenn es nicht - wie in diesem Falle - hoch professionell und intelligent genutzt würde. Dazu gehört auch die Erkenntnis, dass die Stärkung der Kultur und Kunst in der Stadt und der Region durch solch einen Motor nicht nur eine zusätzliche philanthropische, dem Image zuträgliche Aufgabe ist, sondern über kurz oder lang durchaus ökonomischen Mehrwert erbringen kann.
Anmerkungen:
Pat Binder & Gerhard Haupt
Herausgeber von Universes in Universe - Welten der Kunst. Leben in Berlin.
Art Dubai
19. - 22. März
Global Art Forum
17. - 21. März
Madinat Jumeirah
Dubai, Vereinigte Arabische Emirate